Es wird die voraussichtlich letzte Amtshandlung der zum Ende des Monats scheidenden EU-Kommission unter Kommissions-Präsident Barroso sein: die Annahme der Haushaltsentwürfe der EU-Länder für 2015. Oder eben auch deren Zurückweisung, wenn sie in erheblichem Maße von den geltenden Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts abweichen. Es geht um Haushaltsstabilität UND Wachstum.
"Die Karikatur von der EU-Kommission, die ununterbrochen auf Einsparungen in den Haushalten pocht, stimmt einfach nicht. Wir haben immer auch diejenigen EU-Länder gedrängt, die dafür Spielraum im Haushalt haben, etwas für die Binnennachfrage zu tun", hatte Barroso beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche zum wiederholten Male gesagt - und damit auch Deutschland indirekt angesprochen, ohne es beim Namen zu nennen.
Aber die eigentlichen "Sorgenkinder" sind andere. Fünf Länder hatten nach der Vorlage ihrer Haushaltspläne vor zwei Wochen "blaue Briefe" aus Brüssel erhalten, in denen sie zur Klärung offener Fragen oder zum Nachbessern aufgefordert worden waren: Slowenien, Malta, Österreich, Italien und vor allem auch die zweitgrößte Volkswirtschaft in der EU nach Deutschland: Frankreich. Frankreich ist auf dem Weg, die Vorgaben zum Abbau seines Defizits im Haushalt erneut zu verfehlen. Zum dritten Mal in Folge. Der französische Präsident Hollande betonte Ende der Woche in Brüssel noch einmal, dass für ihn Wachstum die oberste Priorität hat:
"Wachstum muss durch politische Entscheidungen in den Nationalstaaten stimuliert werden. Frankreich wird die begonnen strukturellen Reformen weiterführen - was die Wettbewerbsfähigkeit, den Arbeitsmarkt, die Innovationsfähigkeit angeht. Wir führen darüber mit der EU-Kommission einen positiven Dialog."
Eigene Haushaltsregeln nicht infrage stellen
Die EU-Kommission hätte also eigentlich gar keine andere Wahl, als den Entwurf zurückzuweisen. Das kann sie, das soll sie in dem Falle sogar. Bisher hat sie es noch nie getan. Und wollte ganz sicher nicht unbedingt bei Frankreich damit anfangen. Täte sie es aber andererseits nicht, düpierte sie im Grunde all diejenigen EU-Länder, die mit zum Teil erheblichen Folgeproblemen für die Bevölkerung gezwungen waren oder sind, massive Einsparungen vorzunehmen, weil sie Geld aus den Europäischen Rettungs-Geld-Töpfen bekommen haben – Griechenland, Irland, Spanien, Zypern zum Beispiel:
"Wir können nicht andauernd unsere eigenen Haushaltsregeln infrage stellen. Aber jeder akzeptiert, dass wir die Möglichkeit zur Flexibilität voll ausschöpfen - immer mit Blick auf die spezielle wirtschaftliche Situation, in der wir leben."
Es lief also in den vergangenen zwei Wochen eine Art Poker-Spiel zwischen Brüssel und einigen Hauptstädten - namentlich Paris und Rom: Wer kommt wem wie viel entgegen, ohne Gefahr zu laufen, die eigene Glaubwürdigkeit zu verlieren, gar als "Umfaller" dazustehen, beziehungsweise aus Brüsseler Sicht, seiner übertragenen Aufgabe, über die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zu wachen, nicht nachzukommen. Beide, Paris und Rom, wollten offenbar zuletzt den Eklat vermeiden und haben kurzfristig angekündigt, 2015 gegenüber den ursprünglichen Plänen im Falle Paris circa 4,5 Milliarden und im Falle Roms rund 3,5 Milliarden zusätzlich einzusparen.
Der italienische Regierungschef Renzi gab beim EU-Gipfel zu Protokoll, dass er die ganze Aufregung gar nicht verstehe, weil Italien zwar seine Neuverschuldung erhöhen wolle, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen, aber dabei die dreiprozentige Obergrenze für das Defizit im Haushalt kaum tuschiere. Da ginge es um zu vernachlässigende Größen.
Sicher ist, dass auch die EU-Kommission unter ihrem Präsidenten Juncker, die am Samstag ihre Arbeit aufnimmt, mit diesem Thema noch zu tun haben wird. Aber, machte Barroso seinem Nachfolger Mut: "Mit der nötigen Kompromissfähigkeit ist eine Einigung möglich."