Hans Werner Henze/Monteverdi: "Il ritorno d'Ulisse in patria"
Heute: zwei Opernmitschnitte von den Salzburger Festspielen vor, die im Herbst letzten Jahres in der Reihe 'Festspieldokumente' beim Münchener Label ORFEO herausgekommen sind. * Musikbeispiel: Monteverdi/Henze - aus: "Il ritorno d'Ulisse" Mit tiefer Stimme aus den Tiefen der See: Neptun erhebt Einspruch gegen Jupiters Vernunftangebot. Trojas Bezwinger, so der Meeresgott, möge das Festland niemals erreichen. Milde jedoch, so der Chef im Götterolymp, wirke besser und mehr als ewige Schreckensgewalt. Der Operndisput führt in die ersten Jahrzehnte der Gattung zurück und beruft sich auf den Anfang europäischer Literatur. Nichts Kleineres als Homers "Odyssee" hat Giacomo Badoaro als Stoff für Claudio Monteverdis späte Oper "Die Heimkehr des Odysseus" gewählt, die 1640 uraufgeführt und erstaunlich kontrovers diskutiert worden ist. Fast zweieinhalb Jahrhunderte fehlt alsdann jede Spur von dem Werk, bis heute sucht man die Originalautographen. Um 1880 beginnt die Diskussion neu. Zweifel an der Urheberschaft kommen auf, aber auch Aufführungs- und Bearbeitungswünsche. Denn das frühbarocke Drama um politische Intrigen und eheliche Treue in der antiken Demokratie liegt nur in Bass- und Singstimmen vor. Ganze Stücke fehlen, die Instrumentenbesetzung, die musikalische Binnendramaturgie. Im 20. Jahrhundert wird deshalb kräftig bearbeitet: Dallapiccola, d'Indy, Raymond Leppard, Siegfried Matthus und selbst Nikolaus Harnoncourt stehen für Fassungen ein, die Rekonstruktion versuchen und praktischen Theaterbedürfnissen folgen. Hans Werner Henze hingegen hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass seine Version der verschollenen Partitur eine Lesart mit gegenwärtigen Augen darstellt. Wohl zog der Komponist Schriften Monteverdis zu Rate, wohl gedachte er sich ins Jahr 1640 zurückzuversetzen - das Resultat jedoch ist vielmehr Musik über Musik, ein Kommentar zum Musizieren von einst aus heutiger Sicht. Bereits Henzes Orchester ist nicht mehr das Monteverdis. Bläser und Schlagwerk schließen Klangwelten auf, die modernisieren. Frühbarock wird in eine neue, quasi postmoderne Romantik geholt. Die eigentliche Leistung jedoch steckt im Detail. Fragmentarisches ist also verdichtet, musikdramatisch auf Punkte gebracht; Gestisches dominiert Ornamentales, die Binnenstruktur samt ihrem Klangreiz und ihren leitmotivischen Floskeln ist geschärft, aufgeladen mit Drama und theatralisch zum Klingen gebracht. * Musikbeispiel: Monteverdi/Henze - aus: "Il ritorno d'Ulisse" Kathleen Kuhlmann als Penelope in Hans Werner Henzes "freier Nachgestaltung" von Monteverdis barocker Oper "Il ritorno d'Ulisse in patria". Uraufgeführt wurde sie bei den Salzburger Festspielen 1985 - mit Jeffrey Tate am Pult des Wiener Radio Sinfonie-Orchesters und einem opulent besetztem Solistenensemble. Der akustisch ansprechende Premierenmitschnitt, der eine Theaterdarbietung dokumentiert liegt nun neu vor auf CD - beim Münchener Label ORFEO, und zwar im Rahmen der Sub-Serie Festspieldokumente.