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Hans-Georg Ehrhart vs. Rainer Moritz
Trägt Fußball zur Völkerverständigung bei?

Beim Fußball gelten dieselben Regeln für alle. Von so viel Zivilisiertheit könnte eine befriedende Wirkung ausgehen, sagt der Friedensforscher Hans-Georg Ehrhart. Der Literatur- und Fußballkenner Rainer Moritz widerspricht. Ohne sportlichen Erfolg sei der Frieden schnell vorbei.

Moderation: Christiane Florin |
    Hans-Georg Ehrhart (li.) und Rainer Moritz debattieren in der Streitkultur
    Hans-Georg Ehrhart (li.) und Rainer Moritz debattieren in der Streitkultur (Montage: dpa,ifsh & picture alliance/dpa - Erwin Elsner)
    Hans-Georg Ehrhart, Professor am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg: "Ja, Fußball kann zur Völkerverständigung beitragen. Er ist im Prinzip egalitär angelegt, er ist regelbasiert. Das ist schon ein Ausdruck von Zivilisierung, dass wir uns an Regeln halten, auch wenn wir wissen, dass die hin und wieder verletzt werden. Fußball ist kooperativ angelegt, ohne eine andere Mannschaft kann ich nicht spielen. Und er ist spielerisch, besteht aus Spiel, Spontanität und Spaß. Diese Trias ist prägend. Der bekannte Soziologe Norbert Elias hat einmal gesagt: Sport trägt zur Zivilisierung bei und damit auch zur Pazifizierung. Fußball kann dazu beitragen, muss aber nicht."
    Rainer Moritz, Leiter des Hamburger Literaturhauses, Autor von Fußball-Büchern ("Als der Ball noch rund war"): "Nein, Fußball ist für mich kein Beispiel für Völkerverständigung oder gelungene Integration. Das ist ein Thema für Sonntagsreden. Da kann darüber sinniert werden, dass der Fußball eine Schule des Lebens sei und zur Charakterbildung beitrage. Wer sich in kleinen Vereinen umsieht, bei E- und D-Jugendspielern, der sieht, dass der Sport es einfach macht, zum Beispiel Flüchtlinge zu integrieren. All das verfliegt im Nu, wenn es ernst wird, wenn Kommerz und Erfolgsstreben das Sagen haben, wenn Russland eine WM ausrichtet, um das politische System zu stabilieren, dann geht es um Macht. Wenn sich Siege einstellen, ist die heile Welt in Ordnung, dann essen Rassisten und Nationalisten Kreide und nehmen es stillschweigend hin, dass "Ausweisdeutsche", wie manche sagen, mitspielen. Doch wehe, wenn der Erfolg ausbleibt, wenn Nationalhymnen nicht mitgesungen werden, wenn Schweizer Spieler symbolisch für den Kosovo Zeichen setzen, dann ist die Tünche schnell weg."