Dirk Müller: Wir bleiben beim umstrittenen Besuch des türkischen Ministerpräsidenten in Deutschland, in Köln. In wenigen Stunden wird er in der Lanxess-Arena auf der rechten Rheinseite seine Rede beginnen, wenn alles so funktioniert, wie er sich das vorgestellt hat. Darüber sprechen wollen wir nun mit CSU-Rechts- und Innenpolitiker Hans-Peter Uhl, zudem Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Guten Tag!
Hans-Peter Uhl: Grüß Sie Gott!
Müller: Herr Uhl, haben Sie Erdogan ein Visum ausgestellt?
Uhl: Nein, er hat hier natürlich Reisefreiheit und braucht kein Visum, aber er ist Gast, er ist kein Deutscher. Das heißt, auch das Versammlungsrecht – muss ihm bewusst sein – ist ein Recht der Deutschen, ein Grundrecht der Deutschen, und wenn er Gast ist, dann kann er sich auf dieses Grundrecht nicht berufen, wohl aber auf unsere Großzügigkeit, sich hier mit seinen ehemaligen Landsleuten und Noch-Landsleuten zu versammeln, aber nur zu friedlichem Zwecke.
Müller: Und zu Hause darf man sich benehmen, wie man will?
Uhl: Ja, offensichtlich benimmt er sich in der Türkei so, dass er polarisiert. Das führt dazu, dass Konflikte gewaltsam ausgetragen werden, wie wir in den Bildern im Fernsehen jeden Abend sehen, und wir befürchten zu Recht, dass diese Konflikte durch seinen Besuch nach Deutschland getragen werden, und das wollen wir nicht.
Müller: Gibt es dafür Anzeichen? Wir reden seit Wochen, seit Monaten darüber. Heute wird das Ganze konkret, wenn er eben hier vor Ort in Köln seine Rede halten wird. Sind diese Anzeichen sichtbar, haben Sie Hinweise darauf?
Uhl: Da müsste man die Polizei, Sicherheitskräfte fragen, ob sich gewaltbereite Erdogan-Gegner formieren, sich versammeln. Das weiß man in der Regel bei den Sicherheitsbehörden. Aber Tatsache ist, dass man ja schon weiß, dass sehr viele Gegner eine Gegenkundgebung machen werden. Die Sicherheitsbehörden haben glücklicherweise den Rhein dazwischen, sodass man hoffen kann, dass die eine Seite auf der einen Seite des Rheins bleibt, die andere Seite mit Erdogan auf der anderen und sie nicht unmittelbar aufeinandertreffen.
"Ihn auszuladen, das geht übers Ziel hinaus"
Müller: Ich hatte eben den deutschen Außenminister, also Frank-Walter Steinmeier, zitiert, der gesagt hat: "Wir müssen das als Demokratie aushalten." Meine Frage an Sie, Hans-Peter Uhl, jetzt die Frage: Muss nicht eine Demokratie auch klare Signale setzen?
Uhl: Ja, natürlich muss, wird unsere Demokratie, die deutsche, gefestigte Demokratie dies aushalten und Erdogan wird wieder abreisen und die Türken werden sich wieder beruhigen. Und wenn es nicht der Fall ist, dann haben wir die Polizei und die werden die Gewalttäter dann abführen und hinter Schloss und Riegel bringen und zur Not auch die Versammlung auflösen. Das ist überhaupt kein rechtliches Problem.
Müller: Also das Signal war jetzt als Frage in die Richtung gemeint oder gemünzt, dass man Erdogan vielleicht auch im Vorfeld hätte signalisieren können: "Also wir sind da zumindest mit heftigen Bauchschmerzen ausgestattet, wenn du hier hinkommst."
Uhl: Das haben wir getan, auch ich habe das persönlich getan und viele Kollegen aus dem Bundestag auch. Er ist als Gast willkommen, aber er möge doch bitte hier keine aufwieglerischen, polarisierenden Reden halten, sondern sich so benehmen wie ein Gast. Ich glaube, das ist die richtige Art, zu reagieren. Ihn auszuladen, das geht übers Ziel hinaus. Wir haben vielfältige Beziehungen, Kontakte und unendlich viele türkische Landsleute hier, wobei man auch wissen muss, dass die überwiegende Zahl der hier auf Dauer lebenden Türken längst Deutsche geworden sind und eigentlich auch gar nicht mehr Kundschaft, in Anführungszeichen, von Herrn Erdogan sind. Der kann hier keinen Wahlkampf mit diesen Leuten machen.
Müller: Aber mit denen, die noch nicht entschieden sind oder noch immer Türken sind, die das Wahlrecht haben, 1,5 Millionen Türken, darüber reden wir immerhin.
"Das Problem mit unseren Doppelstaatlern"
Uhl: So ist es. Es ist ja auch das Problem, das wir mit unseren Doppelstaatlern haben, dass ein großer Teil dieser 1,5 Millionen Türken auch schon den deutschen Pass haben und wir nicht kontrollieren können, wo sie jetzt wählen oder nicht wählen oder ob sie zwei Mal wählen. Das sind alles Ungereimtheiten in den deutsch-türkischen Beziehungen.
Müller: Für uns, Herr Uhl, ist es ja doch ein bisschen ungewöhnlich, für die meisten Beobachter, auch hier für die normalen Bürger, dass jemand aus dem Ausland kommt und hier Wahlkampfreden hält, und das in dieser polarisierten, doch sehr angespannten Situation, einerseits in der Türkei, andererseits eben mit diesen möglichen innenpolitischen Implikationen. Ich möchte Sie auch noch mal ganz frei heraus fragen: Finden Sie das legitim, dass ein türkischer Regierungschef hier hin kommt und Wahlkampf macht?
Uhl: Ja, jetzt warten wir es mal ab, wie intensiv er Wahlkampf macht. Dass er politische Absichten hat, die seine eigene Kandidatur betreffen, die er wohl irgendwann ankündigen wird, das ist doch offensichtlich. Aber auf der anderen Seite wachsen wir immer mehr zusammen. Es ist nicht ganz ungewöhnlich, dass innerhalb der Europäischen Union auch Politiker aus EU-Mitgliedsstaaten nach Deutschland kommen und umgekehrt und sich dort im Wahlkampf in irgendeiner Form beteiligen. Das gehört zu unserer zusammenwachsenden, globalisierten Welt dazu. Das finde ich nicht so ungewöhnlich.
Müller: Wer bezahlt das Ganze?
Uhl: Na, die Türken, davon gehe ich doch aus.
Müller: Die Hallenmiete. Und die Polizei auch?
Uhl: Die Polizei zahlt der deutsche Steuerzahler, und das ist in der Tat ein Problem, aber da gibt es noch sehr viele andere große Ereignisse, die gewaltgeneigt sind, wo man sich auch fragen muss: Ist das dem deutschen Steuerzahler zumutbar, diesen ungeheuren Aufwand zu finanzieren? Aber Demokratie kostet Geld auf der anderen Seite. Deswegen von vornherein alles zu verbieten, weil die Polizei möglicherweise zum Einsatz kommen muss, das geht ja wohl auch nicht in einer freiheitlichen Gesellschaft.
Müller: Aber Sie sind da schon nachdenklich in dem Punkt? Also Sie sagen, Demokratie kostet auch Geld. Die Frage ist ja, ob das türkische System hier in Deutschland Geld kostet.
Uhl: Richtig. Das ist die Frage, also da kann man schon etwas energischer regeln. Aber schauen Sie, es gibt ganz andere Bereiche, wo wir genauso große Probleme haben, das sind die Fußballrowdys und Fans, die jeden Samstag, Sonntag gewalttätig sind, nicht nur in der Bundesliga, in den Zweit- und Drittligen. Und da sind auch überall Polizeikräfte auf Kosten des Steuerzahlers gefragt - und man kann auch nicht sagen, das müssen die kleinen Vereine bezahlen.
Müller: Aber ist für Sie vergleichbar?
Uhl: Ja, gut, das ist die Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die muss durch die Polizei bewältigt werden, und das ist das Geld der Steuerzahler.
Erdogan-Rede 2011 hat "völlig falsches Signal" ausgesandt
Müller: Aber es könnte in Deutschland jetzt hier in Köln konkret heute nachmittag so weit kommen, dass deutsche Polizisten ihre Köpfe und auch ihre Gesundheit hinhalten müssen, damit der türkische Ministerpräsident seine Rede hält.
Uhl: Ja, so ist es, und sollte es sich so ergeben, was wir nicht herbeireden wollen, dass es zu verletzten Polizisten kommt, dann wird man für die Zukunft schon auch an eine offizielle Ausladung des Herrn Erdogan denken können. Aber das sollte man erst noch abwarten.
Müller: Wir haben, Herr Uhl, ja eben zu Beginn der Sendung noch einmal einen Auszug von Erdogans Rede in Düsseldorf 2011 vor drei Jahren eingespielt. Das war ja damals auch schon sehr umstritten. Es war sehr polarisierend, mit vielen Spitzen, mit vielen Attacken versehen, auch gerade gegen die deutsche Politik, gegen die deutsche Innenpolitik, gegen die Integrationspolitik. Haben wir das schon wieder vergessen, verdaut?
Uhl: Ich habe das überhaupt nicht vergessen. Ich habe mich damals sofort, am gleichen Tag noch, geäußert, weil er hat da damals ein offensichtlich gestörtes Verhältnis zu seinen ehemaligen Landsleuten. Wenn ein Türke auf Dauer in Deutschland lebt und sich einbürgert, ist er Deutscher geworden und vertritt deutsche Interessen, sonst hätte er sich nicht einbürgern lassen. Und dann hat die Rede von Erdogan einfach ein völlig falsches Signal ausgesandt. Er sagte, ihr müsst deutsch lernen, und zwar wozu? Nicht, um deutsche Interessen zu vertreten, sondern um türkische Interessen in Deutschland zu vertreten. Und das ist nun wirklich nicht die Aufgabe der eingebürgerten Türken.
Müller: Wir sprechen ja auch mit Ihnen, weil Sie immer sehr, sehr kritisch waren in diesem Punkt, das heißt, er hat das damals so gesagt, Sie haben das jetzt noch einmal skizziert - Sie haben sich damals schon darüber aufgeregt, in Anführungszeichen, also das stark kritisiert, aber keiner ist jetzt auf die Idee gekommen, zu sagen: Na ja, innerhalb der drei Jahre wird sich nicht viel geändert haben, es ist vielleicht jetzt noch schlimmer, deswegen soll er besser zu Hause bleiben.
Uhl: Wir sollten die Chance geben, eine nicht-polarisierende, nicht-aufwieglerische, eine friedliche Rede als Staatsmann zu halten an die Menschen, die noch Türken sind und diejenigen, die Deutsche geworden sind, und jeden auf seine Person glücklich werden lassen und nicht neue Deutsche, sozusagen ehemalige Türken aufhetzen, dass sie im Interesse der Türkei in Deutschland agieren sollen. Das darf er nicht tun.
Müller: Ich muss Sie zum Schluss, Herr Uhl, noch eine Sache fragen, haben wir hier diskutiert, konnten das nicht so ganz klären: Wenn die 1,5 Millionen Türken dann aufgerufen sind ganz konkret, zu wählen, einen neuen türkischen Präsidenten, hier in Deutschland, Wahlkabinen, Wahlorte, Wahlversammlungen: Wo findet das statt?
Uhl: Das kann in den Vertretungen der Türkei in Deutschland stattfinden, also in der Botschaft und im Konsulat, das ist so üblich.
Müller: Auch bei der Masse, reicht das aus?
Uhl: Wenn noch weitere Wahllokale eröffnet werden, dann muss das mit den deutschen Behörden abgestimmt werden, damit die Sicherheit hergestellt werden kann.
Müller: Bei uns heute mittag im Deutschlandfunk der CSU-Rechts- und Innenpolitiker Hans-Peter Uhl. Danke für das Gespräch!
Uhl: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.