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Hans-Peter Friedrich (CSU)
"CDU sollte sich aus CSU-Personalfragen heraushalten"

Angela Merkel habe mit ihrer Entscheidung, den Vorsitz aufzugeben, Maßstäbe gesetzt, sagte der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich im Dlf. Bei der CSU werde man über Personalfragen erst sprechen, wenn der bayerische Ministerpräsident und der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei gewählt seien.

Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Silvia Engels |
    Berlin: Hans-Peter Friedrich (CSU) kommt am Ende der Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD in die CDU-Parteizentrale, das Konrad-Adenauer-Haus.
    Man habe sich den Parteivorsitzenden der CDU noch nie aussuchen können, sagt Hans-Peter Friedrich im Dlf. (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Silvia Engels: Wer den Vorsitz in der CDU innehat, das kann der Schwesterpartei CSU nicht gleichgültig sein - schon allein deshalb, weil die CDU nun den für sie ungewöhnlichen Kurs fahren will, Parteivorsitz und Kanzleramt auf zwei verschiedene Personen zu verteilen. Am Telefon ist Hans-Peter Friedrich, für die CSU sitzt er seit 1998 im Bundestag. Zwischenzeitlich war er auf verschiedenen Ministerposten unter Angela Merkel im Kabinett und derzeit ist er Vizepräsident des Deutschen Bundestages. 18 Jahre Parteivorsitz der CDU durch Angela Merkel gehen zu Ende. Wie tief ist diese Zäsur?
    Hans-Pete Friedrich: Ja, ich glaube, es ist schon das Ende einer Ära, und ich glaube, alle, die mit Angela Merkel zu tun haben, empfinden in diesen Stunden tiefen Respekt vor dieser Entscheidung. Sie hat eine Entscheidung getroffen, die ihr ermöglicht, das Heft des Handelns in der Hand zu halten, und ich glaube, das ist aller Ehren wert.
    "Neue eigene Akzente"
    Engels: Sie überblicken ja eine lange Zeit von Kanzlerschaften, die Sie aus nächster Nähe beobachtet haben. Fragen wir mal nicht nach Personen, sondern nach Strukturen. Wie wichtig ist es aus Ihrer parlamentarischen Erfahrung heraus, dass Kanzleramt und Parteivorsitz in einer Hand liegen, um eine stabile Bundesregierung zu gewährleisten?
    Friedrich: Na ja, grundsätzlich ist es natürlich so, dass jeder Regierungschef, der eine Koalitionsregierung führt, zwischen verschiedenen Positionen ausgleichen muss, und es ist natürlich gut, wenn er selber eine Partei führt. Dann hat er ein Schlachtfeld weniger zu beackern. Das heißt, der neue CDU-Vorsitzende oder die CDU-Vorsitzende wird versuchen, auch neue eigene Akzente zu setzen. Aber Angela Merkel ist, glaube ich, erfahren und routiniert und stark genug, um auch diese verschiedenen Positionen, die dann von drei Parteien kommen, auf einen Nenner zu bringen.
    Engels: Sie haben es schon angesprochen. Künftig gibt es mehrere Kraftzentren. Vorneweg gibt es dann die Regierung mit Koalitionspartner; dafür ist Angela Merkel zuständig. Daneben kommt nun ein eigener Parteivorsitzender, und nun gibt es ja auch noch den Unions-Fraktionschef, den Angela Merkel so nicht wollte. Kann in einer solchen Lage noch Bundespolitik aus einem Guss entstehen?
    Friedrich: Ja, das glaube ich schon. Ich meine, das gehört zu einer Demokratie, dass es auch viele verschiedene Akteure gibt, die sich zusammenfinden zu einem gemeinsamen Nenner. Und letzten Endes, wenn man wirklich die Stärkung und Kräftigung der CDU als Volkspartei haben möchte, muss man ja auch in der Lage sein, unterschiedliche Typen, unterschiedliche Sichtweisen zusammenzuführen. Insofern kann das sogar sehr gut sein für die Union.
    "Konnten uns CDU-Vorsitzenden noch nie aussuchen"
    Engels: Dann schauen wir mal nach vorne. Im Moment werden ja für die CDU-Spitze die Namen Annegret Kramp-Karrenbauer, Jens Spahn und Friedrich Merz genannt. Daneben kommt nun auch möglicherweise Armin Laschet dazu. Wen halten Sie für den besten Partner der CSU?
    Friedrich: Das ist eine Sache, die die CDU entscheiden muss. Wir als CSU konnten uns den Parteivorsitzenden der CDU noch nie aussuchen und wir werden das auch diesmal nicht versuchen, sondern das ist eine Angelegenheit, die die CDU regeln muss. Ich glaube, dass wir am Ende des Tages mit jedem Parteivorsitzenden der CDU zusammenarbeiten können und auch zusammenarbeiten müssen.
    Engels: Herr Friedrich, die CDU sortiert ihr Spitzenpersonal neu, und das als klare Konsequenz aus einem schlechten Abschneiden bei Landtagswahlen. Bei der CSU haben wir so etwas noch nicht gesehen. Ist es überfällig?
    Friedrich: Wir haben uns ja darauf verständigt innerhalb der CSU, dass jetzt erst mal die bayerische Staatsregierung gebildet wird, der Ministerpräsident gewählt wird. Wir haben noch eine weitere offene Kandidatur, nämlich Manfred Weber, der möglicherweise Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei wird für die Europawahl. Danach werden wir Personaldebatten führen und inhaltliche Debatten führen, und natürlich muss man sagen, hat Angela Merkel mit ihrer Entscheidung gestern auch Maßstäbe gesetzt, keine Frage.
    Engels: Der saarländische Ministerpräsident Hans von der CDU macht es noch konkreter. Er appelliert heute in der Zeitung "Die Welt" an CSU-Chef Seehofer, es der Kanzlerin gleich zu tun und das Vorsitzendenamt abzugeben. Hat er recht?
    Friedrich: Ich kann dem CDU-Kollegen nur den dringenden Rat geben, sich aus diesen Fragen herauszuhalten. Wir geben auch keine Ratschläge über die Personalentscheidungen der CDU. Es könnte sonst sein, dass Gegenreaktionen entstehen, die am Ende nicht zum gewünschten Ziel führen, nämlich CDU und CSU wieder etwas harmonischer zusammenarbeiten zu lassen.
    Engels: Welche Gegenreaktionen wären das?
    Friedrich: Na ja, dass man möglicherweise sagt, von denen lassen wir uns gar nichts sagen, und der Spaltpilz schon wieder in eine neue Konstellation gelegt wird. Das sollten wir unterlassen. Wir sollten respektieren, dass jede Partei für sich ihre Fragestellungen und ihre Probleme auch löst, und ich glaube, das war guter Brauch in der Vergangenheit und das sollten wir auch in der Zukunft so beibehalten.
    Ämterzusammenführung bei der CSU "eine Option"
    Engels: Die CDU wählt ja künftig die Ämtertrennung zwischen Regierungschefin und Parteichef. Schauen wir einmal mittelfristig voraus. Sollte die CSU andersherum den Weg gehen und Parteivorsitz und Ministerpräsidentenamt wieder zusammenführen, mittelfristig in der Person von Markus Söder?
    Friedrich: Es ist zumindest eine denkbare Konstellation. Mit der haben wir gute Erfahrungen gemacht. Aber es ist natürlich die Trennung auch durchaus eine Möglichkeit. Das setzt natürlich voraus, dass beide Persönlichkeiten auch den Willen zur Zusammenarbeit haben. Alles ist denkbar, aber sicher ist auch die Trennung von Ministeramt und Parteivorsitz eine Möglichkeit. Denn wenn man das Bundeskanzleramt und den Parteivorsitz trennen kann, kann man natürlich auch Ministeramt und Parteivorsitz trennen.
    Engels: Wie wäre es dann, wenn möglicherweise getrennt wird zwischen dem Parteivorsitz der CSU mittelfristig und einer europäischen Rolle? Heißt: Hat tatsächlich mittelfristig Manfred Weber eine Chance auf den Parteivorsitz der CSU?
    Friedrich: Manfred Weber ist sicher einer der ganz großen Persönlichkeiten, die diese Partei führen könnten. Allerdings gibt es schon grundsätzliche Bedenken, ob man das von Brüssel aus machen kann, und insofern müsste man da wirklich noch sehr intensiv diskutieren.
    Engels: Das heißt, ich höre eine Sympathie für Herrn Söder mittelfristig als CSU-Chef heraus?
    Friedrich: Ich weiß nicht, was Sie hören. Ich habe das gesagt, was momentan in der CSU gilt, dass wir zunächst abwarten, wie die Personalentscheidungen laufen, und dann entscheiden, wie wir weitermachen.
    "Ich sehe bei keinem Namen grundlegende Probleme"
    Engels: Was wir heute auch gehört haben, war der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer. Er freut sich, dass mehrere Kandidaten beim künftigen CDU-Parteitag zur Auswahl stehen. Sehen Sie die Gefahr, dass daraus auch Flügelkämpfe erwachsen können?
    Friedrich: Nein. Aber schauen Sie: Ich glaube, dass die allerwichtigste Aufgaben jetzt für CDU wie für CSU darin bestehen, wieder die Integrationsfunktion einer Volkspartei zu erhalten. Das heißt, man muss die Konservativen, man muss die Liberalen, die Wirtschaftsliberalen, die Liberal-Konservativen wieder zusammenführen. Ich glaube, das ist Angela Merkel in letzter Zeit nicht mehr gelungen, und man muss jetzt von einem neuen Parteivorsitzenden, egal aus welcher Richtung er kommt, erwarten, dass er diese Integrationskraft hat, und da bin ich eigentlich bei allen, die derzeit genannt werden, ganz optimistisch.
    Engels: Das heißt, Sie können sich alle Namen, von Friedrich Merz auf der einen Seite bis hin zu Armin Laschet, als CDU-Vorsitzende gut vorstellen?
    Friedrich: Noch mal: Wir als CSU haben noch nie uns aussuchen können, wer CDU-Vorsitzender wird. Wir haben das angenommen, was die CDU entschieden hat, und so wird es auch diesmal sein. Ich sehe bei keinem Namen grundlegende Probleme.
    Engels: Wann gibt es denn einen neuen CSU-Vorsitzenden?
    Friedrich: Noch mal: Wir haben zunächst einen Zeitplan. Wir werden den Ministerpräsidenten wählen. Wir werden den Spitzenkandidaten auf europäischer Ebene wählen. Dann werden wir darüber reden, wie wir in der Partei weitermachen. Die Wahl des Ministerpräsidenten in Bayern hängt davon ab, wie die Koalitionsverhandlungen laufen. Das geht sehr geräuschlos vonstatten in Bayern zwischen Freien Wählern und CSU. Insofern wird das weitere Vorgehen von diesem Zeitplan bestimmt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.