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Hausboote in Berlin
Vier Zimmer, Küche, Boot

Der Blick aufs Wasser, sanftes Schaukeln, keine störenden Nachbarn – das Leben auf dem Hausboot scheint eine wahre Idylle zu sein. In Berlin gibt es gleich mehrere Liegeplätze für die schwimmenden Häuser. Doch das Leben auf dem Wasser birgt auch Tücken. Zum Beispiel im bitterkalten Winter.

Von Frank Capellan | 17.07.2016
    Hausboot auf Templiner See.
    Hausboot auf Templiner See. (picture alliance / dpa / Hinrich Baesemann)
    "Herzlich Willkommen, erst mal, und wir haben hier unsere Gäste-Hausschuhe. Wir haben auch pinkfarbene, wir können jeden Geschmack bedienen, Bommeln, Puscheln, alles da", begrüßt Felix Eisenhardt.
    Klar, die Schuhe werden an Bord ausgezogen, aber auf der "Helene" dann nicht gegen Bootsschuhe, sondern gegen echte Pantoffeln getauscht, schließlich begebe ich mich ja gerade auf ein Hausboot.
    Boots-Pantoffeln
    "Ja, da bin ich ja fast schon gescheitert mit einem ersten Hausboot-Besuch an der nicht vorhandenen Klingel", erzählt Frank Capellan.
    Wer die Eisenhardts besuchen will, muss zunächst den Sprung über Wasser wagen und kräftig klopfen - an einer Stahltüre am Heck des Schiffes, am Ufer der Spree jedenfalls findet sich weder Türschild, noch Klingel oder Briefkasten. Frank Capellan:
    "Hallo! Wäre fast schon wieder gegangen. Hallo! Dachte, es ist keiner da!"
    Doch dann werde ich herzlich von Uta und Felix Eisenhardt empfangen und in die gute Stube gebeten. In den Wohnbereich des ehemaligen DDR-Arbeitsschiffes. Links ein helles Sofa, ein hölzerner Couchtisch, übers Parkett schaue ich hinüber zur offenen Küche mit einem großen Esstisch. Fast sieht es aus wie in einem normalen Einfamilienhaus, wäre da nicht diese ganz besondere Fensterfront mit dem ganz besonderen Blick aufs Wasser. Gerade fährt ein Frachter dicht an der "Helene" vorbei, gegenüber liegen die Schiffe der Weißen Flotte am Treptower Park. Und wenn Felix Eisenhardt die Balkontüre öffnet und einen großen Schritt macht, dann landet er direkt in der Spree. Viel lieber aber entspannt er sich vor dem Fenster.
    Blick auf’s Wasser
    "…und dann kann man sehr schön in der Hängematte liegen, das schaukelt ja ein bisschen das Schiff, man kann ganz hervorragend rausgucken auf die Spree. Und das Wasser soll ja für viele Leute eine beruhigende Wirkung haben, also bei mir funktioniert das auf jeden Fall, wenn man diese Lichtreflexionen sieht, die die Wellen immer erzeugen, also wenn das Sonnenlicht auf die Wellen trifft, spiegelt sich das manchmal oben an der Decke vom Schiff, und es ist einfach ne totale Beruhigungsmethode."
    Hell ist es in dem 50 Quadratmeter großen Raum auch, weil die Eisenhardts die niedrige Schiffsdecke teilweise aufgeschnitten und mit einem Glasdach versehen haben. Und dann ist da noch der Kamin, unerlässlich, um das Schiff im Winter warm zu bekommen.
    "Der ist unheimlich kräftig. Im ganz bitterkalten Winter steht dann die Familie im Halbkreis rum und drängelt sich und schubst, wer denn am nächsten jetzt vor dem Ofen sein darf."
    Felix Eisenhardt hat sich mal kurz nach nebenan verabschiedet, meldet sich aus dem Kinderzimmer, und probiert sich am Schlagzeug des 17jährigen Sohnes Tom. Stören kann man hier auf dem Wasser kaum jemanden.
    Hausbootidylle
    Hausbootidylle at it´s best. Doch es bereitet den Eisenhardts einige Mühe, bis sie sich den Traum vom Leben auf dem Wasser verwirklichen können. Im Winter 2003 ersteigern sie für etwas mehr als 10.000 Euro 100 Tonnen Stahl, 32 Meter lang, 5,10 Meter breit. "Helene" heißt damals noch "WS3454".
    "Für Wohnschiff 3454, es war ja ein Behördenschiff, also diente dem Wasserstraßeninstandhaltungskombinat, 1982 gebaut als Bauhüttenschiff, eine schwimmende Unterkunft für Bauarbeiter im Wasserstraßenbereich. Also immer, wenn es darum ging, Brücken zu reparieren oder Uferböschungen zu reparieren, dann hat man die Bauarbeiter in so einem Bauhüttenschiff übernachten lassen."
    Jahrelange Tüftelarbeit
    Seit vielen Jahren ist "Helene" nun schwimmendes Zuhause für die Eisenhardts. Jahrelang haben sie gebastelt und getüftelt, um das Hüttenschiff zu einer wohnlichen Behausung umzubauen.
    "Ich öffne jetzt mal den Schaltschrank, der ist übrigens auch noch original, so wie er in der DDR gebaut worden ist."
    Felix Eisenhardt hat mich zu Helenes Herz geführt, das Blockheizkraftwerk, der ganze Stolz des 46-Jährigen. Wenn der Strom aus Solarzellen und Windgenerator nicht reicht, schmeißt er diesen Generator an, der zudem noch den Kamin beim Wärmen unterstützt.
    "Dann glüht der leicht vor, das hört sich gut an! Aber ich denke, er wird nicht lange laufen, weil der Tank ziemlich leer ist. Heizsaison ist ja lange vorbei, genau. Das Ding ist komplett leer, wir haben keinen Tropfen Sprit mehr da drin."
    Autark ist die Familie, Wasser kommt vom Bunkerschiff, Abwasser landet im Tank und muss alle vier Wochen abgepumpt werden. Felix zeigt mir den Sanitärbereich des Schiffes.
    Sanitärbereich des Schiffes
    - Felix Eisenhardt: "Die nächste Tür ist noch original beschriftet."
    - Frank Capellan: "WC Damen, WC 2".
    - Felix Eisenhardt: "Genau, es gab früher zwei WC‘s für Herren und für Damen. Wenn man vor dem Spülbecken steht, sieht man natürlich direkt, dass man auf einem Schiff ist. Zwei Bullaugen, da kann man schon beim Zähneputzen was sehen. Jetzt luscher ich schon darüber, da geht es ins Schlafzimmer – das ist früher die Messe gewesen, für die Mannschaft, die dort gegessen hat. Genau, das war der größte Raum und heute ist es unser Schlafzimmer und Utas Arbeitsplatz. Arbeitsplatz mit Seeblick. Direkt vom Schlafzimmer aus geht es dann raus auf den Balkon. Die Terrasse, die über uns ist, können wir uns jetzt ja mal ansehen."
    - Frank Capellan: "Das machen wir, dann muss ich mir meine Schuhe holen."
    - Felix Eisenhardt: "Ah! Wir schauen Richtung Westen, auf die Treptowers, die Sonne geht dahinten gerade unter, wir haben Glück, sie ist noch einmal herausgekommen. Besonders schön ist es, wenn die Sonne hinter der Silhouette der Molecule Men untergeht, dann werden die von hinten beleuchtet, das sieht besonders spektakulär aus! Gleich nebenan polnische Frachtschiffe, an diesem Anleger haben Sie sich ein kleines Eckchen ergattert."
    - Frank Capellan: "Das hört sich alles sehr schön an, auf dem Hausboot zu leben, aber einen Liegeplatz zu finden in Berlin, einer Stadt, die ja sehr viel Wasser hat, ist nicht einfach, oder?"
    - Felix Eisenhardt: "Es ist nicht leicht, ja. Der wesentlichste Grund ist, dass Berlin von der Mentalität auf dem Wasser zu wohnen natürlich nicht diese Mentalität hat, wie beispielsweise Amsterdam, wo das überhaupt nichts Besonderes ist. Hier in Berlin ist es eher eine Randerscheinung!"
    Dass das Leben auf dem Fluss etwas ganz Exotisches ist, das spürt auch der jüngste Sohn immer wieder. Der 14jährige Oskar kommt gerade nach Hause, und ist irgendwie nicht wirklich gut drauf. Das spüre ich schnell, als ich ihn von ihm wissen möchte, wie es denn die Klassenkameraden so finden, dass er auf dem Wasser lebt.
    Strom-Probleme
    - Oskar Eisenhardt: "Ganz häufige Frage ist: Ist es im Winter kalt? Die sagen halt schon, muss doch voll cool sein auf dem Boot. Und ich sage dann: Nee, ist manchmal nicht so cool, weil heute zum Beispiel ist der Strom ausgefallen und da durfte ich nix machen. Gar nix. Ich durfte nicht an den Computer."
    - Frank Capellan: "Das ist also das größte Problem, die Stromversorgung für den Computer!"
    - Oskar Eisenhardt: "Ja, weil es war bewölkt, und das ist dann halt blöd. Und mein Vater hat vergessen, Diesel zu kaufen."
    - Frank Capellan: "Was ist denn das Schönste daran, auf einem Hausboot, auf dem Wasser zu leben?"
    - Oskar Eisenhardt: "Man hat halt die Natur um sich, man kann jeden Tag baden gehen, Freunde kommen gern einen besuchen, weil sie es sehen wollen, es macht einfach Spaß, hier drauf zu wohnen!"
    - Frank Capellan: "Also eigentlich vermisst Du nichts? Außer dem Strom für den Computer?"
    - Oskar Eisenhardt: "Ja, heute hat es mich aufgeregt!"
    - Felix Eisenhardt: "Im Grunde ist das Energiethema nicht so dramatisch, wie es sich vielleicht anhört, es ist nur heute so dramatisch, weil wir einfach kein Heizöl mehr im Tank haben, sonst würden wir das Blockheizkraftwerk anmachen, sechs Stunden laufen lassen, und dann wäre die Batterie auch wieder voll."
    Vater Felix unter Druck, so ist das halt, wenn der Strom nicht ganz einfach aus der Steckdose kommt. Danach, wie es sich so auf der "Helene" lebt, fragen immer wieder auch neugierige Spaziergänger, die am Treptower Spreeufer vorbeischlendern. Uta Eisenhardt war es dann irgendwann zu bunt, und sie fasste den Entschluss, dieses besondere Hausbootleben und seine Tücken und Schönheiten für alle nachlesbar in einem Buch niederzuschreiben.
    Buch über das Hausboot-Leben
    "Es war so, dass immer Leute gefragt haben, wenn man erzählt hat, dass man auf einem Hausboot lebt, dann war das immer Stoff für eine Stunde Gespräch, dann gab es manchmal auch Leute, die geklopft haben und gefragt haben, wie es sich denn so auf einem Schiff wohnt, wie kann man es hinbekommen, dass man selber auf einem Schiff leben kann, und der größte Wassersportverlag, der sich mit dem Thema Wasser in allen Lebenslagen auseinandersetzt, die wollten das natürlich sofort haben."
    "Vier Zimmer, Küche, Boot" hat Uta Eisenhardt ihr reichlich bebildertes Werk überschrieben. Zum Abschied blättern wir noch ein wenig darin, das Foto vom Wohnzimmer mit dem Kamin und der Hängematte und dem unglaublichen Blick hinaus auf die Spree, in dem ich gerade sitzen darf, das wird mir besonders in Erinnerung bleiben. Aaah, das kann schon neidisch machen! Draußen fährt gerade die "Sanssouci" vorbei Fahrgastschiff, ich bin überrascht, dass die Wellen, das tonnenschwere Hausboot doch noch zum Schwanken bringen. Und Uta Eisenhardt, nimmt sie das überhaupt noch wahr?
    Besonderes Lebensgefühl
    "Also, es nicht so, dass man denkt ‚oh jetzt schwankt das Schiff‘, aber klar, es gehört mit zum Grundgefühl, dass es immer mal wieder wackelt. Das ist toll, das wollen wir doch!"
    Na klar, das macht es eben aus, das ganz besondere Lebensgefühl auf dem schwimmenden Haus.