In diesen sieben Monaten war das Hohenzoller'sche Residenzstädtchen sozusagen eine französische Hauptstadt, sein Schloss Regierungssitz einer mit Nazi-Deutschland verbündeten französischen Exilregierung unter Marschall Pétain. Damit Pétain und seine Minister ins Sigmaringer Hohenzollern-Schloss einziehen konnten, wurden die Schlossbesitzer 'auf Führerbefehl' hin rausgeschmissen. Fürst Friedrich Wilhelm von Hohenzollern-Sigmaringen erinnert sich:
"Am nächsten Tag merkte ich aufmarschierende SS-Formationen, die eben links und rechts die Schlossauffahrt absperrten, meines Erachtens hatten sie Maschinengewehre. Und es fuhr der Talbot des Marschall Pétain, ein offenes Kabriolett, und es saß hinten der Marschall Pétain in Zivil mit einem Strohhut, und er verließ langsam das Auto. Und es waren für mich etwa fünfzig Meter, da konnte ich nicht den Gesichtsausdruck genauestens studieren, aber ich hatte das Gefühl gehabt, dass Pétain sehr traurig war, denn er war ja ein Gefangener von Hitler. - Kaum war der Marschall in dem Lifteingang verschwunden, als ... der Gestapomann hinter mir stand und sagte: "Nun aber raus! Aber sofort!""
Marschall Pétain, sein Ministerpräsident Laval und die Minister seines Kabinetts waren in der Tat Hitlers Gefangene. Als der Vormarsch der Alliierten im Sommer 1944 die deutsche Wehrmacht zum Rückzug aus Frankreich zwang, versetzte Hitler die mit Deutschland kollaborierende Regierung Pétain, die bis dahin vom Badeort Vichy aus einen südfranzösischen Satellitenstaat von deutschen Gnaden verwaltet hatte, gegen ihren Willen nach Sigmaringen. Dort wurde sie mit den Requisiten einer Scheinmacht ausgestattet. Eine Regierungszeitung La France und ein Regierungssender Ici la France machten für den deutschen "Endsieg" Propaganda und riefen die Franzosen zum Widerstand gegen die Alliierten und gegen General de Gaulle auf. Sogar Botschaften befreundeter Mächte wurden in Gasthöfen und Villen der Stadt eingerichtet. Der Sigmaringer Staatsarchivar Otto H. Becker:
"Zu nennen ist die Japanische Botschaft unter Botschafter Mitami, eine Italienische Botschaft unter Konsul Longhini, der faschistischen Regierung von Salò am Gardasee. Und dann die Deutsche Botschaft, Botschaft Paris mit Sitz jetzt in Sigmaringen unter Botschafter Otto Abetz im Gebäude der Fürstlich Hohenzoller'schen Haus- und Domänenverwaltung in der Karlstraße 32."
Aber so fix die Institutionen, Instrumente und Symbole der neuen Scheinmacht auch etabliert waren, der 'König ohne Land und ohne Volk', sein widerspenstiger 'Majordomus' Laval und seine Paladine, die Minister, weigerten sich ganz einfach, die ihnen von Hitler zugedachte Statistenrolle im Operettenstaat Vichy an der Donau zu spielen. Für sie sprangen andere umso bereitwilliger in die Bresche. Den Machtkampf unter den Diadochen Pétais entschied Jacques Doriot, der Führer der faschistischen Französischen Volkspartei für sich. Grand Jacques, wie ihn seine Anhänger ehrfurchtsvoll nannten, glaubte noch im Herbst und Winter 1944/45 an eine privilegierte Stellung Frankreichs in Hitlers Europa:
"Unser höchster Lohn wird das Urteil der nachfolgenden Generationen sein. Wenn unsere Söhne das Werk der Erbauer des neuen Frankreich und des neuen Europa würdigen werden, hoffe ich, dass sie mit Stolz sagen können: Mein Vater ist dabei gewesen."
Doch in dem Augenblick, in dem Doriot im Begriff war, die zerstrittenen französischen Kollaborationsgruppen zu einigen, starb er im Kugelhagel eines englischen Tieffliegers am 22. Februar 1945. Knappe zwei Monate später hatte Sigmaringen als letzte Hauptstadt Vichy-Frankreichs ausgespielt. In der Nacht des 20. April setzte sich Marschall Pétain in Richtung Schweiz ab. Kurz zuvor hatten schon die anderen Minister Sigmaringen verlassen. Jeder versuchte auf eigenen Faust seine Haut zu retten. Es gelang nur zweien. Marschall Pétain, der Sieger von Verdun, wurde von General de Gaulle begnadigt und starb 1951 in der Verbannung auf der Insel Yeu. Arbeitsminister Déat tauchte in Italien unter. Alle anderen wurden für ihre Kollaboration mit Hitler-Deutschland mit dem Tod bestraft.
"Am nächsten Tag merkte ich aufmarschierende SS-Formationen, die eben links und rechts die Schlossauffahrt absperrten, meines Erachtens hatten sie Maschinengewehre. Und es fuhr der Talbot des Marschall Pétain, ein offenes Kabriolett, und es saß hinten der Marschall Pétain in Zivil mit einem Strohhut, und er verließ langsam das Auto. Und es waren für mich etwa fünfzig Meter, da konnte ich nicht den Gesichtsausdruck genauestens studieren, aber ich hatte das Gefühl gehabt, dass Pétain sehr traurig war, denn er war ja ein Gefangener von Hitler. - Kaum war der Marschall in dem Lifteingang verschwunden, als ... der Gestapomann hinter mir stand und sagte: "Nun aber raus! Aber sofort!""
Marschall Pétain, sein Ministerpräsident Laval und die Minister seines Kabinetts waren in der Tat Hitlers Gefangene. Als der Vormarsch der Alliierten im Sommer 1944 die deutsche Wehrmacht zum Rückzug aus Frankreich zwang, versetzte Hitler die mit Deutschland kollaborierende Regierung Pétain, die bis dahin vom Badeort Vichy aus einen südfranzösischen Satellitenstaat von deutschen Gnaden verwaltet hatte, gegen ihren Willen nach Sigmaringen. Dort wurde sie mit den Requisiten einer Scheinmacht ausgestattet. Eine Regierungszeitung La France und ein Regierungssender Ici la France machten für den deutschen "Endsieg" Propaganda und riefen die Franzosen zum Widerstand gegen die Alliierten und gegen General de Gaulle auf. Sogar Botschaften befreundeter Mächte wurden in Gasthöfen und Villen der Stadt eingerichtet. Der Sigmaringer Staatsarchivar Otto H. Becker:
"Zu nennen ist die Japanische Botschaft unter Botschafter Mitami, eine Italienische Botschaft unter Konsul Longhini, der faschistischen Regierung von Salò am Gardasee. Und dann die Deutsche Botschaft, Botschaft Paris mit Sitz jetzt in Sigmaringen unter Botschafter Otto Abetz im Gebäude der Fürstlich Hohenzoller'schen Haus- und Domänenverwaltung in der Karlstraße 32."
Aber so fix die Institutionen, Instrumente und Symbole der neuen Scheinmacht auch etabliert waren, der 'König ohne Land und ohne Volk', sein widerspenstiger 'Majordomus' Laval und seine Paladine, die Minister, weigerten sich ganz einfach, die ihnen von Hitler zugedachte Statistenrolle im Operettenstaat Vichy an der Donau zu spielen. Für sie sprangen andere umso bereitwilliger in die Bresche. Den Machtkampf unter den Diadochen Pétais entschied Jacques Doriot, der Führer der faschistischen Französischen Volkspartei für sich. Grand Jacques, wie ihn seine Anhänger ehrfurchtsvoll nannten, glaubte noch im Herbst und Winter 1944/45 an eine privilegierte Stellung Frankreichs in Hitlers Europa:
"Unser höchster Lohn wird das Urteil der nachfolgenden Generationen sein. Wenn unsere Söhne das Werk der Erbauer des neuen Frankreich und des neuen Europa würdigen werden, hoffe ich, dass sie mit Stolz sagen können: Mein Vater ist dabei gewesen."
Doch in dem Augenblick, in dem Doriot im Begriff war, die zerstrittenen französischen Kollaborationsgruppen zu einigen, starb er im Kugelhagel eines englischen Tieffliegers am 22. Februar 1945. Knappe zwei Monate später hatte Sigmaringen als letzte Hauptstadt Vichy-Frankreichs ausgespielt. In der Nacht des 20. April setzte sich Marschall Pétain in Richtung Schweiz ab. Kurz zuvor hatten schon die anderen Minister Sigmaringen verlassen. Jeder versuchte auf eigenen Faust seine Haut zu retten. Es gelang nur zweien. Marschall Pétain, der Sieger von Verdun, wurde von General de Gaulle begnadigt und starb 1951 in der Verbannung auf der Insel Yeu. Arbeitsminister Déat tauchte in Italien unter. Alle anderen wurden für ihre Kollaboration mit Hitler-Deutschland mit dem Tod bestraft.