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Handelsstreit mit den USA
"Die Europäische Union muss dagegenhalten"

Der FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff rechnet im Handelsstreit mit den USA nicht mit einer raschen Lösung. Vermutlich werde EU-Kommissionspräsident Juncker mit seinen Argumenten in Washington nicht auf offene Ohren stoßen, sagte er im Dlf. Dennoch müsse Juncker dem US-Präsidenten klar machen, dass die Europäer geschlossen handelten.

Alexander Graf Lambsdorff im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
    Der Bundestagsabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff (FDP)
    Der Bundestagsabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff (FDP) (dpa/picture alliance/ Silas Stein)
    Jörg Münchenberg: Angeblich hat die EU längst weitere Vergeltungsmaßnahmen in der Schublade, falls US-Präsident Donald Trump tatsächlich ernst machen sollte mit den angedrohten Zöllen für europäische Autos. Die Liste der möglichen Gegensanktionen sei 50 Seiten lang, heißt es in einem Zeitungsbericht. Insgesamt gehe es um Importe im Wert von 300 Milliarden Dollar.
    Die Meldung kurz vor dem Vermittlungsversuch von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bei Trump am kommenden Mittwoch kommt natürlich nicht zufällig. Die EU will signalisieren, dass sie nicht erpressbar ist.
    Heute Morgen habe ich dazu mit Alexander Graf Lambsdorff gesprochen und den FDP-Politiker zunächst gefragt, ob der Handelskrieg nicht längst absehbar sei.
    Alexander Graf Lambsdorff: Meine Hoffnung ist da sehr begrenzt. Ich war in der letzten Woche in Washington, habe politische Gespräche dort geführt mit einigen anderen, und die Überzeugung, die man dort antrifft, ist, dass das gar keine rationale Frage ist, sondern eine emotionale Frage. Und von daher glaube ich, dass die rationalen Argumente, die Jean-Claude Juncker vortragen wird, vermutlich nicht auf offene Ohren stoßen werden.
    "Ich finde es richtig und wichtig, dass Jean-Claude Juncker hinfährt"
    Münchenberg: Das spiegelt sich jetzt auch wieder bei dem G20-Treffen der Finanzminister in Buenos Aires. Da gab es ja nicht wirklich Fortschritte. Man hat schon den Eindruck, wir wollen miteinander reden, aber eigentlich beharrt doch jeder auf seinen Positionen.
    Graf Lambsdorff: Genauso ist es, und man muss ja wissen, dass der Finanzminister Steven Mnuchin in Buenos Aires jemand ist, der, sagen wir mal, von den handelnden Akteuren noch derjenige ist, der Argumenten am ehesten zugänglich ist. Derjenige, von dem alle in Washington sagen, dass er der maßgebliche Mann ist, Peter Navarro, der im Weißen Haus sitzt als Berater von Donald Trump, sei solchen Argumenten gar nicht zugänglich, wie man in Washington hört. Mit anderen Worten: Relativ große Bewegungslosigkeit. Dennoch finde ich es richtig und wichtig, dass Jean-Claude Juncker hinfährt, dass er Donald Trump klarmacht, dass die Europäer hier an einem Strang ziehen und dass die Amerikaner dabei sind, ein System in Frage zu stellen, von dem wir letztendlich alle profitieren, alle Nationen, die daran beteiligt sind.
    Münchenberg: Sie haben es gerade gesagt: Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fährt am Mittwoch nach Washington, trifft den US-Präsidenten. Angeblich ist die EU ja bereit, bei den Autozöllen den USA entgegenzukommen. Die sind ja in Europa noch höher als in den USA. Wird das das Angebot sein, das Juncker Trump machen wird?
    Graf Lambsdorff: Ich könnte mir das vorstellen. Es wird nicht darum gehen, eine vollständige Streichung der Zölle zu erreichen – das sehe ich nicht -, aber eine drastische Reduzierung, die schon. Natürlich wäre das alles gar kein Thema, wenn es uns gelungen wäre, in den letzten Jahren erfolgreich ein Abkommen zwischen Europa und den USA zu verhandeln, also TTIP. Das ist aber von Populisten hier in Europa, insbesondere in Deutschland, aber auch von Anhängern von Trump abgelehnt worden. Von daher haben wir zurzeit wirklich eine Situation, die im Grunde von Fall zu Fall willkürlich von Branche zu Branche springt. Was jetzt Juncker dort anzubieten haben wird, werden wir sehen. Das Gerücht besagt, es seien 90 Prozent des Zollvolumens, um das es geht. Ob das ausreichen wird, weiß ich nicht. Ich habe da aber meine Zweifel.
    Münchenberg: Es gibt Spekulationen über ein TTIP Light. Ist das wirklich eine realistische Option?
    Graf Lambsdorff: Nach meinem Eindruck ändert sich ein bisschen die Denke in der amerikanischen Administration, was Handelsabkommen angeht. Die USA hatten sich ja sehr schnell nach dem Amtsantritt von Donald Trump auch aus den Gesprächen zur Beendigung von TPP, der transpazifischen Partnerschaft rausgezogen und haben dann ein paar Monate später erkannt, dass das ein großer Fehler war. Ich habe bei TTIP, bei dem europäisch-amerikanischen Abkommen nicht was Ähnliches festgestellt. Es war nicht zu hören in Washington. Aber vielleicht versteht man auch in den USA, dass ein regelbasierter Handel von Vorteil sein kann. Allerdings diejenigen, die das verstehen in den USA, müssen es da noch dem Präsidenten verkaufen, denn die amerikanische Administration – so sieht es die Verfassung der USA nun einmal vor – ist sehr, sehr zentralisiert auf den Präsidenten ausgerichtet. Wenn er nicht sagt, dass er bereit ist, solche Verhandlungen zu führen, über ein TTIP Light beispielsweise, dann wird es die auch nicht geben.
    "Die Frage ist immer, ist dieser Präsident ansprechbar"
    Münchenberg: Aber die Frage ist – und das klang vorhin bei Ihnen ja auch schon durch -, ob der Präsident mit Argumenten tatsächlich noch erreichbar ist. Die deutschen Autobauer haben bei einer Anhörung letzte Woche darauf hingewiesen, dass sie 800.000 Fahrzeuge made in USA produzieren, dass sie 100.000 Jobs dort geschaffen haben. Das alles, muss man sagen, ist nicht wirklich neu und hat Trump bislang nicht beeindruckt.
    Graf Lambsdorff: Ja, genauso ist es. Das ist das große Fragezeichen. Das gilt für die Wirtschaftspolitik, die Handelspolitik, es gilt auch für die Außenpolitik. Die Frage ist immer, ist dieser Präsident ansprechbar, ist er erreichbar, oder zieht er etwas durch, was aus dem Wahlkampf stammt, wo er sich selbst in der Pflicht sieht, seinen Anhängern gegenüber ein Versprechen zu erfüllen, von dem er meint, es sei zentral. Dann ist da nichts zu machen, das ist vollkommen klar. Wenn man es objektiv betrachtet, sind die wirklich großen Investitionen der deutschen Autoindustrie in Tennessee, in Alabama und vor allem in South Carolina so bedeutend, dass sie im Grunde mindestens in Teilen auch als amerikanische Autounternehmen gelten können – nicht was die Qualität des Produkts angeht, aber was die Schaffung von Arbeitsplätzen und auch was die Auswirkung auf die Handelsbilanz angeht. Denn viele der dort hergestellten Autos werden ja aus den USA exportiert.
    Münchenberg: Herr Lambsdorff, nun gab es ja in der letzten Woche auch eine Kartellstrafe gegen Google durch die EU-Kommission: über vier Milliarden Euro soll der Konzern zahlen. Marktmissbrauch heißt der Vorwurf. Auch darüber hat sich Trump sehr geärgert. War das ein kluges Timing der Kommission, jetzt diese Strafe zu erlassen, angesichts des Termins jetzt am Mittwoch?
    Graf Lambsdorff: Darüber kann man mit Fug und Recht streiten. Auf der anderen Seite muss man wissen, dass die Generaldirektion Wettbewerb in Brüssel in der Europäischen Kommission funktioniert im Grunde wie ein Gericht hier bei uns. Mit anderen Worten: Das sind Spruchkammern, wenn man so will, die zu Urteilen kommen und diese Urteile dann verkünden. Richtig ist: Der Google-Fall hat natürlich eine politische Dimension. Auf der anderen Seite sind das Verfahren, die über viele Jahre laufen und irgendwann auch zu Ende gebracht werden müssen. Ich hätte mir persönlich gewünscht, das schwingt in Ihrer Frage ja mit, die Kommission hätte vielleicht noch bis nach der Reise gewartet. Jetzt ist das Urteil ergangen. Donald Trump hat entsprechend auch getweetet. "Ich hab’s euch ja gesagt", hat er getweetet. "Die USA werden von der Europäischen Union übervorteilt, aber nicht mehr lange. So lautete der Tweet. Mit anderen Worten: Jean-Claude Juncker wird sich da auf einiges gefasst machen können.
    "Es geht darum, dass man gezielte Sanktionen ergreift"
    Münchenberg: Wenn Trump jetzt ernst macht mit den Strafzöllen auf deutsche oder auf europäische Autos, muss dann die EU gegenhalten? Es gibt ja angeblich schon eine Liste mit anderen Strafsanktionen, wie man das schon bei Aluminium und Stahl gemacht hat. Muss die EU sich wehren?
    Graf Lambsdorff: Ich bin persönlich der Auffassung: Ja. In einem solchen Fall, wo ganz offensichtlich unberechtigte Zölle verhängt werden – und das ist ja hier der Fall; es handelt sich um Zölle aufgrund der Gefährdung der nationalen Sicherheit: Das ist ein an den Haaren herbeigezogenes Argument -, da muss dann die Europäische Union dagegenhalten. Die Amerikaner haben in ihrem Handelsgesetz ja auch die Möglichkeit, in Ausnahmefällen einseitige Verteidigungsmaßnahmen zu ergreifen. Artikel 201 ihres Gesetzes wäre dafür geeignet. Da müsste man dann ins Gespräch gehen. Aber hier handelt es sich so offenkundig um einen an den Haaren herbeigezogenen Sachverhalt, der zugrunde gelegt wird, dass der Europäischen Union vermutlich nichts anderes übrig bleiben wird, als zunächst mit Sanktionen zu reagieren – allerdings immer mit dem Ziel, sie am langen Ende dann auf beiden Seiten wieder zu senken.
    Münchenberg: Aber auch mit der Konsequenz, dass die Eskalationsspirale dann letztlich weitergeht?
    Graf Lambsdorff: Ja. Es geht darum, dass man gezielte Sanktionen ergreift, nicht Sanktionen, die mit dem groben Pinsel gemacht werden, die ganze amerikanische Wirtschaft, den ganzen amerikanischen Export betreffen, sondern es sollten so ähnlich wie beim Fall von Stahl und Aluminium politisch gut organisierte Sanktionen sein, das heißt in den Staaten und in den Wahlkreisen ankommen, wo die Abgeordneten im Senat sitzen und im Repräsentantenhaus sitzen, die das besonders stark unterstützen und die vielleicht einen Einfluss auf den Präsidenten ausüben können.
    Münchenberg: Herr Lambsdorff, noch eine Frage. Wie sehr ist Deutschland letztlich mitverantwortlich für die jetzige Eskalation, weil man sich ja in den vergangenen Jahrzehnten, muss man sagen, nie ernsthaft darum bemüht hat, den enormen Handelsüberschuss abzubauen?
    Graf Lambsdorff: Das ist eine Frage, die einem dort auch gestellt wird in Washington – nicht nur von Amerikanern, sondern auch im Internationalen Währungsfonds. Ein ständiger Überschuss von zirka acht Prozent, der ist natürlich der Erfolg unglaublicher Leistungsstärke unserer Wirtschaft, auf der einen Seite makroökonomisch betrachtet, aber natürlich ein Problem, denn auf die Dauer, wenn wir Jahr für Jahr derartig hohe Überschüsse haben, bedeutet das, dass andere Länder im gleichen Maße auch in die Verschuldung gehen.
    Münchenberg: Handel ist keine Einbahnstraße.
    Graf Lambsdorff: Wie bitte?
    Münchenberg: Weil Handel keine Einbahnstraße ist.
    Graf Lambsdorff: Natürlich nicht! Den Exporten deutscher Waren und Dienstleistungen steht ja auf der anderen Seite der Import von Kapital gegenüber. Dieses Kapital müssen ja diejenigen, die die Waren erwerben, auch aufnehmen, normalerweise an den Märkten. Das heißt, hier steht eine Verschuldung zu Buche. Von daher ist der Rat des Internationalen Währungsfonds ganz klar Ankurbelung der Binnennachfrage insbesondere durch bessere Lohnabschlüsse - das, glaube ich, läuft schon -, aber eben auch durch spürbare steuerliche Erleichterungen in Deutschland, damit die Menschen mehr zur Verfügung haben, der Staat ihnen das Geld nicht wegsteuert, sondern die Menschen selber im Inland in den Konsum gehen können. Das würde eine Erleichterung bedeuten. Wir haben das von der FDP immer vorgeschlagen, dass wir solche steuerlichen Erleichterungen auch in den Blick nehmen. In dieser Situation würden sie auch makroökonomisch definitiv helfen.
    Münchenberg: … sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff hier in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.