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Harte Strafen und Aufklärungsarbeit

Die Schweizer setzen beim Kampf gegen den Jugendalkoholismus auf harte Strafen und zeitlich befristete Verkaufsverbote. Hinzu kommt noch die nötige Suchtprävention an Schulen - so sehen sich die schweizerischen Behörden auf dem richtigen Weg gegen den Alkoholmissbrauch.

Von Pascal Lechler | 17.11.2009
    Abends in einem Tante Emma Laden, einer Epicerie, in Genf. Hier wird auch noch kräftig eingekauft, wenn große Supermärkte in Genf längst geschlossen haben. Alkohol allerdings darf der Ladenbesitzer ab 21 Uhr nicht mehr verkaufen. So will es ein Gesetz aus dem Jahr 2004. Fürs Geschäft sei das schlecht, meint der Ladeninhaber.

    "Wir wissen doch, an wen wir den Alkohol verkaufen, das sind Leute, die wollen sich einfach mit einem Rotwein oder einem Bier einen schönen Abend machen, auf jeden Fall verkaufen wir keinen Alkohol an Minderjährige und Betrunkene. Aber das Ganze so restriktiv zu handhaben, ist doch schade."

    Obwohl er nichts von diesem Gesetz hält, hält er sich aber aus Angst vor einer Strafe strikt daran. Sein Kollege ein Paar Straßen weiter hat die Härte des Gesetzes zu spüren bekommen, als er auch nach 21 Uhr Alkohol verkaufte. 24 Stunden wurde der Laden zwangsgeschlossen. Außerdem gab es eine Strafe von 800 Franken.

    "In der Regel wissen die Leute, dass der Verkauf von Alkohol ab 21 Uhr bis sieben Uhr verboten ist. Aber oft bestehen sie darauf, dennoch Alkohol zu bekommen. Wenn man ihnen den Alkohol nicht verkauft, wird man beleidigt. Oder manchmal nehmen sie sich einfach ihr Bier."

    Weniger Vandalismus, weniger nächtliche Ruhestörungen und vor allem ein verbesserter Jugendschutz sind die Ziele des Genfer Gesetzes. Vor der Verabschiedung des Artikels wurde in Genf gerade nachts viel Alkohol verkauft und vor allem auch an unter 16-Jährige. Heute könne man zumindest feststellen, dass wenn dann meist nur noch gegen die Verkaufszeiten aber weniger gegen die Jugendschutzgesetze verstoßen würde, berichtet Elisabeth Débenay, die Leiterin der Genfer Suchtpräventionsstelle.

    "Die jungen trinken immer früher Alkohol. Außerdem hat sich deren Trinkverhalten verändert. Die Jungen trinken sehr viel. Man spricht von Komasaufen. Wir haben jetzt genaue Zahlen. Die sind ziemlich besorgniserregend. Nochmals: Das Ziel, das wir mit diesem Gesetz verfolgen, ist nicht, die Händler kaputtzumachen. Das Gesetz ist vordringlich zum Schutz der Minderjährigen, um sie vor allen Risiken des Alkoholmissbrauchs zu bewahren."

    Die Zahlen, auf die sich Elisabeth Débenay bezieht, kommen von der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol und andere Drogenprobleme kurz SFA. Die SFA hat in den vergangenen Jahren eine Veränderung des Konsumverhaltens festgestellt. Im Schnitt werde zwar weniger getrunken, aber immer häufiger würden Jugendliche mit einer Alkoholvergiftung oder gar Alkoholabhängigkeit ins Krankenhaus eingeliefert. Ein Verkaufsverbot wie in Genf oder das seit vergangenem Jahr gültige Verkaufsverbot in Schweizer Bahnhöfen ab 22 Uhr wird von der SFA als eine von mehreren Maßnahmen begrüßt. Durch dieses Verbot werde der Alkohol für Jugendliche auch nicht interessanter, gemäß dem Motto "jetzt erst recht", meint Monique Helfer Sprecherin der SFA.

    "Man kann sich den Alkohol ja immer auf irgendeine Art beschaffen. Was wirklich wissenschaftlich erhärtet ist, dass solche strukturellen Präventionsmaßnahmen wie die Einschränkung der Erhältlichkeit wirkt."

    Verbote alleine reichten natürlich nicht aus. Andere Präventionsmaßnahmen wie Aufklärung an den Schulen oder am Arbeitsplatz müssten auch ergriffen werden, unterstreicht Monique Helfer. Dieser Ansicht ist auch der Chef der Churer Polizei, Ueli Caluori. In Chur darf seit Sommer vergangenen Jahres nachts ab 0.30 Uhr im öffentlichen Raum kein Alkohol mehr konsumiert werden. Die Stadt will so ähnlich wie in Genf auch laute Saufgelage von Jugendlichen unterbinden. Während eineinhalb Jahren hat die Churer Polizei 80 Verwarnungen ausgesprochen und über 100 Mal sogar ein Bußgeld von 50 Franken verhängt. Das Gesetz sei ein geeignetes Mittel, um gezielt gegen Saufgelage vorzugehen, meint Ueli Caluori. Es mache aber die Aufklärungsarbeit nicht überflüssig.

    "Wenn man diesen Artikel isoliert betrachtet, dann lösen wir damit das Alkoholproblem nicht. Im Zusammenhang mit der verhältnismäßigen Umsetzung und in Zusammenhang mit der intensiven Information im Vorfeld hat dieser repressive Artikel Platz."

    Churs Polizeikommandant Caluori bekommt viele Anrufe von Kollegen nicht nur aus der Schweiz, sondern auch aus Deutschland. Vielleicht wird das Churer Alkoholverbot im öffentlichen Raum bald Schule machen.