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Harnoncourts erste Matthäus-Passion 1971
Rhetorik statt Klangmasse

Frauen gab es nur im Orchester. Die jetzt 50 Jahre alte, historisch orientierte Einspielung der Bachschen Matthäus-Passion durch Nikolaus Harnoncourt setzt im Vokalbereich ausschließlich auf Knaben- und Männerstimmen. Aber auch in der rhetorischen Intensität geht sie keine Kompromisse ein.

Von Bernd Heyder |
    Schwarz-weiß Foto: Die Musiker tragen schwarze Anzüge mit Schlips, die Cellistin Rock mit Bluse und einer weißen Strickjacke. Mikrofonstative stehen vor dem Ensemble.
    Der Concentus Musicus Wien mit Nikolaus Harnoncourt am Violoncello nahm Bachs Matthäus-Passion 1971 im Casino Zögernitz auf, das ehemals in kaiserlichem Besitz war und inzwischen in eine Wohnresidenz umgebaut wurde (Kurt Theiner)
    Mehr als ein Jahrzehnt lang hatten sich der Cellist Nikolaus Harnoncourt mit dem Concentus Musicus Wien und der Cembalist Gustav Leonhardt mit seinem Leonhardt Consort schon der historischen Interpretationspraxis gewidmet, als sie ihre Kräfte zu einem besonderen Schallplattenprojekt bündelten.
    Es galt, von Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion eine "erste Gesamtaufnahme in authentischer Besetzung mit Originalinstrumenten" vorzulegen, wie es in der Werbung des Schallplattenlabels "Teldec" hieß.
    Da sangen Knabenstimmen des Regensburger Domchors und Männerstimmen des King’s College Choir Cambridge, als Solisten in den oberen Partien Wiener Sängerknaben und englische Countertenöre.
    Mit großer Konsequenz hatte Harnoncourt als künstlerischer Leiter alle Partien bis in die Soli hinein in zwei separate Ensembles aufgegliedert, wie es die doppelchörige Originalpartitur vorsieht – das haben ihm bis heute nur Wenige nachgemacht!
    Hörenswert ist die rhetorische Intensität dieser 1971 veröffentlichten Produktion, die auf viele sublime Farbwerte setzt. Nicht zuletzt zeichnet sich die Aufnahme durch die überragenden Interpretationen von Kurt Equiluz als Evangelisten und Karl Ridderbusch als Sänger der Christusworte aus.