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Harms zu EU-Asylgesetzgebung
"Wir müssen eine bessere Flüchtlingspolitik vorantreiben"

Die Grünen setzten sich für eine gemeinsame Verantwortung in der Flüchtlingspolitik ein, sagte die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms im DLF. Angesichts der in vielen EU-Staaten geringen Bereitschaft, Flüchtlinge freiwillig aufzunehmen, sei sie aber skeptisch, was ein einheitliches europäisches Asylsystem betreffe.

Rebecca Harms im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Die Fraktionsvorsitzende der Grünen / Europäische Freie Allianz im Europaparlament, Rebecca Harms.
    Die Fraktionsvorsitzende der Grünen / Europäische Freie Allianz im Europaparlament, Rebecca Harms. (dpa-Bildfunk / Wolfgang Kumm)
    Das Dublin-Verfahren sei auch deshalb gescheitert, weil alle Belastungen auf die Ränder der EU geschoben worden seien. Das habe auch zu einer grundsätzlichen Überforderung Griechenlands geführt. Im Vergleich zum Elend der Flüchtlinge habe die freiwillige Aufnahme "eigentlich nur in homöopathischen Dosen stattgefunden", bedauerte Harms.
    Sie halte es dennoch für richtig, dass jetzt zwei Alternativen ins Gespräch gebracht worden seine. Voraussetzung sei aber eine größere Aufnahmebereitschaft aller EU-Mitgliedsstatten. Immer noch versteckten sich zu viele hinter den Staaten Osteuropas.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Am Telefon ist Rebecca Harms, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament. Schönen guten Morgen.
    Rebecca Harms: Guten Morgen.
    Barenberg: Frau Harms, wir haben es gerade gehört. Was Dublin angeht und die Regeln, wer welche Asylsuchenden aufnimmt und betreut, gibt es zwei Alternativen: Dublin erhalten und ergänzen um einen Fairness-Mechanismus, oder einen festen Verteilungsschlüssel. Wofür sind die Grünen?
    Harms: Wir sind auf jeden Fall dafür, dass die Europäische Kommission vorantreibt eine gemeinsame Regelung, eine gemeinsame Verantwortung für die Flüchtlingspolitik. Und wichtig für das, was jetzt passiert und wie wir das diskutieren, ist für uns die Erfahrung, dass dieses Dublin-System deshalb gescheitert ist, weil im Kern es nichts anderes war als der Versuch, alle Belastungen durch Flüchtlinge auf die Ränder der Europäischen Union abzudrängen, also auf die Länder entlang des Mittelmeeres und an den Außengrenzen.
    Barenberg: Das heißt, Sie wären dafür, Dublin abzuschaffen oder nicht wieder zu reaktivieren und sich eher in Richtung eines festen Verteilungsschlüssels zu bewegen?
    Harms: Ich hätte dafür eine Präferenz. Auf der anderen Seite sehe ich natürlich auch, dass das gerade das ist, was am meisten umstritten ist in vielen, wenn nicht der Mehrheit der Mitgliedsstaaten. Wir machen ja seit dem letzten Sommer einfach die Erfahrung, dass der Widerstand aus Mitgliedsstaaten der EU, sich zu binden bei der Übernahme von Flüchtlingen, dass dieser Widerstand nicht geringer geworden ist. Selbst das, was man jetzt für die direkte Übernahme von Flüchtlingen aus der Türkei verabredet hat, das ist ja auffällig wenig. Das sind ja fast nur homöopathische Dosen, zu denen man sich da verpflichtet, gemessen an dem Elend, das auch gerade der Bischof Schick wieder beschrieben hat.
    Es fehlt an Offenheit
    Barenberg: Wenn Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aus Polen sprechen, aus Ungarn, aus Tschechien, also aus Ländern, wo der Widerstand besonders groß ist, welchen Eindruck gewinnen Sie dann? Lässt sich dieser Widerstand überwinden, oder ist es einfach pragmatischer und realistischer, dann zunächst mal zu sagen, okay, es gibt das Dublin-Prinzip und wir ergänzen das für den Fall einer Überforderung, wie wir sie derzeit erleben?
    Harms: Ich finde das richtig, dass jetzt diese zwei Alternativen ins Gespräch gebracht werden. Aber ich sehe eben auch, dass das nicht wirklich hilft, wenn das nicht verbunden wird mit einer größeren Offenheit, einer größeren Aufnahmebereitschaft von Mitgliedsstaaten. Und ich habe den Eindruck, dass zu viele der Mitgliedsstaaten, die besser dastehen, die wirtschaftlich besser dastehen, die gesellschaftlich eine andere Entwicklung in den letzten Jahren hatten, die offener geworden sind, dass zu viele von denen sich verstecken hinter den Staaten Osteuropas. Mein Eindruck ist, dass wir auch offen bleiben müssen für Lösungen, die bedeuten, dass nur eine größere Gruppe von Mitgliedsstaaten in der Flüchtlingspolitik bessere Wege geht, die dem Elend der Flüchtlinge in der Welt entsprechen.
    Barenberg: Also mit gutem Beispiel vorangehen, und dann werden Staaten wie die Slowakei folgen?
    Harms: Es ist immer eine gute Idee gewesen für die Europäische Union, dass gutes Beispiel dann auch Führungskraft entwickelt hat. Wir haben das in der Klimapolitik so gemacht, wir haben das in vielen Feldern erlebt und ich sehe das einfach auf uns zukommen und ich würde das trotz des richtigen Vorstoßes der Europäischen Kommission als Weg nicht ausschließen.
    Barenberg: Noch ein anderer Punkt scheint mir ja wichtig zu sein, nämlich der Vorschlag oder die Perspektive, die Asylverfahren insgesamt in Europa zu zentralisieren und eine entsprechende Behörde der EU oder eine Agentur mit mehr Befugnissen und mehr Macht auszustatten. Da hört man schon gleich die Einwände beispielsweise aus den Reihen der CSU, die vor einer neuen Superbehörde warnen, die kein Problem löst, aber jede Menge neue schafft.
    Harms: Wir haben im Moment ja ausdrücklich viele große Probleme, wenn man sich das anguckt, was in Griechenland jetzt passiert, wo auf der Grundlage einer europäischen Vereinbarung, auf der Grundlage einer Ratsentscheidung jetzt Asylverfahren durchgeführt werden sollen und über Rückführungen entschieden werden soll. Es ist ja keineswegs so, dass man sagen kann, das ist in guten Händen und das läuft alles wunderbar nach Recht und Gesetz. Das Misstrauen ist da sehr groß. Auf der einen Seite steht da wieder diese grundsätzliche Überforderung der Griechen, auf der anderen Seite steht auch wieder die Erfahrung, dass die Europäer Unterstützung versprochen haben, aber nicht liefern. Ich glaube, wenn man aus solchen Situationen rauskommen will und eine zuverlässige und auch rechtsbasierte, vertrauenswürdige Ordnung an Grenzen schaffen will, dann geht das viel besser, wenn man sich dafür gerade auch im Bereich Asyl gemeinsame Regeln und auch die gemeinsame Verantwortung in eine gemeinsame Behördenstruktur holt.
    Reiche Nationen sind gefordert
    Barenberg: Darüber wird schon sehr, sehr lange diskutiert und bisher ist es nur bei Mindeststandards geblieben und bei der Tatsache, dass unterschiedliche EU-Mitglieder die Regeln unterschiedlich auslegen, die Asylanerkennungsquoten sich unterscheiden. Was macht Sie zuversichtlich, dass sich das jetzt mit der beginnenden Diskussion über die Vorschläge ändern könnte?
    Harms: Zuversicht braucht man in der europäischen Politik im Moment ja in allen Fragen. Das wird Sie nicht überraschen. Und das, was mich einfach antreibt, ist zuletzt wieder die Erfahrung der Konferenz der Vereinten Nationen zu Syrien. Da wurde einfach nicht genug geliefert von den reichen Nationen dieser Welt und es ist einfach unsere Aufgabe, eine bessere Flüchtlingspolitik, die den Problemen gerecht wird, voranzutreiben.
    Barenberg: … sagt Rebecca Harms, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament. Vielen Dank für das Gespräch an diesem Morgen. Danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.