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Harald Wolff über Theater und Politik
"Wir befinden uns mitten in einem Kulturkampf!"

Der Rechtsruck in Europa sei sehr konkret und sehr bedrohlich, meint Harald Wolff. Theater sind für ihn Bastionen der Zivilgesellschaft. "Ich sehe die freie, offene Gesellschaft, die gegen völkisch-autoritäre Nationalisten aufsteht und aufstehen muss", sagt der Vorsitzende der Dramaturgischen Gesellschaft im Deutschlandfunk.

Harald Wolff im Gespräch mit Karin Fischer |
    Harald Wolff, der Chefdramaturg des Stadttheaters Gießen und Vorsitzende der Dramaturgischen Gesellschaft
    Harald Wolff, der Chefdramaturg des Stadttheaters Gießen und Vorsitzende der Dramaturgischen Gesellschaft (Foto: Rolf K. Wengst )
    Harald Wolff kann nicht verstehen, warum so viele Leute "autoritären Würstchen" hinterher laufen. Die Frage heute laute: Wie kann das Projekt einer demokratischen Gesellschaft wieder attraktiver werden? Und für die Theater: "Wie lassen sich neue gesellschaftliche Erzählungen finden und entwickeln, in denen offene, lebendige Demokratien als das erscheinen was sie sind, nämlich aufregender, vielseitiger, attraktiver als dieses autoritär Angsterfüllte?" Was die Demokratie jetzt brauche, sei eine Erzählung, die funktioniert. "Und die Experten für Erzählungen sind wir, die Theaterschaffenden. Unsere Aufgabe ist immer, Freiheiten auszuweiten, Spielräume zu erschaffen, Gegenerzählungen zu entwickeln, Menschen eine Stimme zu geben, die bisher nicht repräsentiert werden, danach müssen wir suchen."
    Theater machen heißt: Die Welt als veränderbare begreifen
    Die klare und starke Positionierung von Theaterleitungen gegen rechts habe mit einer Arbeitserfahrung zu tun. In vielen Häusern arbeiteten Menschen aus 30, 40 Ländern. Gleichzeitig sei es das ureigenste Interesse von Theatermachern, in einer offenen Gesellschaft zu agieren, weil: "Theater machen heißt, die Welt als veränderbare zu begreifen. Und wir können Kunst nur machen, wenn wir uns bewegen können."
    Die Absage des Konzerts einer Punkband in Dessau, so Harald Wolff, sei "eine Katastrophe" und ein Paradigmenwechsel: "Das darf nicht passieren! Es ist die Aufgabe des Staates, sich vor Kulturinstitutionen zu stellen." Man sehe daran, was sich schon verschoben habe in der Gesellschaft. Wolff verweist auf andere Länder in Europa wie zum Beispiel Ungarn, wo Fatalismus und Apathie in der Kulturszene vorherrschten.
    Theatermitarbeiter*innen treffen ihre Abgeordneten
    Die von der Dramaturgischen Gesellschaft initiierte Aktion "40.000 Theatermitarbeiter*innen treffen ihre Abgeordneten" hat im November bei der FAUST-Preisverleihung in Regensburg den zum ersten Mal vergebenen "Perspektivpreis" erhalten. Für Harald Wolff ist diese Aktion eine "Einübung in Zivilgesellschaft" und "eine Erzählung in Demokratie, die funktioniert. Demokratie ist etwas, das man tun muss, jeder einzelne von uns, und wir stellen fest: Es ist ganz einfach: Alle diese Politiker*innen haben Sprechstunden, man kann einfach hingehen und mit denen reden, und nicht nur das, die sind sogar froh, wenn man das tut!"
    Harald Wolff ist Chefdramaturg am Stadttheater Gießen und Vorsitzender der Dramaturgischen Gesellschaft, die Theatermacher aus dem gesamten deutschsprachigen Raum versammelt, als Plattform für künstlerischen Austausch und als Netzwerk dient. Die Dramaturgische Gesellschaft vergibt den "Kleist Förderpreis" für junge Dramatiker.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.