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Hans von Trotha: "Im Garten der Romantik"
Der Garten als naturverbundenes Menschenwerk

Hans von Trotha kennt sich aus mit der Gartenkunst. Er hat so ziemlich alle Gärten in Europa gesehen und gilt als Spezialist für die Landschaftsgärten des 18. Jahrhunderts. In seinem Buch "Im Garten der Romantik" informiert er über die romantische Gartenkunst. Wer es liest, will gar nicht mehr raus aus dem Garten.

Von Barbara Sichtermann |
    Eine Künstlerin mit Hut in Rückenansicht vor einer Staffelei in einem Garten
    Eine Künstlerin vor einer Staffelei in einem Garten (imago/CHROMORANGE)
    "Im Garten der Romantik", denkt der Uneingeweihte, der das schmucke Bändchen aus dem Berenberg-Verlag in der Hand wiegt, ja natürlich, was gibt es Romantischeres als einen Garten? Fehlanzeige. Die Romantik als Epoche der Kunst-, Musik- und Literaturgeschichte hat gar keine eigene Gartenarchitektur entworfen. Gärten wurden erdacht, gebaut und typisiert in der Antike, in der Renaissance, im Barock als geometrische Anlage, im Zeitalter der Aufklärung als Landschaftsgarten. Und was taten die Romantiker? Sie gingen in den Garten und entwickelten dort ihre Gedanken und Vorstellungen von der Unendlichkeit der überwältigenden Natur draußen und der wohl doch nicht so leicht domestizierbaren Natur drinnen, in der menschlichen Seele. Sie machten mit der Überschaubarkeit Schluss, die der französische Park präsentiert hatte, sie wandten sich von der reinen Natur-Kopie und der Theatralik ab, die der englische Garten ausgestellt hatte. So hoben sie die Sicherheit auf, die der umzäunte Garten bot und ließen die bedrohliche Fantasie der Entgrenzung zu. Aber warum taten sie das – im Garten? Oder, anders gefragt: Warum war der Garten, sei es als Schauplatz romantischen Wirkens oder als Inspirationsquelle, für romantische Dichter so wichtig?
    Romantiker wollten Kunst und Leben
    Das erklärt von Trotha überzeugend. Die Romantiker, in Deutschland etwa die Brüder August Wilhelm und Friedrich Schlegel, E.T.A Hoffmann, Novalis, Ludwig Tieck und Hermann Fürst von Pückler-Muskau, wollten Kunst und Leben, äußere und innere Natur zusammenführen, sie wollten eines im anderen finden, wollten die Vernunft durch Befeuerung des Gefühls herausfordern und sich der Gefahr aussetzen, mit diesem kühnen Projekt zu scheitern. Der Garten oder der Park als naturverbundenes Menschenwerk bietet ja immer beide Seiten: Natur und Kunst, sprießende Böschung und begradigte Allee, die Weite der frischen Luft und die Enge eines versteckten Pavillons, duftendes rotes Wildkraut und gezüchtete blaue Blume. Um also die ästhetische und geistige Erneuerung, die von der Romantik ausging, nachzuvollziehen, muss man in den Garten gehen.
    "Das Anregen der Fantasie galt Fürst von Pückler-Muskau als vornehmster Zweck der Gartengestaltung. Berühmt ist sein Diktum: 'Ein vollkommener Park oder mit anderen Worten: Eine durch Kunst idealisierte Gegend, soll gleich einem guten Buche wenigstens ebenso viele neue Gedanken und Gefühle erwecken, als es ausspricht."
    Der Landschaftsgarten des 18. Jahrhunderts, der großen Zeit der Parks, bot die Natur als Artefakt, hier konnte man erfahren, dass sie in all ihrer wilden Schönheit doch letztlich dem ordnenden menschlichen Eingriff unterworfen war. Hier inszenierte die Aufklärung ihre Ziele: Integration der Natur in die Kunst. Baum, Strauch, Blume und Quelle sollten sich nicht als gezähmte zeigen wie im französischen Garten mit seinen beschnittenen Hecken und gezirkelten Wegen, sondern als Ur-Natur – die gleichzeitig Kunstwerk war. Die Natur durfte blühen und wuchern, weil der Mensch klug genug war, sie zu kontrollieren. So erklärt sich der englische Garten als Gegenentwurf zum symmetrischen französischen: Man konnte darin spazieren gehen wie in der "ersten", der wilden Natur, entdeckte aber gleichwohl die bildende Hand des Landschaftsarchitekten. Der sanfte Schauer, der den Gartenfreund erfasste, wenn urplötzlich ein schroffer künstlicher Felsen seinen Blick begrenzte, sollte an die echten Klippen draußen in der weiten Welt gemahnen und das nämliche Gefühl heraufbeschwören, das auch dort ihr Anblick auslöste. Die Botschaft hieß: Lasst nur die Natur in ihrer ungebärdigen Vitalität schäumen und sprießen und drohen – die Baumeister bleiben wir.
    Option und Gefahr zugleich
    Doch dann kamen die Romantiker. Sie erschütterten die Sicherheiten. Sie blickten nach draußen in die Weite der Natur und nach drinnen in den Abgrund der Seelen und wurden sehr ernst dabei.
    "In Novalis' Roman Heinrich von Ofterdingen heißt es auf die Frage: Wohin?»Immer nach Haus.« Aber dieses Zuhause war schon kein realer Ort mehr, den ein realer Garten hätte umgeben können. Es war eine Idee. Wie die Blaue Blume. Aber auf seinem Weg in die Welt hinaus nahm der romantische Wanderer den Garten als Idee, als Stimmung, als Utopie, als nicht erreichbares Ziel mit, ebenso die Stimmung und die Kunst der Betrachtung von Landschaft als Arrangement, als Spiegel und Projektionsfläche. All dies war immer dabei, wenn die Romantiker sich in der Landschaft bewegten. Der Garten war jetzt überall. Nur dann hat er keine Grenze mehr."
    Mit der Entgrenzung gaben die Romantiker auch die Vorstellung eines Zuhauses auf, eines Gartens, der Geborgenheit bot, einer Bank im Park als Treffpunkt verwandter Geister. Die Idylle war futsch. Nur die Sehnsucht blieb.
    "Der Garten der Romantik ist eine poetische Idee, die wir in uns tragen, womöglich unerkannt oder unbewusst, die wir aber jederzeit entdecken, wiederfinden, träumen, manchmal sogar schaffen können. Der Garten der Romantik ist eine Option. Aber Vorsicht. Er ist auch eine Gefahr."
    Hans von Trotha: "Im Garten der Romantik", Verlag Berenberg, Berlin 2016, 150 Seiten, 22 Euro.