Plötzlich geht alles rasend schnell voran, was schon seit Jahrzehnten überlegt wurde. Schließlich hat NRW viel Museumsreifes zu bieten: Kölsch und Karneval, Kunst und Kohle, Autobau und Pferdezucht, Fußball und Medien, Hochschulen und Theater, Pott, Pütt und Punk. Aber was ist NRW als Ganzes, was macht es aus?
Der Historiker Guido Hitze leitet seit dem Frühjahr die Planungsgruppe für das Haus der Geschichte. "Wir wollen eine solide Geschichtserzählung in NRW initiieren und inszenieren, die aber keine Meistererzählung ist. Das Land ist viel zu vielfältig und bunt und auch widersprüchlich, als dass man so etwas konstruieren könnte."
Mitglied im Kuratorium, das bislang nur einstimmige Beschlüsse gefasst hat, ist auch die Münsteraner Grüne und Landtagsabgeordnete Josefine Paul. Sie stellt die wichtige Frage: "Wo muss eigentlich ein solches Haus der Landesgeschichte ansetzen? Wir wollen vielleicht nicht ganz zurückgehen bis zu den Römern, aber vielleicht muss man doch, um irgendwie Nordrhein-Westfalen zu verstehen, ein bisschen vor 1946 ansetzen."
Behrensbau als mögliches Gebäude
Ende Juli wurde ein großer Schritt getan. Alte Ideen, die zur Jahreswende kursierten, im Norden der Landeshauptstadt Düsseldorf etwas zu finden, oder die bestehende Parlamentsgeschichte in der Villa Horion zu erweitern sind vom Tisch.
"Wir haben im Kuratorium Interesse daran geäußert, solch ein Museum hier am Landtag gelegen in den sogenannten Behrensbau hineinzubringen, und von daher bin ich als Präsident gebeten worden, die Landesregierung und damit Ministerpräsident Laschet anzuschreiben und zu fragen, ob es eine Möglichkeit gibt, diesen Bestandsbau für solch einen Zweck zur Verfügung gestellt zu bekommen."
Der sogenannte Behrensbau ist ein Verwaltungsgebäude, das 1911 nach den Plänen des Architekten Peter Behrens für die Mannesmann-Röhren AG errichtet wurde. Als Mannesmann zu Vodafone wurde, gelangte die fünfgeschossige Skelettkonstruktion mit Backsteinmauerwerk am Düsseldorfer Rheinufer 2012 in Besitz des Landes. Die Lenkung des Landes hat im Übrigen genau in diesem Gebäude ihren Anfang genommen. Die britische Militärregierung saß 1945 dort. Und die ersten Ministerpräsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg residierten von 1946 bis 1953 im Behrensbau. Es handelt sich um ein Bestandsgebäude mit eigener Geschichte und würde keinen kostspieligen Neubau erforderlich machen. Und es steht zurzeit leer.
Auch wenn Sponsoren wie RAG willkommen wären, wolle er keinesfalls davon abhängig sein. Planungsleiter Guido Hitze will kein Heimatmuseum, aber mit Identität habe das alles schon enorm zu tun. "Wir versuchen, diesem Land eine stärkere Identität, ein Selbstbewusstsein zu verleihen - also in diesem Sinne sich seiner selbst bewusst werden. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Prozess, denn viele denken ja, NRW sei so eine Verwaltungseinheit, so ein künstliches Produkt, was keine Seele hätte, und auch das Bewusstsein, dass dieses Land eine große demokratische Tradition hat und eine sehr stabile."
Politische Geschichte als roter Faden
Hitze ist sich auch klar darüber, dass es nicht allein um die Wirtschaft- und Energiegeschichte des Landes gehen darf. "Nein, das ist eine bunte Mischung. Jeder soll seinen Platz haben. Wir werden die politische Geschichte natürlich als roten Faden entwickeln müssen, aber es gibt so viele Abzweigungen, Vertiefungsmöglichkeiten. Kultur, Sport, Migration, Religion, Wirtschaft, Soziales, Alltag, jedes dieser Themen hat seine Berechtigung und wird auch dann in der Ausstellung Berücksichtigung finden."
Wichtig ist allen Beteiligten, dass das Projekt Haus der Geschichte NRW aus der Mitte des Parlaments kommt und getragen wird. Es bietet Gelegenheit, alle Landesteile zu würdigen. Josefine Paul: "Ich bin ja auch Westfälin, also eine reine Wirtschafts- und Industriegeschichte würde allein die Geschichte auch dieses Landesteils überhaupt nicht widerspiegeln."
Eine Teileröffnung 2021, zum 75-jährigen Landesjubiläum, hält der amtierende Landtagspräsident André Kuper für möglich. "Ich glaube, dass das Museum die erstmalige Chance ist, eben alle Teile dieses Landes in einer ganzheitlichen Geschichte darzustellen und von daher kann ich das Projekt nur begrüßen."