Thekla Jahn: Jüngeren Filmemachern geht es wie vielen anderen Künstlern. Es gab schon fast alles als Formensprache, wie lässt sich da Neues kreieren – zum Beispiel, wenn man einen Film machen möchte über das Lebensgefühl der Großstadthipster? Der Regisseur und Autor Malte Wirtz hat aus der Not eine Tugend gemacht: Er wählt ein zeitloses Schwarz-Weiß, unterbrochen von kleinen Animationsszenen im Zeichenstil der 50er, 60er Jahre, um eine Liebesgeschichte zu erzählen, die "hard" aber "ugly" ist. Und die beginnt - damit man inhaltlich auch gleich im Hier und Jetzt ist - mit einem jungen Gymnastiklehrer, der von seinen gleichaltrigen Chefs gefeuert wird:
"Was wollt ihr denn von mir?"
"Die Sach' mit der Liebesg'schicht!"
"Ey!"
"Ich wollte Dir ein paar Tipps geben, wie man mit Männern so umgeht."
"Was ist klein und springt von Kuchen zu Kuchen?"
So geht man miteinander um, und das zieht sich durch den gesamten Film. Malte Wirtz, aus Berlin zugeschaltet. Hallo.
Malte Wirtz: Hallo, hallo.
Jahn: Herr Wirtz, die Menschen in Ihrem Film, die Großstädter plusminus 30 reden viel, aber eigentlich sind sie sprachlos, kommunikationsunfähig. Das Gemeinsame fehlt. Sie sind gleichgültig, oberflächlich und nur auf sich selbst fixiert. Erleben Sie Ihre Generation so?
Wirtz: Ja, genau. Wenn man die Augen aufmacht, kommt das oft vor – und vor allem die Ohren. Ich muss sogar noch hinzusagen, zur Anmoderation: Es ist sogar so, dass die Chefs noch zehn Jahre jünger sind als er, das ist sogar noch verrückter. Ja, aber sprachlos sind sie.
"Leider wiederholen sich diese Geschichten bei mir"
Jahn: Liebesbeziehungen sind unmöglich, wo man statt sensibel für andere nur selbst hochempfindlich ist. Et und Carla sind die beiden Protagonisten Ihres Filmes, ein Liebespaar, das keines wird. Oder ein mögliches Liebespaar, das keines wird. Sie versuchen ja mit diesem Schwarz-Weiß, die Szenen sind in Schwarz-Weiß gedreht, auch eine gewisse Zeitlosigkeit zu zeigen. Also sind Liebesbeziehungen eigentlich immer schon schwierig gewesen? Ist das heute nicht großartig anders?
Wirtz: Ja. Ja! Ich habe ja auch die vage Hoffnung, mal eine andere Geschichte zu erzählen. Aber, wenn ich so auch angucke: Leider wiederholen sich diese Geschichten bei mir. Aber vielleicht ändert sich das ja noch mal.
Jahn: Was würden Sie denn gerne für eine Geschichte erzählen?
Wirtz: Naja, vielleicht bin ich zu realistisch und deswegen kommen diese Enden halt immer, gibt es kein Happy End bei mir, ich weiß es nicht. Also ich … natürlich würde ich mir auch mal ein Happy End wünschen!
Jahn: Eine Großstadterzählung, die Sie uns da vorlegen mit Ihrer Liebesgeschichte, in der Tradition der modernen Gesellschaftsromane. "Berlin Alexanderplatz" von Döblin fällt mir da ein, "Fabian" von Kästner, tragikomisch. Der Protagonist ist Idealist, er glaubt an die Liebe, daran, dass die Primzahlen selten sind, man das Leben meistens doch durch Zwei teilen kann. Zum Schluss aber wird er von einem Auto überfahren, als er die Kluft zu Carla - eine Straße - überwinden will. Malte Wirtz, sind Sie dieser Idealist eigentlich, der aus der Zeit gefallen ist und der bei der Suche nach der Liebe auf der Strecke bleibt?
Wirtz: Ich kann ja nicht schon wieder nur einfach ja sagen.
"Zum Zugucken ist es vielleicht ganz witzig"
Jahn: Doch, das können Sie! Und können es dann erklären.
Wirtz: Also ganz sicher ist einiges davon irgendwie in mir drin. Also es sind glaube ich auch… von allen Figuren ist ja was irgendwie von mir drin, aber von Et natürlich auch. Er hat kein schönes Leben. Zum Zugucken ist es vielleicht ganz witzig, aber für ihn? Nicht so witzig.
Jahn: Was glauben Sie, was Sie erreichen können mit Filmen wie diesem?
Wirtz: Ich glaube schon, dass ich probieren will, Figuren auf die Bühne, Figuren in den Film, Figuren in die Literatur zu bringen, die sonst nicht viel Raum haben. Also, das, merke ich an mir, ist vielleicht auch so ein bisschen meine Aufgabe geworden oder, ich weiß nicht, von solchen Leuten zu erzählen, damit man auch die sieht und wahrnimmt.
Jahn: Ihre Projekte sind alle Low-Budget-Projekte gewesen. Wie schaffen Sie das dennoch, eine Geschichte so zu erzählen, dass Sie aus der Not im Prinzip eine Tugend machen, dass man nicht das Gefühl hat, es ist Low-Budget?
Wirtz: Ja, es ist natürlich nicht mein Herzenswunsch, No-Budget zu machen, ich hoffe auch, dass ich das in …
Jahn: Haben Sie gerade gesagt No-Budget?
Wirtz: Es hat bei Low angefangen, ich bin bei No angelangt. Ich weiß nicht, ob es noch tiefer geht. Also es ist nicht, dass ich das wünsche. Also ich … in Zukunft arbeite ich gerne mit dem Fernsehen und mit den Filmstiftungen zusammen und mache große Filme mit viel Geld und noch schöner. Aber Sie haben ja völlig Recht! Man muss mit dem, was man dann in dem Moment hat, das Beste draus machen. Und da kann man sich nur alle Mühe geben und dann nicht vorgaukeln, man hätte große Mittel. Sondern dann damit arbeiten, wie es ist.
Wenig Geld und wenig Dolly-Fahrten
Jahn: Hätten Sie, wenn Sie mehr Budget gehabt hätten, in diesem Film etwas anders gemacht? Und wenn ja, was?
Wirtz: Also gut, natürlich hätten erst mal alle ganz normales Geld bekommen, also alle ganz normale Gagen. Es hätte auch leckereres Essen gegeben. Wir hätten mehr Zeit gehabt. Also es war jetzt schon ein sehr straffer Zeitplan, jetzt. Dann technisch gesehen und kameratechnisch, das ist natürlich aus einer Not eine Tugend, wir haben keine Dolly-Fahrten, wir haben keine Kranfahrten. Aber gut, dann wird das dann Teil des Konzepts. Also wenn man weiß, man macht so einen Film – das ist dann ja auch schön! Ich mag den Film ja mittlerweile auch ganz gern. Ist schon richtig, dass der so geworden ist, wie er ist.
Jahn: Malte Wirtz. Sein Film "Hard & Ugly - eine Liebesgeschichte" kommt morgen [am 24.08., Anm. der Red.] in die Kinos. Danke Ihnen!
Wirtz: Ich danke auch!
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