Hate Speech im Sport
Wenn der Hass überhandnimmt

Die französische Tennisspielerin Caroline Garcia hat Online-Hassnachrichten gegen sie öffentlich gemacht. Damit will sie auf die Verletzlichkeit von Athletinnen aufmerksam machen. Doch woher kommt der Hass? Und was kann dagegen getan werden?

Von Victoria Reith |
    Die französische Tennisspielerin Caroline Garcia während ihres Erstrundenmatches bei den US Open in New York.
    Die französische Tennisspielerin Caroline Garcia während ihres Erstrundenmatches bei den US Open. (IMAGO / ABACAPRESS / IMAGO / Dubreuil Corinne / ABACA)
    „Du solltest überlegen, dich zu erschießen“ oder „Ich hoffe, deine Mutter stirbt bald“ sind nur zwei der Nachrichten, die die französische Tennisspielerin Caroline Garcia im Netz erhalten hat. In einem Instagram-Post nach ihrem Erstrundenaus bei den US Open hat sie diese und weitere Hasskommentare öffentlich gemacht.

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    Sie habe hunderte Nachrichten wie diese erhalten, schrieb sie bei Instagram. Es tue weh, aber in ihrem Alter – Garcia ist 30 – habe sie Werkzeuge, um sich vor Hass zu schützen. Sie mache sich vor allem Sorgen um jüngere Spielerinnen, die das gleiche durchmachen müssen.
    Medienforscher Daniel Nölleke von der Deutschen Sporthochschule in Köln findet Garcias Schritt bemerkenswert: „Sie stellt sich als vulnerable Person dar und zeigt, dass der Hass etwas mit einem macht.“
    Nölleke unterstreicht, dass jüngere Athletinnen noch stärker betroffen sein könnten: Sie seien Social-Media-affiner und würden einzelnen Kommentaren eine höhere Relevanz zuschreiben als erfahrenere, ältere Sportlerinnen und Sportler. Zudem seien weibliche Athletinnen besonders vulnerabel, da sich der Hass im Netz häufig gar nicht gegen die Leistung der Sportlerinnen richte. Die Anfeindungen, so erklärt es Nölleke, seien „körperbezogen und frauenfeindlich“.
    In Tenniskreisen hat Garcias Post großen Zuspruch erfahren, vor allem von Kolleginnen. Die Weltranglistenerste Iga Swiatek aus Polen bedankte sich. Die Weltranglistensechste Jessica Pegula aus den USA schrieb: „Die dauerhaften Todesdrohungen und Bedrohungen der Familie sind inzwischen normal.“

    Viele Athletinnen und Athleten haben schlechte Erfahrungen mit Hass im Netz gemacht

    Die deutsche Tennisspielerin Jule Niemeier hat sich für einen anderen Weg entschieden: Sie hat die Kommentarfunktion aufgrund negativer Erfahrungen ganz abgestellt. „Wenn ich es vermeiden kann, die Nachrichten zu lesen, dann mache ich das", sagte Niemeier nach ihrem Zweitrundensieg bei den US Open in New York.
    Alexander Zverevs Rezept gegen den Hass im Netz lautet „Ignorieren“. Ihm und seiner Mutter werde im Netz häufig der Tod gewünscht. Aber Zverev will es nicht an sich heranlassen und kommentiert: „Es gibt überall auf der Welt dumme Menschen.“
    Doch wieso überschreiten Menschen in den Sozialen Netzwerken immer wieder die Grenzen des Sagbaren? Im Sport, so erklärt Medien- und Kommunikationswissenschaftler Daniel Nölleke, seien die Menschen auch in der Offline-Welt anfällig dafür, emotional und verbal über die die Stränge zu schlagen – zum Beispiel, wenn Menschen aus der anonymen Masse einer Fankurve Spieler oder Schiedsrichter anpöbeln.

    Wenig Hemmungen, zu pöbeln

    Entsprechend gibt es auch in den Sozialen Netzwerken weniger Hemmungen, zu hetzen oder zu beleidigen, dort dann teilweise sogar unter Klarnamen. Bisher, so Nölleke, gebe es wenig Forschung dazu, wer die Hater sind und was sie antreibt.
    Eines aber trage konkret zur Emotionalisierung bei: Sportwetten. Die meist online abgeschlossenen Wetten sorgten für ein persönliches Involvement der Fans. Monetäre Verluste und die damit verbundene Enttäuschung brächen sich dann in Hasskommentaren im Netz Bahn.
    Auch Caroline Garcia kritisiert in ihrem Instagram-Post, dass Turniere und der Tennissport Sponsorendeals mit Wettfirmen abschließen. Dies würde ein ungesundes Wettverhalten bei Menschen begünstigen. Doch der Sport macht mit den Wettfirmen viel Geld – und eine Abkehr von den Plattformen als Sponsoring- und Werbepartnern scheint nicht in Sicht.
    Hassrede in sozialen Netzwerken ist nichts neues – inzwischen gibt es Gesetze dagegen, Anlaufstellen für Betroffene und KI-Filter, die beleidigende Kommentare direkt ausblenden sollen. Zu einem Kulturwandel hat das noch nicht geführt. Dennoch, sagt Medienforscher Nölleke, ist jeder Versuch, den Hass im Netz einzudämmen, wichtig. Damit sich die Grenzen des Sagbaren nicht noch weiter verschieben.