Fabian Elsäßer: Herr Heist, passiert es eigentlich inzwischen manchmal, dass Sie als Herr Hassknecht angesprochen werden?
Hans-Joachim Heist: Das passiert natürlich sehr oft. Ich kann damit leben. Wenn mich meine Frau und meine Kinder nicht mit "Herr Hassknecht" ansprechen, ist das alles in Ordnung.
Elsäßer: Das heißt, Sie fühlen sich damit nicht auch manchmal reduziert oder unterbewertet. Denn Sie haben ja schon eine richtige Schauspielerkarriere hinter sich.
Heist: Nein, nein, auf keinen Fall. Ich denke mal, es ist doch wunderbar, wenn man mit so einer Rolle noch mal Karriere macht und noch mal so durch die Decke geht. Ich fühl mich auch nicht reduziert auf diese Rolle. Ich mach ja auch noch andere Dinge. Ich hab noch meinen Heinz-Erhard-Abend, ich dreh noch Fernsehspiele, Krimisachen. Und ich mach noch Funk. Also insofern fühl ich mich nicht reduziert auf Hassknecht.
Elsäßer: Wie hoch ist eigentlich ihr Eigenanteil? Sie sind ja wahrscheinlich Mitgestalter dieser Rolle und von dem was da so passiert, im Fernsehen wie auf der Bühne.
Heist: Insofern Mitgestalter, dass ich diese Rolle interpretiere und sehr authentisch rüberbringe. Sonst käme die Rolle des Gernot Hassknecht nicht so gut an. Er spricht den Leuten aus der Seele, er ist ja das Sprachrohr der ungehörten Masse. Insofern gestalte ich diese Rolle schon mit. Aber textlich nicht. Textlich ist das Sache von Oliver Welke, der die meisten Sachen auch für die Heute-Show schreibt. Die Idee, Gernot Hassknecht auf die Bühne zu bringen, die kommt allerdings von mir. Und ich fand da auch im Team der Heute-Show ein offenes Ohr. Man hat gesagt, das ist ne interessante Sache. Schauen wir mal, wie wir das hinkriegen. Und dann haben wir uns zusammengesetzt und überlegt. Weil das ist ja nicht so einfach, ne Figur, die man kennt, zwei oder auch drei Minuten aus einer Fernsehsendung, jetzt zwei Stunden auf die Bühne zu bringen.
Bühnenprogramm: Hassknecht als Coach
Elsäßer: Woran liegt's denn, dass es eben nicht ermüdet? Gibt es so etwas wie eine Rahmenhandlung?
Heist: Es ist aufgebaut wie ein Coaching-Programm. Es gibt ja viele Coaches, die die Bühnen dieser Republik bevölkern mit Chaka und so. Die gehen da hoch und wollen mir erzählen, wie ich besser zu leben hab. Lebe Deinen Traum und träume nicht Dein Leben, und "Wie ernähr ich mich richtig". Und das soll so ein kleiner Gegenpol sein. Eine satirische Parodie auf diese Lebensratgeber. Der Spannungsbogen ist eigentlich, den Leuten zu sagen, dass sie ihren berechtigen Frust nicht einfach so in sich hineinfressen sollen. Sondern rauslassen. Sonst platzt man ja irgendwann.
Elsäßer: Schönes Stichwort. Was bedeutet Zorn oder Wut für Sie?
Heist: Zorn ist impulsiver als Wut. Und Gernot Hassknecht ist nicht zornig, er ist wütend. Er ist sauer auf Dinge, die passieren. Er ist auch kein Erbsenzähler und auch kein Krümelsucher. Sondern wenn Hassknecht sich über irgendwas aufregt, wütend wird, dann ist es berechtigt. Dann sind es Dinge, die im Argen liegen.
Elsäßer: Wie viel Spaß macht das?
Heist: Es macht Spaß, ja. Das macht sehr viel Spaß. Also diese Rolle jetzt auch vor der Kamera so zu präsentieren. Weil man damit ja auch ne Aussage trifft. Es ist ja nicht einfach ein Text dahingeredet, sondern Hassknecht hat ja eine Meinung, und trifft ja eine Aussage. Und die, muss ich ehrlich sagen, deckt sich zum größten Teil auch mit meiner Meinung.
"Mittlerweile bin ich im Fach des Charakterkomikers"
Elsäßer: Wie politisch würden Sie sich einschätzen? Sie sind Jahrgang 49, könnten also noch der 68er-Generation angehört haben, hat Sie das geprägt?
Heist: Das hat mich sehr geprägt. Ich war in Frankfurt, ich hab demonstriert. Ich hab gegen die Notstandsgesetze heftig demonstriert, in Berlin. Also ich war sehr viel auf der Straße und hab demonstriert, im Gegensatz zu den jungen Leuten heute. Und bei den ganzen Studentenrevolten in Frankfurt, Frankfurt war ja das Mekka der Studentenrevolte, da war ich mittendrin.
Elsäßer: Sie sind ausgebildeter Schauspieler. Dietmar Bär hat mal erzählt, man habe ihm in der Schauspielschule sehr schnell gesagt: "Also Sie müssen komische Rollen spielen". Jetzt sind wir schon wieder bei Schubladen. Aber es scheint sie offenbar zu geben. Ist Ihnen so etwas Ähnliches passiert?
Heist: Ja. Ich wurde sofort in die Schublade des jugendlichen Komikers gesteckt. Und hab mich da eigentlich auch wohl gefühlt. Hab auch diese klassischen Rollen studiert, die für einen jugendlichen Komiker in Frage kommen. Also insofern wollte ich das auch, es war jetzt nicht so, das ich das nicht wollte. Und mittlerweile bin ich im Fach des Charakterkomikers. Und das ist alles gut, alles wunderbar. Ich wollte eigentlich.... Das ernste Fach hat mich nie so interessiert. Ich hab sehr viel Boulevard gespielt. Ich habe sehr viel interessante Rollen auch im klassischen Theater, was Komödien betrifft, gespielt. Insofern hat das alles ganz gut gepasst und ich fühl mich damit wohl.
Elsäßer: Das klingt fast schon nach dem klassischen Sidekick, oder wie es Ralf Wolter, der auch ungefähr ihre Statur hat, mal gesagt hat, er sei der König der Nebenrollen. Haben Sie sich auch manchmal so gefühlt?
Traumrolle: Ein richtig fieser Typ
Heist: (Lacht) Jaha, das kann man so sagen. Größtenteils im Laufe meines Schauspielerlebens für die klassische Nebenrolle engagiert. Irgendwann müsst ich mal 'nen Oscar kriegen für die Nebenrollen!
Elsäßer: So was wie die finale Traumrolle, gäbe es die?
Heist: Also im Fernsehen würde ich ganz gerne mal, da hat man mich bisher noch nicht gefragt, da würde ich gerne mal so einen richtig fiesen Mörder spielen. Einen bösartigen, fiesen Menschen. Weil immer so die komischen Rollen... Spiel ich gerne, ist keine Frage! Aber so 'nen richtig ganz, ganz fiesen Typen...
Elsäßer: Warum?
Heist: Ja, weil ich es noch nicht gemacht habe und zweitens, weil man da als Schauspieler wieder eine ganz andere Facette zeigen kann.
Elsäßer: Sie haben nicht den direkten Weg in die Schauspielerei gewählt, sondern erst mal einen handwerklichen Beruf gewählt. War das, um Ihren Eltern da einen Gefallen zu tun, aber der Traum war eigentlich schon da?
Heist: Der Traum war schon immer da. Aber wie gesagt, Sie haben's richtig gesagt: um den Eltern einen Gefallen zu tun. (Spricht kurz hessisch)"Der Bub lernt erstemal was rischtiges." Schauspielerei, brotlose Kunst. Kann man davon überhaupt leben? Deshalb hab ich einen Handwerksberuf gelernt, um dann auf die Ingenieurschule zu gehen. Das hat mich auch interessiert. Also handwerklich bin ich auch immer noch tätig, wenn zuhause was zu machen ist. Wenn Sie mich jetzt um neun Uhr morgens in einem großen Baumarkt abladen und mich abends um 22 Uhr wieder abholen, hatte ich einen schönen Tag. Also insofern ist das auch noch in mir, immer.
Elsäßer: War's denn dann eine glatte Karriere oder war's auch zwischendurch ein steiniger Weg?
Heist: Es war ein sehr steiniger Weg, und den hab ich mir auch selbst ausgesucht. Ich war zeitweise immer mal im festen Engagement. Aber ich habe mich dann immer wieder entschlossen, frei zu sein, weil ich ja auch Fernsehen machen wollte. Und meine Frau hat auch immer Geld verdient, wenn ich die nicht gehabt hätte, dann hätte ich also doch des Öfteren zuhause gesessen und hätte nicht gewusst, wie ich die nächste Miete bezahlen soll. Also insofern war das auch ein steiniger Weg.
Elsäßer: Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Heist
Heist: Danke, hat mich auch sehr gefreut!