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Hariri-Anschlag
Prozess beginnt vor leerer Anklagebank

Fast neun Jahre nach dem Mord an dem libanesischen Ex-Regierungschef Hariri hat ein Sondertribunal bei Den Haag das Verfahren eröffnet. Doch die vier Verdächtigen sind auf der Flucht. Beobachter fürchten, das Verfahren könne weitere Gewalt im Libanon schüren.

16.01.2014
    Libanesen retten einen mit Dreck beschmierten Überlebenden des Anschlags in Beirut, im Hintergrund lodern flammen.
    Ein Staatsanwalt nannte den Anschlag vom 14.02.2005 eine "menschengemachte Hölle". (AFP / HASSAN IBRAHIM)
    Angeklagt in dem Verfahren um den Mord an dem ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri sind vier Kämpfer der radikalislamischen Hisbollah-Miliz. Ihnen wird vorgeworfen, den Selbstmordanschlag auf den Fahrzeugkonvoi Hariris geplant zu haben. Die Anschuldigungen stützen sich auf Indizienbeweise wie Verbindungsdaten von Mobiltelefonen, die die Attentäter genutzt haben sollen.
    Da sich die Angeklagten auf der Flucht befinden, blieb die Anklagebank des UNO-Sondertribunals im niederländischen Leidschendam leer – in der modernen internationalen Justizgeschichte bisher einmalig. Staatsanwalt Norman Farrell betonte jedoch, das libanesische Volk habe ein "Recht auf diesen Prozess, die Beweise zu hören und die Wahrheit zu finden".
    Hariris Sohn fordert Gerechtigkeit, nicht Rache
    Anwesend waren dagegen Hariris Sohn sowie Angehörige der 22 weiteren Opfer. "Unsere Präsenz hier ist ein Beweis für unsere Haltung seit dem ersten Moment: Wir suchen Gerechtigkeit, keine Rache", sagte Saad Hariri Journalisten vor dem Gerichtsgebäude und kritisierte all diejenigen, die die Verdächtigen vor der Justiz schützten: Es handele sich um ein "Verbrechen zusätzlich zum Hauptverbrechen".
    Staatsanwalt Farrell zeigte Fotos vom Tatort, an dem die heftige Explosion einen zwölf Meter großen Krater gerissen hatte. In der Mitte des Gerichtssaals stand eine maßstabgetreue Nachbildung des Tatorts. Nach Auffassung des Staatsanwalts luden die Angreifer eine "außerordentlich große Menge an hochexplosivem Sprengstoff" - mindestens 2,5 Tonnen - auf einen Lastwagen, um Hariri zu töten. Farrells Kollege erklärte, der Anschlag habe eine Promenadenstraße in der Nähe von Beirut in eine "menschengemachte Hölle" verwandelt. Insgesamt 23 Personen wurden am 14. Februar 2005 getötet, mehr als 220 verletzt.
    Anschlag löste fast einen Bürgerkrieg aus
    Hariri zählte zu den einflussreichsten sunnitischen Politikern im Libanon. Kurz nach dem Attentat, das das Land an den Rand eines Bürgerkrieges brachte, wurde zunächst die syrische Führung verdächtigt, da sich Hariri dafür eingesetzt hatte, die Rolle des Nachbarlandes im Libanon zu schwächen. Doch Syrien bestritt eine Verwicklung in das Attentat genauso wie die schiitische Hisbollah-Miliz, die vom Iran unterstützt wird und eine der Regierungsparteien im Libanon ist.
    Der Prozess um den Mord an Hariri wird wohl Monate dauern. Die Staatsanwaltschaft kündigte an, Hunderte Augenzeugen laden zu wollen. Beobachter fürchten, dass das Verfahren neue Gewalt im Libanon auslöst. Bereits vor Prozessbeginn starben bei einem Autobombenanschlag in der nordöstlichen Stadt Hermel, die als Hochburg der schiitischen Hisbollah gilt, mindestens vier Menschen.