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Harald Schmidt
"Niveau ist kein Maßstab"

Der "Fall Claas Relotius"? "Einmaliges Geschenk". Der Hackerangriff eines Schülers? "Begreife ich nicht." Sein Erfolgsrezept als TV-Unterhalter? "Ohne Rücksicht auf Verluste durchgebrettert." Ein Gespräch mit Harald Schmidt im Dlf über seine Serie "Labaule & Erben" - und mehr.

Harald Schmidt im Gespräch mit Sebastian Wellendorf |
    Harald Schmidt, hier im Stadttheater Gmunden
    Harald Schmidt: Viele Jahre vor allem als TV-Moderator bekannt, zuletzt auch als Schauspieler und Autor (Imago / Rudolf Gigler)
    Sebastian Wellendorf: Meine erste Assoziation bei Ihrer Serie "Labaule & Erben" waren Kir Royal und Schtonk von Helmut Dietl. Hatten sie diese Formate auch im Hinterkopf, als sie sich den Plot ausgedacht haben?
    Harald Schmidt: Die Assoziation ist natürlich sehr ehrenhaft. Die hatte auch die verantwortliche Redakteurin beim SWR sofort. Ich habe das sofort verboten, weil ich natürlich wusste: Wenn der Satz "Das wird das neue Kir Royal" fällt, ist das das Ende.
    Wellendorf: Weil die Hürden dann so hoch liegen?
    Schmidt: So ist es. Das ist, wie wenn man sagt "Wir machen das deutsche Breaking Bad" oder "Wir machen das deutsche Game of Thrones" oder irgendwas – das ist immer Endstation Trunksucht, denn das geht nicht. Die Assoziation ist wunderbar, aber bitte, ich weiß, wo die Unterschiede liegen.
    Wellendorf: Die Idee stammt von Ihnen, aber selbst wollten Sie nicht mitspielen in der Serie?
    Schmidt: Nein. Also erst einmal gibt es fantastische Schauspieler. Und zweitens, das Spielen ist doch relativ anstrengend. Filme machen finde ich ziemlich anstrengend. Man muss viel Text lernen, man muss viel warten, man sitzt im Wohnwagen und wartet, bis man dran ist, bei Außendrehs ist das Wetter teilweise nicht so schön. Ich bin lieber jemand, der so einen Satz tippt und dann, klick, wegschickt.
    "Was verstehen Sie im weitesten Sinn unter Gewissen?"
    Wellendorf: Die Geschichte ist Fiktion, aber die realen Bezüge bieten sich fast überall an. In der allerersten Folge zum Beispiel kommt der preisgekrönte Kriegsreporter rein und legt seine Bilder vor, die Aleppo zeigen sollen, aber in Wahrheit sind sie in Tunis gemacht worden. Wie haben Sie reagiert, als Sie von Claas Relotius gehört haben?
    Schmidt: Ich entschuldige mich, dass ich das in ein paar Interviews schon vorweg gesagt habe, aber es war so: Ich sank auf die Knie, entzündete eine Kerze und dankte dem Seriengott für dieses einmalige Geschenk.
    Wellendorf: Hatten Sie nicht auch ein schlechtes Gewissen?
    Schmidt: Was verstehen Sie im weitesten Sinn unter Gewissen?
    Wellendorf: Ich frage deshalb, weil jetzt natürlich alle "Staatsfunk" und "Zwangsgebühren"-Sager sich bestätigt fühlen: Medien lügen nur. Und Sie haben es dann auch noch thematisiert.
    Schmidt: Let me put it this way: This is a billion dollar business - and you can't run a billion dollar business with idiots! Der nicht von mir ist, von Steve Martin ist dieser Satz. Aber den habe ich mir rahmen lassen. Ich denke nur dran, wie kann ich die Serie möglichst erfolgreich promoten. Und da kann ich mich nicht mit einem Gewissen belasten.
    Die Schauspieler, v.l., Michael Ostrowski, Uwe Ochsenknecht und Irm Herrmann am Set zu der neuen TV-Serie "Labaule und Erben".
    In "Labaule & Erben" spielt Uwe Ochsenknecht (2.v.l.) die Figur des Verlegersohns Wolfram Labaule. Die sechsteilige Serie entstand nach einer Idee von Harald Schmidt. (picture alliance / Uli Deck/dpa)
    Wellendorf: Das heißt, welche Strahlkraft solche Aussagen möglicherweise auch in die echte Gesellschaft haben, das geht Ihnen am…
    Schmidt: …Arsch vorbei, um es mit Robert Habeck zu sagen.
    Die sechsteilige Serie "Labaule & Erben" nach einer Idee von Harald Schmidt startet am Donnerstag (10.01.2019) um 22.00 Uhr im SWR Fernsehen und ist in der ARD-Mediathek zu sehen.
    "Ich finde nicht, dass der Journalismus tot ist"
    Wellendorf: Der Medienwandel und der hilflose Umgang damit ist Thema der Serie. "Der Journalismus ist tot", sagt die Verlegerwitwe. Wie haben Sie selbst den Medienwandel miterlebt in den letzten 10, 20, 30 Jahren? Ist es ein Medienwandel oder ist es ein Medienverfall aus Ihrer Sicht?
    Schmidt: Ein Medienwandel. Ich finde auch nicht, dass der Journalismus tot ist. Das wird in der Serie von einer Figur gesagt. Ich selber profitiere ja enorm davon, dass es erstklassigen Journalismus täglich gibt. Ich glaube allerdings, das Interesse wird weniger. Wenn ich mit 20-Jährigen rede, die lesen nicht mehr regelmäßig eine Tageszeitung, die hören sich auch nicht irgendwelche Features im Radio an. Also da stelle ich fest, dass eine andere Mediennutzung stattfindet.
    Wellendorf: Macht Ihnen das Sorgen, dass sich die Mediennutzung ändert?
    Schmidt: Nein. Ich habe ja eh keinen Einfluss darauf. Und alles hat sich zu allen Zeiten verändert. Es wird eine andere Form von Wahrnehmung geben. Wie die aussieht, weiß ich auch nicht. Mein Lieblingssatz seit Neuestem ist: Für mich reicht's noch.
    Wellendorf: Aber genau über diese Medien, die es möglicherweise noch gar nicht gibt, würde ich gerne mit Ihnen sprechen. Das Fernsehen, das schauen Sie so gar nicht mehr richtig?
    Schmidt: Doch. Ich habe mir ja verschiedene Sätze draufgeschafft. Je nachdem, wer mein Auftraggeber ist, sage ich: Das lineare Fernsehen ist tot. Wenn ich einen anderen Auftraggeber habe, sage ich: Schauen Sie sich doch bitte mal ein ganz normales Wochenende an – da schauen zusammengerechnet 30 Millionen Leute ARD und ZDF.
    Wellendorf: Jetzt sind Sie beim Hörfunk, jetzt können Sie sich aussuchen, welche Position Sie einnehmen wollen.
    Schmidt: Und da sage ich: Wir müssen schauen, dass wir weiterhin sehr gut trimedial aufgestellt sind. Das heißt, dass wir systemübergreifend Hörfunk, Fernsehen und natürlich Online arbeiten. Und das sieht dann einfach so aus, dass man jetzt zum Beispiel meine Serie vorab schon online gestellt hat. Und die ist aber nicht auf Anhieb zu finden, weil natürlich bei der ARD, bei – wie viele Anstalten sind es, 16? Ja, die Kollegen vom ZDF haben's da mit ihrer Mediathek ein bisschen einfacher. Aber, das ist meiner Meinung nach noch sehr am Beginn, diese ganze Onlinenutzung für die ARD. Aber da wird die Zukunft hingehen. Ich selber gucke mir auch die Serien oder Filme in der Mediathek an.
    "Es muss ein Genie kommen, das mit dem Panzer durch die Etage fährt"
    Wellendorf: Sie wurschteln trotzdem, wenn ich das sagen darf, so ein bisschen rum, wie diverse Intendanten bei ARD und ZDF, weil Sie nicht so genau die eine Antwort haben auf die Herausforderungen, die diese Begriffe Social Media, Video on Demand, etc. bringen?
    Schmidt: Ja, ich kann's noch präzisieren: Weil ich's nicht begreife. Ich weiß auch nicht, zum Beispiel jetzt die Aufregung, die es um der Hacker gibt, der jetzt diese Daten veröffentlicht hat…
    Wellendorf: …der noch bei seinen Eltern wohnt…
    Schmidt: …ja, es scheint noch intakte Familien zu geben. Und es scheint 20-Jährige zu geben, die sinnvoll ans Internet herangeführt werden. Ich begreife nicht, was da passiert ist, da ich ja sozusagen mein Leben in der Öffentlichkeit verbracht habe und auch vom Taxifahrer auf Föhr gefragt werde, wie meine Pizza im Schwarzwald war. Ich könnte mir die komödiantische Drehung vorstellen, dass es Leute gibt, die böse Depressionen haben, weil ihre Daten nicht veröffentlicht wurden und sagen: Bin ich nicht Promi genug?
    Wellendorf: Stichwort komödiantische Drehung: Ich möchte mit Ihnen doch am Abschluss nochmal kurz auf das Thema Fernsehen zurückkommen, denn Sie sind ein ausgewiesener Fernsehexperte, weil Sie viel Erfahrung haben in diesem Bereich. Und das Fernsehen, insbesondere das komödiantische, also die Unterhaltung, ist ein großes Problem beim Fernsehen. Denn man weiß nicht so recht, was man mit dem Thema Unterhaltung im Fernsehen tun soll. Stichwort Quoten auf der einen Seite, Stichwort Auftrag auf der anderen Seite, also ARD und ZDF. Wie sehen Sie das, ist das Niveau gesunken? Und sollte man sich vielleicht doch lieber auf die Kernkompetenz konzentrieren bei ARD und ZDF und sich auf Informationen konzentrieren und nicht auf Unterhaltung?
    Harald Schmidt und Herbert Feuerstein (links), die beiden deutschen Fernsehmoderatoren, Entertainer und Kabarettisten ("Schmidteinander"), aufgenommen im August 1992 in Köln. 
    Harald Schmidt und Herbert Feuerstein (links), Anfang der 1990er-Jahre die Köpfe von "Schmidteinander" (dpa / picture alliance / Gerhard Schnatmeyer )
    Schmidt: Ja, das Niveau ist, finde ich, kein Maßstab. Mein Erfahrung ist, mein Durchbruch sozusagen war ja damals Schmidteinander, ganz entscheidend mit dem Anteil von Herbert Feuerstein. Und wir haben einfach ohne Rücksicht auf Verluste durchgebrettert. Und bei meiner Late-Night-Show was das dann genauso. Um es mal salopp und pazifistisch zu sagen: Wir haben keine Gefangenen gemacht. Und meiner Meinung nach geht es nur so. Es muss ein Genie kommen, das mit dem Panzer durch die Etage fährt und sagt, wir machen das so und "lead, follow or get out of my way". Sie merken, dass ich die entscheidenden Sachen…
    Wellendorf: …viele Amerikanismen…
    Schmidt: …ja, aber es ist. Bei den Amerikanern ist es ja auch nicht anders. Wenn Sie die Interviews mit den Leuten hören: Die stehen genau vor den selben Themen. Ich habe gehört, bei Mad Men, in allen sechs oder sieben Staffeln oder wie viele, gab es zwei Sätze, die improvisiert wurden. Ansonsten wurde jeder Satz so gesagt, wie der Autor ihn geschrieben hat. Es geht nur mit einem brachialen Chef an der Spitze, der sagt: So machen wir das. Was für Unterhaltung keine gute Grundlage ist, ist Absicherung und Angst.
    Wellendorf: Also, ich fasse zusammen, der Appell an die Rundfunkmacher oder an die Intendanten ist: weniger Angst, mehr Vertrauen an die Autoren, die machen lassen?
    Schmidt: Nein, mein Appell ist: Geht in die Kantine, trinkt einen Cappuccino mehr, und alle 20 Jahre kommt ein Genie, und das macht das Ding für sich alleine.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.