Daniel Harris hockt an einem gusseisernen Webstuhl. Ein riesiges viktorianisches Ungetüm, mit öligen Kurbeln und Ketten gespickt und Hunderten von Fäden bespannt. Dann tritt er in die Pedale und bringt das Webschiffchen zum Flitzen. Ein Höllenkrach.
Daniel webt Tweed, den traditionellsten aller britischen Wollstoffe. Designer und Maßschneider reißen sich um seine Tücher. Seine Werkstatt: ein zugiger Wellblechschuppen, in Hackney Ostlondon.
Dies ist ein Hattersley, der Klassiker unter den mechanischen Webstühlen, erklärt Daniel Harris: Den hat er vom Schrotthaufen gerettet. Weiter hinten im Studio steht ein Dobcross, dreimal so groß und dreieinhalb Tonnen schwer, der stammt aus einer verlassenen Fabrik in Schottland. Es hat über ein Jahr gedauert, bis Daniel das verrostete Monstrum wieder flott bekam. Daniel ist nicht nur ein passionierter Weber, sondern auch ein begeisterter Mechaniker.
Daniel Harris, 30, Gründer der London Cloth Company. Mit seinem altmodischen Jungengesicht könnte er in einem Film aus den 50er-Jahren mitspielen. Sein Wellblechstudio wäre ein hipper Set für eine Modeschau: Kronleuchter, Kurbelwellen, Landkarten. Und ausgestopfte Tiere: Ein zerzaustes Eichhörnchen, eine zerrupfte Möwe und Morgan, ein Rebhuhn, von Daniels Freundin beigesteuert, Connie ist Mitbegründerin und einzige Mitarbeiterin der London Cloth Company.
Auf dem Tisch liegen Muster. Ein klassischer Fischgrät in subtilen Naturfarben, der ging an einen piekfeinen Herrenschneider in der legendären Savile Row. Ein Blau-weisser Karo, von einer Billigtasche aus geflochtenem Plastik inspiriert. Den hat ihm ein junger Designer vom Webstuhl weggekauft. Ein Hahnentritt in rauchblau und indigo.
Der wurde von Daniel für das Spitzenlabel Ralph Lauren gewebt. Andere Stoffe gehen nach Japan, Schweden, in die Niederlande, und nach Deutschland. Irgendwie würden die Kontentaleuropäer seine Arbeit viel mehr schätzen. Daniel weiss ganz genau, woher seine Schurwolle kommt. Er kennt die Züchter der Schafe, und weiss sogar, wer die Tiere geschoren, wer ihre Wolle gesponnen hat. Das ist wichtig, sagt er, heute wollen die Leute genau wissen, wo ihre Sachen herkommen.
Oops, fast hätte er eine Teetasse über ein frisch gewebtes Tuch ausgeschüttet. Und dann macht sich auch noch sein Kater mit Dreckpfötchen auf einem edlen Tweed breit. Nicht weiter schlimm, sagt Daniel. Die Stoffe werden ohnehin gründlich gewaschen. Außerdem sind sie enorm robust. Ganz klar, Daniel Harris ist kein Snob, und exklusiv will er auch nicht sein. Der Meter Tweed kostet umgerechnet 35 Euro, die Hälfte seiner Stoffe geht an Läden im Umkreis von Hackney.
Daniel kramt einen Fetzen Stoff aus der Schublade, voller Löcher und Webfehler, den hat er vor zweieinhalb Jahren gewebt. Sein erster Tweed, die reine Katastrophe. Er hatte keine Ahnung, und hat sich alles selbst beigebracht. Nach der Trial-and-Error-Methode.
Daniel Harris experimentiert weiter. Baut Webstühle um, macht ad hoc Designs, die er noch während des Webens verändert. Er webt mit Ohrenschützern, und wenn's ihm zu monoton wird, hört er Techno, die einzige Musik, die gegen den Lärm ankommt. Besonders stolz ist Daniel auf sein jüngstes Projekt: echten London Tweed. Die Wolle stammt von Schafen aus City Farms, Bauernhöfen mitten in London also, die Stadtkindern zeigen sollen, wie es auf einer Farm zugeht. Seine gröβte Leidenschaft sind , so sagt Daniel, Workshops und Open Days, um auch schon Kinder für sein Handwerk zu begeistern.