An einem Sommertag spiegeln sich malerisch in der Elbe Wolken, Schiffe und die Hausboote der Julius Grube Werft. Die ehemaligen Arbeitsschiffe, ausgestattet mit ein- oder zweistöckigen rotbraunen Aufbauten aus Holz, in denen mit weißer Umrandung Fenster eingelassen sind, wirken wie niedliche, schwimmende skandinavische Reihenhäuser. Manche sind flach in die Länge gebaut und sehen dadurch wie Bungalows aus.
Hausboote – in Amsterdam gehören sie zum Straßenbild, in der britischen Hauptstadt sind die kleinen Kähne schon mal Fluchtburgen für Londoner, die sich die Mieten zu Lande nicht mehr leisten können. Aber wildromantische Erwartungen an ein Leben auf und mit dem Wasser wecken sie in jedem Fall.
Zwischen Romantik und Realität
Auf der Hamburger Werft Julius Grube sind sie allerdings auch eine Enttäuschung, räumt der amtierende Firmenchef Horst Gabriel ein.
"Wir sind ursprünglich angetreten Hausboote zu machen und zu bauen, aber dieser Bereich hat sich nicht so entwickelt, wie wir uns das gedacht haben".
Und Ehefrau Petra erklärt:
"Bislang haben wir viel Umbauten gemacht, Renovierungen gemacht und so solche Sachen. Unsere Neubauten laufen eigentlich neben unserer täglichen Arbeit."
Dabei blickt die Werft auf eine lange Tradition zurück. 1890 durch den Schiffsbaumeister Julius Grube ins Leben gerufen, bauten die späteren Generationen ab 1961 den Betrieb zu einer angesehenen Fluss- und Küstenschiffswerft aus. 2007 übernahm der Maschinenbau-Ingenieur Horst Gabriel zusammen mit seiner Frau Petra die Werft.
"Ich komme selber aus dem Bereich, ich bin gelernter Schiffbauer und war als letztes beschäftigt in einer Baufirma, die Schiffe hatte, und diese Schiffe wurden teilweise hier mit repariert, und irgendwann kam dann diese Frage, ob ich Lust hätte, diesen Betrieb zu übernehmen, weil es keinen Nachfolger gibt."
Das perfekte Hausboot
Acht Angestellte beschäftigt die Werft, ein kleiner Betrieb. Ihr Herzstück ist das Schiffsdock. Über eine kleine Brücke vom Land aus zu erreichen, auf dem Wasser schwimmend, ist es 90 Meter lang und gut 14 Meter breit. Blechwände umhüllen es. Flankiert wird das Dock von rechts und links liegenden Stegen, aufgereiht dümpeln Arbeitsschiffe, Transportschiffe und Hausboote im Wasser, wartend auf Umbau, Reparatur und Reinigung.
Eigentlich hängt Firmenchef Gabriel aber vor allem an der Idee vom perfekten Hausboot-Neubau:
"Wir machen Hausboote nur mit Stahlrumpf. Kein Kunststoff, kein Beton, weil das auch einfach unsere Welt ist, damit können wir umgehen. Weil wir auch glauben, dass das die Zukunft ist."
Auch tüftelt er mit seinen Leuten an dem perfekten Lüftungs- und Isoliersystem. Schwitzwasser und Kondenswasser sollen vermieden werden, der Energiebedarf soll niedrig bleiben. Strom am besten per Solar, fürs Abwasser die bootseigene Kläranlage – Hausboot-Kunden, so weiß der Werftbesitzer, mögen es gerne autonom. Für den kleinen Geldbeutel ist so ein Hausboot-Neubau allerdings nicht gedacht:
"Also, ein kompletter Neubau für meinen Geschmack müsste kosten ungefähr so 280.000, das sind so dann so 50 bis 60 qm, das müsste man eigentlich schaffen können, ansonsten ist es unwirtschaftlich. Wir haben ein Hausboot in Arbeit, da bauen wir schon relativ lange dran, da sind wir auch gar nicht so bestrebt, das ganz fertig zu kriegen, da müssen wir leider landen bei ungefähr 400.000. Wir müssen ja dieses Geld auch ausgeben und dann liegt es hier herum und ich kann es nicht verkaufen, und das wäre natürlich total doof."
Untergegangen im Bürokratie-Dickicht
Grund für solch eine Skepsis hat der Firmenchef. Zwar hat der Hamburger Senat vor neun Jahren eine Initiative zum Wohnen auf dem Wasser gestartet. Heraus kam eine 41-seitige Genehmigungsanleitung für Interessenten, die sich durch die Besonderheiten der landseitigen Zuwegung, durch Schwimmfähigkeitszertifikate oder den Nachweis der Brückengängigkeit durcharbeiten müssen. Wenig erstaunlich, blieb das Interesse gering.
Schade findet man das beim Hamburger Architekturbüro Rost und Niederehe. Architektin Amelie Rost brennt für den Hausboot-Traum und hat auch eine Finanzierungsidee:
"Wir würden wahnsinnig gerne Wohnen auf dem Wasser genossenschaftlich machen. Erstens kann man räumlich spannende Situationen kreieren, mit Kleinstwohnungen, modulartig, mit mehr öffentlichen Zonen, man kann es bezahlbar in einem Genossenschaftsmodell machen, es passt irgendwie von diesem Communitygedanken her, aber es ist einfach so, dass die Objekte auf dem Wasser tatsächlich zum großen Teil über die Erschließung dann da nicht in diese Preisrange kommen, in die wir hinkommen müssten."
Statt Elbe: Themse oder Prinsengracht
Erschließung – neben dem Vorschriften-Dickicht das zweite Problem. Anders als London oder Amsterdam sieht es in Hamburg nicht gut aus mit den direkten Zugängen zum Wasser. Der Hafen, Parks und Privatgrundstücke sind einfach im Weg. Zusätzlich sorgen die hohen Erschließungskosten, wie Abwasserentsorgung, Stromzufuhr und Stege für Schwierigkeiten. Zwar glaubt Firmenchef Gabriels, dass sich der Markt für den Neubau von Hausbooten noch entwickelt. Aber ob das in Hamburg geschieht? Da ist er skeptisch:
"Vielleicht wird es irgendwann mal einen Verein geben, der sich dem Ganzen annimmt, und sagt okay, Stadt Hamburg wir sind hier und wir wollen das umsetzen, wir wollen eine Hausboot-Ortschaft. Dass das dort irgendwie umgesetzt oder gebaut wird, kann ich mir im Moment nicht vorstellen"
Und wenn schon, sagt sich der Hausboot-Bauer. Was nicht auf der Elbe im Wasser landet, schafft es vielleicht auf die Themse oder die Prinsengracht in Amsterdam.