Fanproteste
Niedersachsenderby ohne Gäste-Fans?

Die Derbys in der 2. Bundesliga zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 eskalierten letzte Saison. Deshalb will die niedersächsische Innenministerin Gästefans bei dem Spiel ausschließen. Diese Ankündigung sorgt für eine heftige Kontroverse.

Von Thorsten Poppe |
Blick in das Stadion von Eintracht Braunschweig. Im Hintergrund zünden Hannovers Fans Pyrotechnik.
Beim jüngsten Niedersachsenderby hatten Hannover-Fans im Eintracht-Stadion randaliert. Die Duelle sorgen seit jeher für Krawall und Randale. Jetzt will die Politik härter durchgreifen. (dpa / picture alliance / Swen Pförtner)
„An die Personen im Gästeblock und in der Südkurve. Mit Eurem Verhalten gefährdet Ihr Euch und andere Personen. Darüber hinaus kann Eurer Verhalten zu erheblichen Geldbußen für Euren Verein führen!“
Das Niedersachsen-Derby letzte Saison zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96. In beiden Begegnungen kommt es nicht nur zum massiven Abrennen von Pyrotechnik, sondern auch zu schweren Ausschreitungen, unter anderem mit einem schwer verletzten Polizisten.

Niedersachsens Innenministerium will zu härteren Maßnahmen greifen

Obwohl tausende Beamte im Einsatz sind, können sie die Ausschreitungen nicht verhindern. Deshalb will die niedersächsische Innenministerin in der neuen Saison zu härteren Maßnahmen greifen:
„Alles andere würde mich nicht überzeugen, und daher ist natürlich der Gäste-Fanausschluss für mich das Maß aller Dinge“, stellt Daniela Behrens kürzlich auf einer Pressekonferenz klar.

Noch eine Hintertür ist offen

Denn erste bauliche Maßnahmen in den Stadien, um Ausschreitungen zu verhindern, hätten noch nicht zum Erfolg geführt. Eine Hintertür lässt die Ministerin offen, falls die beiden Vereine überzeugende Alternativen anbieten würden. Diese müssten allerdings vor dem ersten Derby im Herbst umsetzbar sein:
„Wir haben ein Zeitfenster, was wir jetzt nutzen sollten. Bevor das Ticketing für das Spiel am 05. oder 06. Oktober in Braunschweig stattfindet. Das ist das nächste Niedersachsen-Derby. Und dieses Zeitfenster können wir jetzt nutzen, um zu gucken, gibt es Alternativen zum Gästefan-Ausschluss?“

Infrastrukturelle Eingriffe sind nötig

Auf Deutschlandfunk-Nachfrage, was das für Alternativen sein könnten, antwortet das niedersächsische Innenministerium: Man wolle dem Prozess nicht vorgreifen. Auch Hannover 96 verweist darauf, dass man sich im Austausch mit dem Innenministerium und Eintracht Braunschweig befände, und zum aktuellen Zeitpunkt nichts Neues bekanntzugeben sei.
Die Präsidentin von Eintracht Braunschweig, Nicole Kumpis, deutet immerhin schon einmal die Richtung an, was umgesetzt werden müsste, um den angekündigten Gästefan-Ausschluss zu verhindern:
„Wir müssen die seitliche Beschussmöglichkeit aus dem Gästefanblock natürlich infrastrukturell in den Griff kriegen, am besten natürlich noch weit vorher erstmal das Einbringen von Pyrotechnik ins Stadion!“

"Gästefan-Ausschlüsse lösen keins der Probleme"

Aufgestoßen ist die Forderung aus der Politik nach solchen alternativen Lösungen allerdings dem VfL Osnabrück. Das niedersächsische Innenministerium hatte den VfL wie alle anderen Profi-Klubs des Bundeslandes zu einem Dialog-Format eingeladen, um Gewalt im Fußball entgegenzuwirken.
Durch die zugesandte Agenda habe der VfL davon erfahren, dass das Ministerium von den Klubs auch die Erarbeitung dieser Lösungsansätze erwarte: „Das Ministerium will Alternativen, weiß aber nicht, wie die aussehen. Das ist ein bisschen eindimensional aus meiner Sicht“, macht VfL-Geschäftsführer Michael Welling im Gespräch mit dem Deutschlandfunk klar. Für den Verein ist weder der mögliche Gästefan-Ausschluss noch das Vorgehen der Innenministerin nachvollziehbar:
„Wenn das aber schon eine mutmaßliche Lösung im Raum steht, und das als Basis gilt, um etwas anderes erarbeiten zulassen von den Klubs, dann finde ich auch das zu mindestens vom Vorgehen, na ja ich formuliere es bewusst diplomatisch, diskutabel!“
Auch Fanvertreter kritisieren, dass dies nicht zur gegenwärtigen Situation im Fußball passe. Zwar seien die Ausschreitungen beim Niedersachsen-Derby nicht wegzudiskutieren, auf allen anderen Plätzen sei es aber ruhig. Dann eine Art Kollektivstrafe anzuwenden, sei nicht hilfreich:
„Gästefan-Ausschlüsse sind immer der falsche Weg, weil keines der Probleme damit gelöst wird. Außerdem werden unschuldige Fans bestraft, das widerspricht fundamental unserem Rechtsverständnis“, so Mario Goldmann von der Fanorganisation „Unsere Kurve“. Er ist gleichzeitig Vorsitzender der Fanabteilung Eintracht Braunschweigs:
„Hinzu kommt für die Polizei eher ein erhöhtes Personalaufkommen, weil immer mit kreativen Protesten der jeweiligen, betroffenen Fanszenen gerechnet werden muss!“

Dialog wurde abgelehnt

Genau davor warnt auch die Gewerkschaft der Polizei, die ansonsten den Fans selten zustimmt. In diesem Fall sind aber auch die Vertreter der Polizeikräfte gegen einen kompletten Gästefan-Ausschluss. Die Gewerkschaft fordert stattdessen personalisierte Tickets, lückenlose Kameraüberwachung und dass das Vermummungsverbot im Stadion durchgesetzt wird.
Dass es einen Dialog zwischen Fans, Vereinen und Behörden gibt, dafür sollen eigentlich die sogenannten Stadionallianzen sorgen, die es in Niedersachsen seit einigen Jahren gibt. Diese Gesprächsformate haben geholfen, viele Konflikte frühzeitig zu lösen. Deswegen wollte der VfL Osnabrück auch zum Dialog-Forum im Innenministerium Fanvertreter mitbringen. Das Ministerium hat das laut Klub aber abgelehnt. Daraufhin sagte der VfL seine Teilnahme ab.
Warum macht Geschäftsführer Michael Welling noch einmal im Gespräch mit dem Deutschlandfunk deutlich:
„Deswegen würde ich mir wünschen, dass man eben auch mit Fans spricht. Ich glaube, dass würde die ganze Sache eher befruchten. Zumal ich wirklich glaube, dass eben das drohen mit bestimmten, sehr rigorosen Maßnahmen, und das reden über Dinge, eher Teil des Problems sind, und weniger Teil der Lösung!“