Im Aufgang zum Ostflügel hängt eine lange Ahnenreihe von berühmten Ausstellungen der Nachkriegszeit. Eine Reverenz an goldene Zeiten, wegweisende Ausstellungen zu Picasso 1955, Wilhelm de Kooning 1963 oder gleich 1949 "Der blaue Reiter".
Das Haus der Kunst sollte ein Wegweiser in die Moderne sein - und war es lange; vor allem seit der Umwandlung in eine Stiftung 1992. Danach etablierte Christoph Vitali die Publikumsrenner. Vitali holte als Erster und Letzter Werke der amerikanischen Barnes Foundation nach München. Nach ihm brach der Belgier Chris Dercon ab 2003 die Verkrustungen der verschämt versteckten Nazi-Architektur auf.
15 Jahre später ist das Haus ein Häufchen Elend. Mit Mühe steht in den Bilanzen eine schwarze Null, gibt der Kaufmännische Direktor Bernhard Spies zu. Die Zahlen: 220.000 Besucher. Die noch laufende Immendorff-Ausstellung nennt er "das Highlight" des katastrophalen Jahres 2018.
Hypo-Kunsthalle als neuer Publikumsmagnet
Längst hat die geschickt gemanagte Hypo-Kunsthalle in der Fußgängerzone am Marienhof das einstige Flaggschiff moderner Kunst als Publikumsmagnet abgelöst. Und im Ausstellungssaal des noch intakten Ostflügels sitzt die bekannte Schweizer Kuratorin Bice Curiger, eigentlich künstlerische Direktorin der Fondation Vincent van Gogh im südfranzösischen Arles, hochgeachtete Biennale-Chefin von Venedig 2011. Sie versucht zu retten, was noch zu retten ist. Ehrenamtlich.
"Es gäbe viel Gründe zu sagen: Das geht mich nichts an, macht das unter Euch aus. Ich habe aber auch ein Engagement, dass hier in Europa möglichst tolle Orte, und es sind nicht so viele, von denen eben immer wieder neue Impulse ausgehen, auf die man blickt von außen her."
Fünf Seiten zur Rettung des Hauses
Zurück auf Neuanfang. Das Chaos als Chance. So könnte das Gebot der Stunde lauten.
Kunstmanagerin Curiger gehört dem eilends im Dezember einberufenen dreiköpfigen Expertenrat an. Neben ihr der Direktor des Museums Brandhorst in München, Achim Hochdörfer, und Kunstsammlerin Ingvild Goetz. Innerhalb von anderthalb Monaten wurde von dem Rettungsteam ein fünfseitiges Konzept aus dem Boden gestampft, das es in sich hat. Genaues Profil des Hauses, vier Eckpunkte zur strukturellen Ausrichtung, strenges Anforderungsprofil an die neue Leitung – klare Ansagen:
"Erstens: Die generelle Ausrichtung des Haus der Kunst als eine avancierte Institution moderner und zeitgenössischer Kunst mit einem globalen Fokus und einer spartenübergreifenden Offenheit gegenüber Performance, Film, Mode, Architektur und angewandter Kunst sollte beibehalten werden."
Neue Leitung muss mit Sanierung umgehen können
Pointiert und schnell auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren, eigene Ideen verwirklichen: So soll das Haus in die Zukunft gehen. Man werde keine Ausstellungen ankaufen, verspricht der Expertenrat. Bis Anfang 2020 liegt das Programm derzeit vor. Bis dahin soll der neue Chef oder Chefin mittels einer noch zu bestimmenden fünfköpfigen Findungskommission bestimmt sein. Die oder der muss mit der bald drohenden Teil- oder Komplettschließung des Gebäudes zur Sanierung der maroden Nazimauern kreativ umgehen können. Und wollen.
Natürlich sollte es eine hochkarätige Persönlichkeit sein, so Curiger, flankiert von Bayerns Kunstminister Bernd Sibler. Dieser ist allerdings bislang noch eher in der Einarbeitungsphase. Derzeit würde vom Architektenbüro David Chipperfield die Vorplanung für die Bausanierung erstellt, so der Kaufmännische Direktor Bernhard Spies. Ein finanzieller Kraftakt. Allein deshalb sei die MoMa-Ausstellung abgesagt und als Ersatz eine Markus-Lüpertz-Ausstellung konzipiert worden: "Das MoMa hätte in 2018 eine Vorleistung von 430.000 US-Dollar haben wollen. Tut mir leid, das Geld war nicht da."
Ersetzt wird die abgesagte MoMa-Ausstellung nun also durch eine - bereits kritisierte - Lüpertz-Schau. Er, wie der aktuell gezeigte Jörg Immendorff, werden von der Galerie Breckner vertreten. Lüpertz werde aber neue Bilder ausstellen, verspricht Spieß, unabhängig von der Düsseldorfer Galerie. Man habe in München einen Ruf zu verteidigen.