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Harald Gerunde: Eine von uns. Als Schwarze in Deutschland geboren

Auch Bärbel Kampmann hat wie Ursula Bernhardt unter rassistischer Ideologie in Deutschland zu leiden gehabt, auch wenn sie nicht ins Exil getrieben wurde. Sie wurde ein Jahr nach Kriegsende in Bielefeld geboren. Ihr Vater war ein schwarzer US-Soldat, ihre Mutter eine weiße Deutsche. Bärbel Kampmann war, was man damals einen "Negermischling" nannte. Und dieser Begriff lässt die xenophobischen Affekte bereits anklingen, denen sie sich ihr Leben lang ausgesetzt sah. Sie engagierte sich später gegen Fremdenhass, begründete die "Gelsenkirchener Tage gegen Rassismus" und unterstützte die Initiative schwarzer Deutscher. 1999 starb sie an Krebs. Harald Gerunde, ihr Mann, hat nun eine ebenso persönliche wie politische Lebensgeschichte Bärbel Kampmanns geschrieben, in der die Suche nach ihren deutsch-amerikanisch-afrikanischen Wurzeln im Mittelpunkt steht. Mekonnen Mesghena hat das Buch gelesen.

Mekonnen Mesghena |
    Bärbel Kampmann - als Schwarze in Deutschland geboren - starb 1999 an Krebs, sie litt aber auch lebenslang an einer Krankheit dieser Gesellschaft, die die Seele schleichend frisst und die Menschen zermürbt: Rassismus. Nicht selten nehmen sich junge schwarze Deutsche - vorwiegend Frauen - das Leben, weil sie die Demütigung und die Zerrissenheit in dieser Gesellschaft nicht mehr aushalten können. Harald Gerunde, der Mann Bärbel Kampmanns, hat die oft sehr privaten Auswirkungen dieser Verhältnisse in seinem Buch genau zu beschreiben versucht.

    Geboren wurde Bärbel Kampmann 1946, ein Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg in Bielefeld als Tochter einer weißen deutschen Mutter und eines schwarzen GI. Sie verbrachte ihr ganzes Leben in Deutschland. Die Mutter Ilse Hilbert war den Nazis zugetan, den Mann, den sie heiraten wollte, nannte sie einen Idealisten, er arbeitete als Anwalt für die SS. In der Hungerzeit hat Ilse Hilbert wie so viele andere ihre Vorurteile kurzzeitig beiseite geschoben und sich dem schwarzen Befreier-Soldaten John T. Ballinger auf der Suche nach Essbarem genähert.

    "Als er weg war, merkte ich, dass ich schwanger war. Da habe ich mich natürlich nicht gefreut, wie du dir sicher vorstellen kannst."

    Sagt die Mutter später zu eben der Tochter, die abzutreiben ihr nicht gelungen war. Glücklich zu sein über die Geburt eines schwarzen Kindes war im Nachkriegsdeutschland so wenig selbstverständlich wie in den Jahrzehnten zuvor. Harald Gerunde beschreibt, wie die Bundestagsabgeordnete Dr. Rehling 1952, da war Bärbel gerade sechs Jahre alt, öffentlich sagte:

    "Eine besondere Gruppe unter den Besatzungskindern bilden die 3.093 Negermischlinge, die ein menschliches und rassisches Problem besonderer Art darstellen ... Man hat erwogen, ob es nicht besser sei, wenn man sie in das Heimatland der Väter verbrächte."

    Diese Äußerung einer politischen Funktionärin in der gerade erst zwangsdemokratisierten Bundesrepublik klang allerdings noch verhältnismäßig dezent, verglichen mit einem Artikel der "Ärztlichen Rundschau" aus der Weimarer Republik, den Gerunde zitiert. Über die "Rheinlandbastarde" - so nannte die Zeitung Kinder weißer deutscher Mütter und schwarzer französischer Besatzungssoldaten - war dort zu lesen:

    "Die schwarze Schmach: das ist die Mulattisierung und die Syphilitisierung unseres Volkes, der Ruin unserer Volksgesundheit, körperlich und geistig! Sollen wir schweigend dulden, dass künftig an den Ufern des Rheins statt der hellen Lieder weißer, schöngesichtiger, gutgewachsener, geistig hochstehender, regsamer, gesunder Deutscher die krächzenden Laute grauscheckiger, niederstirniger, breitschnäuziger, plumper, halbtierischer, syphilitischer Mulatten ertönen?!"

    Bärbel wurde also in dieses Nachkriegsdeutschland geboren und wuchs in einem Klima von Scham, Verleugnung und Verbot auf. Über den Vater durfte nicht gesprochen werden. Großgezogen wurde sie von ihrer Großmutter, die sich immer bemühte, das kleine schwarze Kind vor einer abweisenden und feindlichen Außenwelt zu behüten. Um Bärbels Haut zu erhellen, bearbeiteten Mutter und Großmutter sie mit Drula Bleichwachs und 0,2 prozentigem Wasserstoffsuperoxyd, die Folge waren schmerzhafte Ekzeme, die Haut blieb schwarz.

    Als einziges schwarzes Kind in seiner Bielefelder Umgebung mußte Bärbel psychische und physische Gewalt einstecken. Schon bei ihrer Einschulung wurde sie von zwölf Kindern verprügelt. Lehrer fühlten sich von ihrer bloßen Anwesenheit provoziert. Ein Lehrer, der seine Hand erhob, um sie zu schlagen, sagte voller Verachtung:

    "An dir schwarzem Schwein werde ich mir nicht die Finger schmutzig machen!"

    Bis zu ihrem Tod versuchte Bärbel Kampmann anderen Schwarzen in Deutschland die gleichen Demütigungen zu ersparen oder doch wenigstens zu erleichtern, die sie selbst als Kind und erwachsene Frau erleben musste. Sie ging gegen Ausgrenzung und Zerrissenheit Schwarzer in einer sich als weiß definierenden Gesellschaft vor, ohne jedoch sich oder andere in die Rolle des bloßen Opfers drängen zu wollen. Sie leitete in Gelsenkirchen die Regionale Arbeitsstelle zur Förderung ausländischer Kinder und Jugendlicher, unterstützte die Initiative Schwarzer Deutsche und rief die "Gelsenkirchener Tage gegen Rassismus" ins Leben. Sie ließ sich als Therapeutin ausbilden, und schließlich landete sie in der etablierten Politik - beim nordrhein-westfälischen Ministerium für Arbeit und Soziales.

    Mit 38 Jahren machte sich Bärbel Kampmann auf die Suche nach ihrem Vater in den USA, den sie zwei Jahre später dort besuchte. Der alte Veteran der US-Armee musste 50 Jahre nach der Befreiung diesmal im Fernsehen wieder 'Sieg Heil' grölende Männer auf deutschen Straßen sehen. Er bekam Angst um seine Tochter und kämpfte um die us-amerikanische Staatsbürgerschaft für sie.

    Bis zur Erschöpfung hatte Bärbel Kampmann gegen den "institutionellen, strukturellen und individuellen Rassismus" in Deutschland gekämpft. Kurz vor ihrem Tod musste sie feststellen:

    "Heute denke ich allerdings, dass ich mich auch überfordert habe, vor allem in der Arbeit mit den schwarzen Deutschen. Jetzt könnte ich es besser, weil in der Zwischenzeit mehr Distanz habe und gelassener geworden bin."

    Gerundes Biographie beschreibt Bärbel Kampmann eher privat, so wie sie in der politischen Antirassismus-Arbeit ihren Mitstreitern weniger bekannt war. Über die politische, kämpferische Frau liest man in "Eine von uns" weniger. Dennoch ist es Gerunde gelungen, einen Zusammenhang zwischen persönlicher Lebensgeschichte und Zeitgeschichte herzustellen. Die kleinen Exkurse in die afrikanische Vorgeschichte, in Kolonialismus und Sklaverei geben zudem eine Ahnung von den geschichtlichen Verwicklungen, die das Leben Bärbel Kampmanns, die Auseinandersetzung mit den eigenen Wurzeln, beeinflusst haben.

    "... und dann, eines Tages, erscheint ein fremder buntgefiederter Vogel im Garten, oder es raschelt nachts im Zimmer, oder es zirpt so seltsam, denn die ist auch eine von uns, sieh sie dir an, diese Falten um ihren Mund, Deutschland, wo auch immer das sein mag, Deutschland."

    "Eine von uns. Als Schwarze in Deutschland geboren", heißt das Buch von Harald Gerunde über Bärbel Kampmann, das Mekonnen Mesghena eben für uns besprach. Es hat 172 Seiten, kostet 25 Mark und ist im Peter Hammer Verlag erschienen.