Der umstrittene Beschluss des Berliner Landgerichts im Fall Künast zieht ein weiteres juristisches Verfahren nach sich. Eine Rechtsanwaltskanzlei im Rhein-Main-Gebiet hat Strafanzeige gegen die drei Richter gestellt, die gegen die Grünen-Politikerin entschieden hatten. Der Vorwurf gegen Holger Thiel, Sonja Hurek und Katharina Saar lautet Rechtsbeugung.
Ihr Urteil sei geradezu empörend, erläuterte die Kanzlei. Es liege der Verdacht nahe, dass sich die Richter aufgrund ihrer politischen Überzeugungen zu einem schlicht unvertretbaren Urteil entschieden hätten. Die Berliner Staatsanwaltschaft erklärte, man prüfe, ob ein Anfangsverdacht bestehe. Die Richter hatten entschieden, dass Künast mehrere äußerst vulgäre und sexistische Hasskommentare hinnehmen müsse. Der Beschluss hatte für breite Empörung gesorgt. Die frühere Bundesministerin kündigte an, den Instanzenweg zu gehen und Beschwerde gegen den Beschluss des Berliner Landgerichts einzulegen.
Die Anwaltskanzlei aus dem Rhein-Main-Gebiet verteidigte ihre Strafanzeige gegen Kritik. Die drei Berufsrichter hätten sich mit der Entscheidung bewusst über geltendes Recht und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinweggesetzt, sagte die Juristin Jessica Hamed der "Frankfurter Rundschau". Ein solches Verhalten erfülle den Straftatbestand der Rechtsbeugung. Der Verdacht ergebe sich daraus, dass die Entscheidung der drei in so hohem Maße falsch sei, dass ein Versehen kaum infrage komme, fügte Hamed hinzu. Rechtsexperten zufolge hat die Strafanzeige gegen Thiel, Hurek und Saar keine Aussicht auf Erfolg. Die Kanzlei selbst hatte sich zu dem Schritt gegen die Richter entschieden. Künast wird von ihnen nicht vertreten.
Appell gegen digitale Gewalt
Zusammen mit anderen Politikerinnen und Frauenrechtlerinnen verfasste die Bundestagsabgeordnete einen Appell gegen digitale Gewalt. Hassrede sei eine Gefahr für die Demokratie, heißt es darin. Wenn im Internet und anderswo Gewalt ausgeübt werde, müsse man diese klar benennen und nicht als "Empörungskultur" oder "andere Meinungen" verharmlosen. Nötig seien eine öffentliche Debatte über die geschlechtsspezifischen Aspekte dieser Gewalt sowie Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Aufklärung, fordern die Autorinnen. Zu den Initiatorinnen gehören die Berliner SPD-Politikerin Chebli, die Linken-Abgeordnete Domscheit-Berg und die feministische Autorin Wizorek.
FDP-Politiker mit Vorschlag für besseren Verfolgung von Hetze
Unterdessen haben die FDP-Bundestagsabgeordneten Kuhle und Martens einen Vorschlag für eine vereinfachte strafrechtliche Verfolgung von Hassrede im Internet gemacht. Dafür könnte das Verfahren bei Urheberrechtsverletzungen als Vorbild dienen. Die zunehmenden Beleidigungen und Drohungen im Netz seien in der Lage, das gesellschaftliche Diskussionsklima in der Gesellschaft, aber auch die Bereitschaft, sich für das Gemeinwesen zu engagieren, nachhaltig beeinträchtigen, schreiben die beiden Innen- und Rechtspolitiker in einem Gastbeitrag auf t-online.de. Der Staat müsse Opfern strafbarer Handlungen im Internet die Möglichkeit eröffnet, sich gegen Hass und Hetze selbst zu verteidigen.
Vorbild Urheberrecht
Für ein verbessertes Verfahren könne man sich am Urheberrecht orientieren, schlagen Kuhle und Martens vor. Dort habe ein Geschädigter die Möglichkeit, mit Hilfe eines Auskunftsanspruches und einer richterlichen Anordnung die IP-Adresse und den Namen des Schädigers zu erfahren. Eine vergleichbare Regelung solle der Gesetzgeber auch für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten einrichten. Wer in den Sozialen Medie beschimpft und beleidigt oder mit dem Tod bedroht werde, führten die beiden aus, könne derzeit nicht rechtssicher dagegen vorgehen. Zwar gelte der Auskunftsanspruch zur IP-Adresse auch bei Persönlichkeitsrechts-Verletzungen, die Generalsklauseln seien aber zu schwammig und es gebe kein etabliertes Verfahren. Betroffene seien damit auf wohlwollende Gerichte angewiesen.
NetzDG - Verfolgung von Straftaten nicht auf Unternehmen verlagern
Bisherige Versuche der Politik, die Verfolgung von Straftaten im Internet zu vereinfachen, seien gescheitert, meinen die FDP-Politiker. Auf Grundlage des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes würde nur ein Bruchteil der problematischen Inhalte gelöscht. Außerdem verlagere das Gesetz die Strafverfolgung vom Staat auf private Akteure. Es sei ein Armutszeugnis, dass die Politik der Justiz nicht zutraut, Straftaten im Internet selbst als solche zu bewerten. Statt das NetzDG auszubauen, müssten vielmehr die Behörden zum Schutz der Persönlichkeitsrechte im Internet besser ausgestattet und professionalisiert werden, fordern Kuhle und Martens.