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Hass im Netz
BKA will Messengerdienst Telegram unter Druck setzen

Das Bundeskriminalamt (BKA) will Telegram zu einer besseren Zusammenarbeit im Kampf gegen strafbare und rechtsextremistische Inhalte bewegen. Die Anbieter des Messengerdienstes sollen künftig mit Löschbitten und Datenanfragen "geflutet" werden. Eine gute Strategie oder ein Zeichen der Hilflosigkeit?

Von Johannes Kuhn |
Der Messengerdienst Telegram im App-Store auf einem iPhone
Das Bundeskriminalamt will den Druck auf den Messengerdienst Telegram erhöhen (imago images/Rüdiger Wölk)
De facto will das Bundeskriminalamt die gegenwärtige Rechtslage konsequenter anwenden: Also Inhalte wie Drohungen oder Hetze in öffentlichen Gruppen, die nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz illegal sind, an Telegram schicken - mit Aufforderung zur Löschung oder Datenherausgabe. Dadurch soll die Dimension des Problems klar werden - und der Druck zur Kooperation steigen.
Ist diese Ankündigung des BKAs im Innenausschuss, über die die "Welt" zuerst berichtet hatte, eine gute Strategie? Oder nur ein Zeichen der Hilflosigkeit?

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„Ja, das ist in der Tat ein Zeichen der Hilflosigkeit", sagt der Innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm. „Dass wir melden, wenn Ermittlungsbehörden strafbare Inhalte auffallen und dort festgestellt werden, das ist das Selbstverständlichste von der Welt und das erwarte ich auch von BKA und den Länderpolizeien. Tatsache ist, dass momentan die Durchgriffsmöglichkeiten für die Bundesregierung, deutsches Recht durchzusetzen, offensichtlich sehr begrenzt sind.“

Telegram reagierte bislang nicht auf Schreiben

Klar ist: Im Moment kommt man an Telegram, das seinen offiziellen Sitz in Dubai hat, nicht heran. Entsprechend betonen die Ermittlungsbehörden nun ihre Präsenz auf den Plattformen. 
Am 15 Januar hatte Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" erklärt, seine virtuellen Agenten seien auch auf Telegram unterwegs - und hätten so beigetragen, die Urheber des Mordaufrufs gegen Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zu finden.

Höferlin (FDP): Telegram wird "früher oder später gesprächsbereit sein"

Konsequente Ermittlungsarbeit in öffentlichen Gruppen einerseits, politischer Druck andererseits: So sieht Manuel Höferlin, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion den richtigen Weg. Er zeigt sich als Vertreter der Ampel-Koalition optimistisch, dass Firmengründer Pavel Durov am Ende einlenken wird. Denn immerhin baut man dort gerade ein werbefinanziertes Geschäftsmodell auf.

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„Ich kann mir am Ende nicht vorstellen, dass Telegram ein Geschäftsmodell etablieren möchte, das ausschließlich für kriminelle Inhalte, für Aufrufe zu Straftaten, für vielleicht terroristische Inhalte zur Verfügung steht. Und deswegen gehe ich davon aus, dass Telegram früher oder später gesprächsbereit sein wird", so Höferlin.
Tatsächlich löscht die Firma schon jetzt in öffentlichen Gruppen Postings mit Pornographie, Pädophilie oder islamistischer Terrorpropaganda. Allerdings ist Telegram laut BKA nicht bei den deutschen Behörden nicht an einer Zusammenarbeit interessiert.

Medienrechtler Keber: Telegramm-Sperre wäre unwahrscheinlich

Bundesinnenministerium Nancy Faeser (SPD) hatte als Ultima Ratio auch eine Sperre von Telegram in Deutschland ins Gespräch gebracht. Eine Drohkulisse mit einem rechtlich heiklen Kern. Denn die meisten Inhalte auf Telegram, ob Gruppen- oder Privatchats, sind eben nicht von Hass und Hetze gekennzeichnet.
Nancy Faeser, Bundesministerin fuer Inneres und Heimat, spricht im Rahmen der Sitzung des Deutschen Bundestages in Berlin, 12.01.2022. Copyright:
Eine Abschaltung des Messengerdienstes Telegram wäre nur die "Ultima Ratio", so Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, im Dlf-Interview (picture alliance / Florian Gaertner/photothek.de)
Verfassungsrechtlich sei eine Telegramm-Sperre deshalb kaum zu begründen, sagt Medienrechtler Tobias Keber von der Hochschule der Medien in Stuttgart: „Wenn sie den Dienst sperren, dann sperren sie den zu 100 Prozent wegen der illegalen Taten. Aber sie verhindern eben auch, dass man sich dort zum Kaffeetrinken verabredet. Und das ist dann letztlich eine kommunikationsrechtliche Frage auf Ebene der Verfassung. Sie greifen hier in die Meinungs- und Informationsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer ein. Und da habe ich Bauchschmerzen bei.“
Vielversprechender sei es, so Medienrechtler Keber, auf die App-Store-Anbieter Apple und Google einzuwirken, stärkeren Druck auf Telegram auszuüben.