Hausbesuch bei Kit Armstrong Unbegrenzt wandlungsfähig
Er ist Pianist, Organist, Komponist. Er begeistert sich für Mathematik, Origami und Künstliche Intelligenz. In Frankreich hat er eine Kirche gekauft. Darin lebt und wohnt er und gibt Konzerte. Bei einem persönlichen Rundgang spielt er seine Instrumente an.
"Ich denke, die Stille – oder sollte man lieber von Pausen sprechen? – ist das, was mich an der klassischen Musik so begeistert", sagt der Pianist Kit Armstrong. (Marco Borggreve)
Er spielt meisterlich Klavier und Orgel, er dirigiert, er komponiert. Er interessiert sich flammend für naturwissenschaftliche Fortschritte und testet regelmäßig die neuen Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz. Sprachen lernt Kit Armstromg beinahe mühelos. Bei all seinen Begabungen und Tätigkeiten wirkt er immer nahbar und bescheiden.
Hochbegabt seit Kindertagen
1992 in Los Angeles geboren, beweist Armstrong seine Neugierde, seinen Wissenshunger bereits als Kind. In einer Biographie über ihn heißt es:
"Er war keine zwei Jahre alt, da beherrschte er die vier Grundrechenarten bereits perfekt, und das nicht nur für die Zahlen von eins bis hundert. Es muss um dieselbe Zeit gewesen sein, dass er seine Mutter darum bat, ihm das Lesen der Uhr beizubringen. […] Er war keine drei Jahre alt, da konnte er lesen." Inzwischen ist er in mehreren Sprachen fit.
Komponieren als Handwerk?
Armstrong spielt nicht nur Werke anderer Komponisten, sondern schreibt selbst. Dabei greift er auf Traditionen und Techniken seiner Vorgänger zurück. Viel entsteht erst in seinem Kopft, bevor er seine Einfälle notiert.
Man hat zum Beispiel ein Thema. Ein Thema muss nicht unbedingt eine Melodie sein. Es kann auch eine Gestalt, eine Klangfarbe, eine Instrumentierung sein. Es gibt, ernährt durch zahlreiche Beispiele der historischen Musikliteratur und die theoretischen Errungenschaften der letzten Jahrhunderte, einen Werkzeugkasten, der mit vielen verschiedenen Möglichkeiten der Ausarbeitung gefüllt ist.
Manchmal ergeben sich für den Komponisten Kit Armstrong durchaus kuriose Situationen.
Ich hatte einmal im Traum eine unglaublich schöne Komposition gehabt. Ich war so begeistert, habe es am nächsten Morgen beim Aufstehen aufgeschrieben. Eine Stunde später konnte ich mich nicht mehr an den Traum erinnern, aber die Noten waren immer noch da – eine so schlechte Musik habe ich noch nie gesehen…
Ein großer Raum für eigene Experimente
Im nordfranzösischen Hirson hat Armstrong vor einigen Jahren eine leerstehende Kirche gekauft, die Sainte-Thérèse-de-l’Enfant-Jésus, die 1929 im Art-deco-Stil erbaut wurde. Lange wurde das Gebäude nicht mehr genutzt, bis Armstrong das Gebäude erwerben konnte.
Ich war zum ersten Mal 2012 hier und habe auch im selben Jahr die Kirche gekauft. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, wie sich das Ganze entwickeln würde. Ich wollte nicht etwas Genaues ins Leben rufen. Aber ich wollte ein Abenteuer.
Zu diesem Zeitpunkt studierte Armstrong noch in Paris. Nach der Renovierung wohnt Armstrong im Kirchengebäude. Allerdings lassen seine Reisen oft nur tageweise Aufenthalte zu. Aber wenn er mal da ist, genießt er die Zeit.
Diese Decke ist wundervoll, aus den 20er und 30er Jahren in einem Art-déco-Stil. Das ist eine interessante Geschichte, wie diese Kirche entstanden ist: durch einen Ingenieur, der in Paris für den Neubau des Abwassersystems zuständig war, und dafür Beton-Kanalisierungen nutze. Und ein ähnliches Verfahren hat er dann für diese Kirche, die er gestiftet hat, angewendet.
Nun probt er dort und öffnet das Haus mehrfach im Jahr für Konzerte, die Bewohner der kleinen Stadt bringen ihm Neugierde entgegen. Mehrere Instrumente, darunter eine Orgel, stehen ihm dort zur Verfügung.
Ein Festival hat er inzwischen etabliert. Seine Instrumente zeigt er Besuchern bereitwillig und führt sie in der „Musikszene“ auch vor. Damit gibt Kit Armstrong Einblicke in seine ganze musikalische Vielseitigkeit.
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Von Instrument zu Instrument
Kit Armstrong hat verschiedene Instrumente im Kirchenschiff, seinem erweiterten Wohnzimmer, stehen. Darunter ein Bechstein, Baujahr 1862, dessen Intonation er hervorragend findet. Er schwärmt genau so, wie einst Franz Liszt, der diese Instrumente bewunderte.
Dann wechselt er zu einem etwas älterer Flügel der Bayreuther Firma Steingraeber. Daneben ein Steinway von 1896. Die älteren Flügel faszinieren ihn, weil ihre Klangflächen andere Farben bieten als heutige Instrumente.
Gedankenschweife
Und zwischen den Klängen der Instrumente immer wieder philosophische Zwischengedanken, zum Beispiel über das Musizieren in heutigen Zeiten.
Der Mensch musiziert, der Mensch liebt Rhythmus, Harmonie, Gesang – sonst wäre es nicht der Fall, dass seit 20.000, 30.000 Jahren Überlieferungen Musiken in allen Gesellschaften vorhanden sind. Wir wissen nicht unbedingt, warum. Wir haben in unserer abendländischen Gesellschaft eine Klasse von Menschen, die sich Musiker nennen, die Musik für alle produzieren. Und der normale, durchschnittliche Mensch macht keine Musik mehr. Er konsumiert nur.