In seinem Film "Patterns of Live - also "Lebensmuster" untersucht der französische Choreograf Julien Prévieux, wie die technologische Entwicklung menschliche Bewegungsabläufe verändert hat - von der Arbeit am Fließband bis hin zur Musterkennung von Bewegungsanalysen für Drohnenangriffe im Krieg gegen den Terror. Als eines von 28 künstlerischen Werken der Ausstellung "Nervöse Systeme" stellt Prévieux’ Film nicht die Ästhetisierung von Technologiegeschichte in der Vordergrund, sondern den Menschen selbst, der sich angesichts der rasanten technologischen Entwicklung stets neu positionieren muss. Die digitalisierte Gegenwart, die obsessive Anhäufung von Daten und ihre Analyse, werden in der Ausstellung nicht als "Revolution" inszeniert, sondern als ein Entwicklungsschritt im Verhältnis Mensch-Maschine. Co-Kuratorin Stephanie Hankey:
"Wir haben die Technologie bisher immer aus Sicht des Benutzers gesehen. Sie sollte uns das Leben vereinfachen und effizienter machen, uns Zugang zu Informationen oder den Kontakt zu anderen ermöglichen. Smartphone-Apps sollen dem einzelnen Helfen, seine Ziele zu erreichen. Das Paradoxe daran ist, dass je mehr man das Leben in Daten aufschlüsselt, umso mehr wird aus dem Individuum bloß das Mitglied einer Gruppe. Man wird auf einen Typus, eine Verhaltensweise oder gar ein Profil reduziert, das oft genug nichts mehr mit einem selbst zu tun hat."
Auf Textständern erklären in der Ausstellung Medienwissenschaftler und Historiker die historische Illusion der Verlässlichkeit von Daten: von Lügendetektor in den 1920er Jahren bis zur Rasterfahndung im 21. Jahrhundert. Auch die Lochkartenmaschine von Hermann Hollerith wird präsentiert, ein mechanischer Computer der Firma IBM, der 1924 in den USA zur Volkszählung eingesetzt wurde, und später den Nationalsozialisten für die Erfassung und Deportation der europäischen Juden diente. "Nervöse Systeme" ist keine Schau der Verschwörungstheorien, sondern beschreibt unaufgeregt den Weg bis zur Gegenwart. Neben Diskussionsforen wird es auch thematische Führungen geben, zum Beispiel mit der polnischen Anwältin und Internet-Aktivistin Katarzyna Szymielewicz.
"Mitglieder der islamischen Gemeinde durchlaufen in New York ein spezielles Untersuchungsprogramm der Polizei. Ihr Konsumverhalten wird durchleuchtet, und welche islamischen Institutionen sie besuchen - in der Hoffnung, durch die Analyse der erhobenen Daten etwas über sie herausfinden. Das ist eine offene Form der Diskriminierung, die in dem Maße zunimmt, in dem die Erstellung von individuellen Personenprofilen als Logik dafür dient, Menschen bestimmte Dienstleistungen vorzuenthalten oder sie als Verdächtige einzustufen."
In dem vom "Tactical Technology Collective" eingerichteten "White Room" erfahren die Ausstellungsbesucher an Medienstationen, wer uns schon bei der morgendlichen Zeitungslektüre im Internet beobachtet, was mit diesen Datenmassen passiert, und wie wir uns vor der Ausspähung schützen können. Historisch spiegelt sich das ebenso amüsant wie beunruhigend an Douglas Hueblers "Variable Peace" von 1973, bei dem der Künstler New Yorker Ausstellungsbesucher aufforderte, ihre Geheimnisse anonym in ein öffentlich ausliegendes Buch einzutragen. "Nervöse Systeme" zeigt anhand konkreter Beispiele ein Stück Kulturgeschichte, eine Bestandsaufnahme des menschlichen Zusammenlebens. Co-Kuratorin Stephanie Hankey:
"Die 'soziale Frage' berührt zwei Aspekte: einerseits geht es darum, wie wir heute Gesellschaften organisieren und wie wir miteinander interagieren. Anderseits stellt sich die Frage auf individueller Ebene: wie wir unsere eigene Beliebtheit messen, wie wir unseren Freundeskreis definieren, oder in welchem Maße wir unser eigenes Leben öffentlich machen. Es geht nicht um Technologie und Daten an sich, sondern um unseren Glauben an ihre Macht."
Der italienische Philosoph Matteo Pasquinelli, der seine Erkenntnisse zur Mustererkennung und zur Macht der Algorithmen vorstellt, bezeichnet den Datenaustausch im Internet als "neues Nervensystem der Welt”, als "anthropologische Wende.” Gedanken werden zu Wörtern, Wörter zu Zeichen, Zeichen zu Daten, Daten zu Mustern, Muster zu Trends und Trends schließlich zu Maschinenintelligenz - so Pasquinellis Theorie. Die Ausstellung "Nervöse Systeme" führt dem Besucher ein Netzwerk vor, das der Mensch sich selbst geschaffen hat und in dem er sich zusehends verfängt. Die beruhigende Erkenntnis: noch scheinen die Daten weniger über uns zu wissen als wir selbst.
"Wir haben die Technologie bisher immer aus Sicht des Benutzers gesehen. Sie sollte uns das Leben vereinfachen und effizienter machen, uns Zugang zu Informationen oder den Kontakt zu anderen ermöglichen. Smartphone-Apps sollen dem einzelnen Helfen, seine Ziele zu erreichen. Das Paradoxe daran ist, dass je mehr man das Leben in Daten aufschlüsselt, umso mehr wird aus dem Individuum bloß das Mitglied einer Gruppe. Man wird auf einen Typus, eine Verhaltensweise oder gar ein Profil reduziert, das oft genug nichts mehr mit einem selbst zu tun hat."
Auf Textständern erklären in der Ausstellung Medienwissenschaftler und Historiker die historische Illusion der Verlässlichkeit von Daten: von Lügendetektor in den 1920er Jahren bis zur Rasterfahndung im 21. Jahrhundert. Auch die Lochkartenmaschine von Hermann Hollerith wird präsentiert, ein mechanischer Computer der Firma IBM, der 1924 in den USA zur Volkszählung eingesetzt wurde, und später den Nationalsozialisten für die Erfassung und Deportation der europäischen Juden diente. "Nervöse Systeme" ist keine Schau der Verschwörungstheorien, sondern beschreibt unaufgeregt den Weg bis zur Gegenwart. Neben Diskussionsforen wird es auch thematische Führungen geben, zum Beispiel mit der polnischen Anwältin und Internet-Aktivistin Katarzyna Szymielewicz.
"Mitglieder der islamischen Gemeinde durchlaufen in New York ein spezielles Untersuchungsprogramm der Polizei. Ihr Konsumverhalten wird durchleuchtet, und welche islamischen Institutionen sie besuchen - in der Hoffnung, durch die Analyse der erhobenen Daten etwas über sie herausfinden. Das ist eine offene Form der Diskriminierung, die in dem Maße zunimmt, in dem die Erstellung von individuellen Personenprofilen als Logik dafür dient, Menschen bestimmte Dienstleistungen vorzuenthalten oder sie als Verdächtige einzustufen."
In dem vom "Tactical Technology Collective" eingerichteten "White Room" erfahren die Ausstellungsbesucher an Medienstationen, wer uns schon bei der morgendlichen Zeitungslektüre im Internet beobachtet, was mit diesen Datenmassen passiert, und wie wir uns vor der Ausspähung schützen können. Historisch spiegelt sich das ebenso amüsant wie beunruhigend an Douglas Hueblers "Variable Peace" von 1973, bei dem der Künstler New Yorker Ausstellungsbesucher aufforderte, ihre Geheimnisse anonym in ein öffentlich ausliegendes Buch einzutragen. "Nervöse Systeme" zeigt anhand konkreter Beispiele ein Stück Kulturgeschichte, eine Bestandsaufnahme des menschlichen Zusammenlebens. Co-Kuratorin Stephanie Hankey:
"Die 'soziale Frage' berührt zwei Aspekte: einerseits geht es darum, wie wir heute Gesellschaften organisieren und wie wir miteinander interagieren. Anderseits stellt sich die Frage auf individueller Ebene: wie wir unsere eigene Beliebtheit messen, wie wir unseren Freundeskreis definieren, oder in welchem Maße wir unser eigenes Leben öffentlich machen. Es geht nicht um Technologie und Daten an sich, sondern um unseren Glauben an ihre Macht."
Der italienische Philosoph Matteo Pasquinelli, der seine Erkenntnisse zur Mustererkennung und zur Macht der Algorithmen vorstellt, bezeichnet den Datenaustausch im Internet als "neues Nervensystem der Welt”, als "anthropologische Wende.” Gedanken werden zu Wörtern, Wörter zu Zeichen, Zeichen zu Daten, Daten zu Mustern, Muster zu Trends und Trends schließlich zu Maschinenintelligenz - so Pasquinellis Theorie. Die Ausstellung "Nervöse Systeme" führt dem Besucher ein Netzwerk vor, das der Mensch sich selbst geschaffen hat und in dem er sich zusehends verfängt. Die beruhigende Erkenntnis: noch scheinen die Daten weniger über uns zu wissen als wir selbst.