Jochen Spengler: Sollen alte Menschen in Pflegeheimen, die unter Demenz leiden, künftig auch von Langzeitarbeitslosen betreut werden? 10.000 Arbeitslose sollen in 160-Stunden-Kursen zu Pflegeassistenten umgeschult werden. Das ist der Plan der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Was ist davon zu halten? - Die Arbeiterwohlfahrt sagt, dieser Vorschlag zeige, wie gering der Wert der Pflege eingeschätzt werden. Andere Pflegeverbände begrüßen dagegen den Plan. - Am Telefon ist Elisabeth Steinhagen-Thiessen, Professorin für innere Medizin und Lehrstuhlinhaberin für Geriatrie, also für Altersmedizin, an der Charité in Berlin. Guten Morgen, Frau Steinhagen-Thiessen.
Elisabeth Steinhagen-Thiessen: Guten Morgen.
Spengler: Ulla Schmidt sagt, die Kritiker sind arrogant gegenüber den Arbeitslosen. Doch der Altenpflegekritiker Claus Fussek kontert, solche Pläne seien arrogant gegenüber den pflegebedürftigen Alten. Was sagen Sie?
Steinhagen-Thiessen: Erst einmal denke ich, wir haben zwei Probleme. Wir haben in der Tat zu wenig Pflegepersonal gerade im Bereich der Altersmedizin und hier ganz besonders in der Pflege auch von Demenzkranken.
Spengler: Was heißt das genau "zu wenig"? Wie äußert sich dieser so genannte Pflegenotstand?
Steinhagen-Thiessen: Sie müssen sich vorstellen: wenn sie eine Wohngruppe haben in einem Pflegewohnheim - und Sie wissen ja, dass die Pflegewohnheime heute zu über 50 Prozent schwerst demente Patienten haben -, dann haben sie in der Morgenschicht zum Beispiel dort drei Personen. Das ist viel, viel, viel zu wenig.
Spengler: Die Pläne der Regierung sehen nun vor, dass es künftig dann vier wären oder?
Steinhagen-Thiessen: Ja, das wäre sehr schön. Insofern ich denke, das Problem ist richtig erkannt und jetzt muss man halt schauen, wie man dieses löst.
Das andere Problem ist ja, dass wir sehr viele Arbeitslose haben. Von daher eigentlich, wenn man das mal so ganz oberflächlich betrachtet, zwei Fliegen mit einer Klappe wäre nicht schlecht. Aber Sie wissen, dass wir Fachkräfte brauchen. Da klang ja eben schon das Wort "arrogant" und so weiter mit. Ich möchte versuchen, das doch hier einmal differenziert zu betrachten. Eine Krankenschwester lernt drei Jahre lang, ein Altenpfleger oder eine Altenpflegerin auch. Nun sitzen die ja nicht drei Jahre herum und drehen Däumchen. Wenn sie dann fertig ausgebildet sind, muss man oft sagen, sind sie noch nicht mal gut ausgebildet für das Thema Demenz, was ein immer größeres Problem bei uns wird und immer drängender.
Spengler: Inwiefern brauchen denn Demenzkranke eine besondere Pflege?
Steinhagen-Thiessen: Hier handelt es sich ja um Menschen, die oft eine Demenz haben, aber dieses nicht alleine, sondern sie haben 4, 5, 6 andere, auch behandlungsbedürftige Krankheiten. Das macht das komplizierter. Und was es dann noch besonders kompliziert macht ist, dass die Demenzkranken oft, sehr, sehr oft aggressiv sind, sehr verhaltensgestört. Mit denen kann man nicht normal kommunizieren, wie wir das jetzt beide tun. Da geht auch sehr viel über Emotionen. Also das heißt, da braucht es wirklich Leute, die ganz genau über diese Krankheit bescheid wissen, über den Umgang mit diesen Männern und die dazu auch in der Lage sind. Es ist natürlich nicht jeder schon geeignet für den Pflegeberuf.
Spengler: Frau Professor Steinhagen-Thiessen, heißt das, dass diese Pläne der Bundesregierung eine Gefahr dafür sind, dass es eine Konkurrenz zu ordentlich ausgebildeten Pflegekräften darstellt, dass man sozusagen nicht genügend ausgebildete hat und stattdessen jetzt die im Schnellkurs ausgebildeten dazu nimmt? - Und eine Bitte habe ich noch: wir würden Sie besser verstehen, wenn Sie den Hörer ein bisschen vom Mund weghielten.
Steinhagen-Thiessen: Jawohl, gemacht.
Spengler: Also: ist das eine Konkurrenz?
Steinhagen-Thiessen: Ich würde das erst mal nicht so als Konkurrenz sehen. Es kommt natürlich auch noch dazu, dass Leute die Konkurrenz fürchten. Aber wir haben einfach zu wenig Menschen. Und man muss natürlich auch sagen, diese dreijährige Ausbildung ist ja auch schon etwas wert. Umsonst dauert die nicht drei Jahre. Aber so würde ich das nicht sehen. Ich würde mir lieber gute Gedanken machen, wie man Menschen, die auch bereits einen Beruf hinter sich haben, jetzt lange Zeit nicht gearbeitet haben, gut und qualifiziert nach ganz bestimmten Standards zum Beispiel berufsbegleitend ausbilden kann. Aber mit Schnellkursen, glaube ich, ist hier nichts getan.
Spengler: Diese 10.000 neuen Pflegeassistenzstellen sollen ja vor allen Dingen von Leuten besetzt werden, die arbeitslos sind, die aber schon aus Pflegeberufen kommen. 35.000 Altenpfleger sind zurzeit arbeitslos. Die Frage, die sich mir stellt, ist: muss denn jeder so toll, so fantastisch ausgebildet sein? Wäre nicht schon viel gewonnen, wenn einfach nur Menschen da wären, die vorlesen, die basteln mit den Demenzkranken, oder müssen alle immer alles können?
Steinhagen-Thiessen: Nein. Es müssen nicht alle alles können. Das will ich auch gar nicht sagen. Ich will auch nicht neue dreijährige Krankenschwestern daraus machen, sondern man kann sicher aufsetzen auf dem, was sie können. Aber wenn Sie so sagen "vorlesen und basteln", so einfach ist das nicht. Diese Menschen haben ganz bestimmte kognitive Störungen. Die haben auch Störungen sagen wir mal im Gangbild. Die haben Störungen, dass sie ihre Hände gar nicht so bewegen können, wie wir das tun. Viele wissen gar nicht mehr, wie man mit Löffel, Messer und Gabel isst, und so weiter. Natürlich könnte man hier eine gute Ausbildung machen, aber das darf alles nicht im Schnellkurs passieren. Ich sehe persönlich hier keine Konkurrenz und ich sehe auch keine Abwertung des Schwesternberufes, denn hier würde man ja zum Beispiel dann so vorgehen, dass diese so extra ausgebildeten zum Beispiel keine Spritzen geben dürfen, mit Medikamenten nichts zu tun haben und so weiter. Das könnte man sicher regeln. Aber man muss Standards festlegen. Mit einem Schnellkurs ist es wie gesagt nicht getan und man sollte natürlich auch hier nur Leute nehmen, die das wirklich gerne wollen, weil wir haben es hier mit schwer gestörten Menschen zu tun. Wenn dort jemand eine Arbeit machen muss, zwangshaft quasi, kann ich mir nicht vorstellen, dass das gut geht. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, weil solche Dinge hat es auch schon gegeben, dass man Frauen, die 10, 20 Jahre lang wegen Familien nicht gearbeitet haben, als Wiederberufseinsteiger fort- und weitergebildet hat in berufsbegleitenden Kursen. Das sind oft sehr, sehr gut geeignete Menschen, weil sie haben Lebenserfahrung. Sie haben schon in einem anderen Beruf gearbeitet, vielleicht in einem pflegenahen Beruf und so weiter. Das kann man sicher gut machen. Aber hier müssen Kurrikula her, Standards her und zum Beispiel könnte man das berufsbegleitend machen, aber nicht mal eben auf die Schnelle.
Spengler: Professor Elisabeth Steinhagen-Thiessen befürwortet die Pläne der Bundesregierung, allerdings unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Danke schön für das Gespräch.
Steinhagen-Thiessen: Ja, vielen Dank. Auf Wiederhören.
Elisabeth Steinhagen-Thiessen: Guten Morgen.
Spengler: Ulla Schmidt sagt, die Kritiker sind arrogant gegenüber den Arbeitslosen. Doch der Altenpflegekritiker Claus Fussek kontert, solche Pläne seien arrogant gegenüber den pflegebedürftigen Alten. Was sagen Sie?
Steinhagen-Thiessen: Erst einmal denke ich, wir haben zwei Probleme. Wir haben in der Tat zu wenig Pflegepersonal gerade im Bereich der Altersmedizin und hier ganz besonders in der Pflege auch von Demenzkranken.
Spengler: Was heißt das genau "zu wenig"? Wie äußert sich dieser so genannte Pflegenotstand?
Steinhagen-Thiessen: Sie müssen sich vorstellen: wenn sie eine Wohngruppe haben in einem Pflegewohnheim - und Sie wissen ja, dass die Pflegewohnheime heute zu über 50 Prozent schwerst demente Patienten haben -, dann haben sie in der Morgenschicht zum Beispiel dort drei Personen. Das ist viel, viel, viel zu wenig.
Spengler: Die Pläne der Regierung sehen nun vor, dass es künftig dann vier wären oder?
Steinhagen-Thiessen: Ja, das wäre sehr schön. Insofern ich denke, das Problem ist richtig erkannt und jetzt muss man halt schauen, wie man dieses löst.
Das andere Problem ist ja, dass wir sehr viele Arbeitslose haben. Von daher eigentlich, wenn man das mal so ganz oberflächlich betrachtet, zwei Fliegen mit einer Klappe wäre nicht schlecht. Aber Sie wissen, dass wir Fachkräfte brauchen. Da klang ja eben schon das Wort "arrogant" und so weiter mit. Ich möchte versuchen, das doch hier einmal differenziert zu betrachten. Eine Krankenschwester lernt drei Jahre lang, ein Altenpfleger oder eine Altenpflegerin auch. Nun sitzen die ja nicht drei Jahre herum und drehen Däumchen. Wenn sie dann fertig ausgebildet sind, muss man oft sagen, sind sie noch nicht mal gut ausgebildet für das Thema Demenz, was ein immer größeres Problem bei uns wird und immer drängender.
Spengler: Inwiefern brauchen denn Demenzkranke eine besondere Pflege?
Steinhagen-Thiessen: Hier handelt es sich ja um Menschen, die oft eine Demenz haben, aber dieses nicht alleine, sondern sie haben 4, 5, 6 andere, auch behandlungsbedürftige Krankheiten. Das macht das komplizierter. Und was es dann noch besonders kompliziert macht ist, dass die Demenzkranken oft, sehr, sehr oft aggressiv sind, sehr verhaltensgestört. Mit denen kann man nicht normal kommunizieren, wie wir das jetzt beide tun. Da geht auch sehr viel über Emotionen. Also das heißt, da braucht es wirklich Leute, die ganz genau über diese Krankheit bescheid wissen, über den Umgang mit diesen Männern und die dazu auch in der Lage sind. Es ist natürlich nicht jeder schon geeignet für den Pflegeberuf.
Spengler: Frau Professor Steinhagen-Thiessen, heißt das, dass diese Pläne der Bundesregierung eine Gefahr dafür sind, dass es eine Konkurrenz zu ordentlich ausgebildeten Pflegekräften darstellt, dass man sozusagen nicht genügend ausgebildete hat und stattdessen jetzt die im Schnellkurs ausgebildeten dazu nimmt? - Und eine Bitte habe ich noch: wir würden Sie besser verstehen, wenn Sie den Hörer ein bisschen vom Mund weghielten.
Steinhagen-Thiessen: Jawohl, gemacht.
Spengler: Also: ist das eine Konkurrenz?
Steinhagen-Thiessen: Ich würde das erst mal nicht so als Konkurrenz sehen. Es kommt natürlich auch noch dazu, dass Leute die Konkurrenz fürchten. Aber wir haben einfach zu wenig Menschen. Und man muss natürlich auch sagen, diese dreijährige Ausbildung ist ja auch schon etwas wert. Umsonst dauert die nicht drei Jahre. Aber so würde ich das nicht sehen. Ich würde mir lieber gute Gedanken machen, wie man Menschen, die auch bereits einen Beruf hinter sich haben, jetzt lange Zeit nicht gearbeitet haben, gut und qualifiziert nach ganz bestimmten Standards zum Beispiel berufsbegleitend ausbilden kann. Aber mit Schnellkursen, glaube ich, ist hier nichts getan.
Spengler: Diese 10.000 neuen Pflegeassistenzstellen sollen ja vor allen Dingen von Leuten besetzt werden, die arbeitslos sind, die aber schon aus Pflegeberufen kommen. 35.000 Altenpfleger sind zurzeit arbeitslos. Die Frage, die sich mir stellt, ist: muss denn jeder so toll, so fantastisch ausgebildet sein? Wäre nicht schon viel gewonnen, wenn einfach nur Menschen da wären, die vorlesen, die basteln mit den Demenzkranken, oder müssen alle immer alles können?
Steinhagen-Thiessen: Nein. Es müssen nicht alle alles können. Das will ich auch gar nicht sagen. Ich will auch nicht neue dreijährige Krankenschwestern daraus machen, sondern man kann sicher aufsetzen auf dem, was sie können. Aber wenn Sie so sagen "vorlesen und basteln", so einfach ist das nicht. Diese Menschen haben ganz bestimmte kognitive Störungen. Die haben auch Störungen sagen wir mal im Gangbild. Die haben Störungen, dass sie ihre Hände gar nicht so bewegen können, wie wir das tun. Viele wissen gar nicht mehr, wie man mit Löffel, Messer und Gabel isst, und so weiter. Natürlich könnte man hier eine gute Ausbildung machen, aber das darf alles nicht im Schnellkurs passieren. Ich sehe persönlich hier keine Konkurrenz und ich sehe auch keine Abwertung des Schwesternberufes, denn hier würde man ja zum Beispiel dann so vorgehen, dass diese so extra ausgebildeten zum Beispiel keine Spritzen geben dürfen, mit Medikamenten nichts zu tun haben und so weiter. Das könnte man sicher regeln. Aber man muss Standards festlegen. Mit einem Schnellkurs ist es wie gesagt nicht getan und man sollte natürlich auch hier nur Leute nehmen, die das wirklich gerne wollen, weil wir haben es hier mit schwer gestörten Menschen zu tun. Wenn dort jemand eine Arbeit machen muss, zwangshaft quasi, kann ich mir nicht vorstellen, dass das gut geht. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, weil solche Dinge hat es auch schon gegeben, dass man Frauen, die 10, 20 Jahre lang wegen Familien nicht gearbeitet haben, als Wiederberufseinsteiger fort- und weitergebildet hat in berufsbegleitenden Kursen. Das sind oft sehr, sehr gut geeignete Menschen, weil sie haben Lebenserfahrung. Sie haben schon in einem anderen Beruf gearbeitet, vielleicht in einem pflegenahen Beruf und so weiter. Das kann man sicher gut machen. Aber hier müssen Kurrikula her, Standards her und zum Beispiel könnte man das berufsbegleitend machen, aber nicht mal eben auf die Schnelle.
Spengler: Professor Elisabeth Steinhagen-Thiessen befürwortet die Pläne der Bundesregierung, allerdings unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Danke schön für das Gespräch.
Steinhagen-Thiessen: Ja, vielen Dank. Auf Wiederhören.