Der King’s Cross Bahnhof in London an einem beliebigen Vormittag. Ganz am Ende der Halle, kurz vor den Gleisen, steckt ein Gepäckwagen in der gelben Backsteinmauer. Gleis neundreiviertel, seit zwanzig Jahren der Weg in die Welt der Zauberer, in die Welt der Joanne K. Rowling.
"Ich wollte, dass er mit dem Zug nach Hogwarts fährt, und das musste natürlich ein geheimer Zug sein, sonst wären da ja auch Muggel drin gewesen, normale Menschen. Also musste es auch ein geheimer Bahnsteig sein, und dann ist es ganz logisch, etwas zwischen zwei Muggel-Bahnsteigen zu nehmen. Also entschied ich mich für neundreiviertel. Ich mag den Namen, ich mag diesen Klang."
Begeisterung rund um den Globus
Mit ihrem Harry-Potter-Universum hat Joanne K. Rowling Menschen in der ganzen Welt verzaubert. Duba ist 15 und aus Frankreich zu Gleis neundreiviertel im King’s Cross Bahnhof gekommen, sie liebt Harry Potter. Vido, 11 Jahre jung, ist aus Kalifornien und liebt besonders die Zauberstäbe, die alle einen eigenen Namen und eine eigene Geschichte haben. Sein Vater Frank, 46, findet die unterirdische Gringotts-Bank toll. Hopie aus Missouri ist ein Fan von Hermine, die habe so fusselige Haare wie sie und sei so schlau. Und Olivia aus Australien wünschte sich, sie hätte einen Lehrer wie Remus Lupin gehabt.
Die Muggel und die Magier: Joanne K. Rowling hat nicht nur Leselust geweckt, sondern auch das Bedürfnis nach Träumen und Identifikation bedient. Bei Bedarf erfand sie dafür auch Worte, wie zum Beispiel Muggel. Das sei abgeleitet von Mug für eine, na ja, einfältige Person.
Auf die richtige Bezeichnung für die Magier-Sportart Quidditch sei sie erst nach vielen Versuchen gekommen, erzählt Rowling, sie wollte was mit Q haben, in ihrem Notizbuch seien vier Seiten voll nur mit Q-Versuchen. Am besten habe am Ende Quidditch das ausgedrückt, was sie gesucht habe, sagt Rowling.
Rowlings hartes Leben vermarktet sich gut
Mit nur 500 Exemplaren startete der Verlag Bloomsbury vor 20 Jahren die erste Auflage, 300 gingen an Schulen, die anderen 200 sind heute ein Vermögen wert, im vergangenen November wurde ein Exemplar für fast 50.000 Euro versteigert. Die Biografie der Autorin ist hilfreich bei der Vermarktung. Sie habe immer auf die Vergangenheit von Rowling mit dem harten Leben als alleinerziehende Mutter mit schwachem Einkommen hingewiesen, das habe am Anfang vor allem bei Frauen gezogen, sagt eine Buchhändlerin.
Heute ist die Harry Potter-Industrie ein Imperium, mit acht Kinofilmen, mehreren Ablegern, einem eigenen Museum in den ehemaligen Studios nördlich von London und Rundreisen zu den Drehorten.
Und der Zauber hält unvermindert an. Im vergangenen Jahr kam "Harry Potter und das verwunschene Kind" auf den Markt - als Theaterstück im Londoner Westend. Die Vorstellungen sind bis Frühjahr kommenden Jahres schon wieder fast alle ausverkauft, und das Buch dazu, kein Roman, sondern ein Theater-Skript, wurde millionenfach verkauft.