Archiv


Harmlose Wolken

Der heutige Mittwoch ist so etwas wie der Tag der Wahrheit: Endlich werden belastbare Messergebnisse publik, die zeigen, wie dicht die Vulkanasche-Wolke über Skandinavien und Norddeutschland gestern und heute wirklich war. Die Daten legen nahe, dass es vermutlich nicht erforderlich gewesen wäre, den Luftverkehr so stark einzuschränken.

Von Volker Mrasek und Ulli Blumenthal (Gespräch Albert Ansmann) |
    Höchstwahrscheinlich wurden nie Staubpartikel-Konzentrationen erreicht, die als gefährlich für Flugzeugtriebwerke angesehen werden.

    Gemessen und analysiert wurde zum Beispiel in Norwegen, wo die Asche des isländischen Vulkans Grimsvötn schon gestern eintraf. Der Atmosphärenphysiker Fred Prata vom Norwegischen Institut für Luftforschung in Oslo:

    "Wir haben Satellitenmessungen ausgewertet, um die Staubkonzentration in der ganzen Region zu ermitteln. Sie zeigten eine kleine Aschewolke, die sich auf die norwegische Küste zubewegte, gestern Nachmittag schon. Aber die Konzentrationen waren sehr, sehr gering. Aus meiner Sicht war es daher nicht gerechtfertigt, so große Lufträume so lange für den Flugverkehr zu sperren."

    Nichts anders sieht es in anderen Teilen Europas aus.

    Mit speziellen Laser-Instrumenten wurde die Staubdichte auch in Stockholm, in Leipzig und in Schleswig-Holstein gemessen - jeweils zu dem Zeitpunkt, an dem sich die Aschewolke nach Ausbreitungsrechnungen über den Geräten befunden haben sollte. Im höchsten Fall wurden 0,5 Milligramm Staub pro Kubikmeter Luft beobachtet. Flugverbote sollen eigentlich erst ab zwei Milligramm pro Kubikmeter erlassen werden, also bei Werten, die viermal so hoch sind.

    Nach den Strömungsmodellen hat sich die Aschewolke aus dem Grimsvötn in zwei Arme aufgeteilt - einen nördlichen mit bogenförmigem Kurs um Skandinavien herum, und einen südlichen mit Kurs auf Schottland. Beide enthielten angeblich zu hohe Partikeldichten für Flugzeuge. Doch der nördliche Ausläufer könnte bloß ein Hirngespinst gewesen sein. Noch einmal Fred Prata:

    "Dieser Ausläufer enthält überhaupt keine Asche. Wir verfolgen die Vulkanwolke schon seit dem Ausbruch am Dienstag mit Satelliten. Dabei wurde nicht nur Staub ausgeschleudert, sondern auch große Mengen Schwefeldioxid, ungefähr 200.000 Tonnen. Das Gas ist hoch hinauf in die Stratosphäre katapultiert und dann mit dem Wind nach Nordosten transportiert worden. Es ist eine große Schwefeldioxid-Fahne, aber sie enthält keine Asche. Und sie befindet sich auch nicht nahe der Erdoberfläche."

    Nicht die Ausbreitungsrechnungen waren falsch. Die Emissionen des Vulkans wurden tatsächlich so transportiert, wie es die atmosphärischen Modelle simulierten. Doch offenbar stimmten ihre Eingangsdaten nicht. Der Ascheausstoß könnte um den Faktor fünf bis zehn überschätzt worden sein, vermuten Forscher inzwischen.

    Nach den Messdaten, die nun vorliegen, hat der Grimsvötn zu einem bedauerlichen Fehlalarm im europäischen Luftverkehr geführt.

    Ein Flugzeug hebt vom Düsseldorfer Flughafen ab
    Ein Flugzeug hebt vom Düsseldorfer Flughafen ab (picture alliance / dpa)
    "Dieser Vulkan kam fünf Jahre zu früh"
    Albert Ansmann vom Institut für Troposphärenforschung in Leipzig teilt die Einschätzung seiner norwegischen Kollegen, die gemessene Aschekonzentration rechtfertige eigentlich kein Flugverbot. "Unsere Messungen belegen, dass wir weit, weit weg waren von den Schwellwerten", berichtet Ansmann, "um einen Faktor fünf bis zehn unterhalb davon."

    Für die Entscheidungen der Politik, den Luftraum zu sperren, zeigt Ansmann hingegen Verständnis. Bei solchen Entscheidungen stütze man sich vor allem auf Modellrechnungen, erklärt der Meteorologe in der Sendung "Forschung Aktuell": "Wenn die Modellrechnungen vorhersagen, dass die Schwellwerte überschritten werden, dann muss die Behörde reagieren." An einer Schließung des Luftraums ginge für sie dann kein Weg vorbei.

    Nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull vor rund einem Jahr wurde zwar die bessere Vernetzung der europäischen Messsysteme vorangetrieben, die eingeleiteten Maßnahmen seien aber ein Vorgang, der fünf bis sechs Jahre dauere, so Albert Ansmann: "Dieser Vulkanausbruch kam deutlich zu früh."