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Haushaltsjahr 2021
Fricke (FDP): "Es wird keine Subvention angepackt"

Mit Blick auf das Haushaltjahr 2021 hält es FDP-Politiker Otto Fricke für richtig, an die Rücklagen zu gehen, die der Bund habe. Gespart werden solle dagegen etwa bei Dienstreisen oder der "unsinnigen E-Autoprämie", sagte Fricke im Dlf. Jetzt die Grundrente einzuführen, sei der falsche Zeitpunkt.

Otto Fricke im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
Otto Fricke, haushaltspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion FDP, Deutschland, Berlin, Bundespressekonferenz
Otto Fricke, haushaltspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion FDP (imago-images / Metodi Popow)
Von Dienstag (8.12.2020) an geht es im Bundestag um die abschließenden Beratungen für das Haushaltsjahr 2021. Ursprünglich wollte Bundesfinanzminister Olaf Scholz 96 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. Diese Zahl hat er noch oben korrigiert. Jetzt sollen es schon 180 Milliarden Euro werden, die der Bundestag per Haushaltgesetz verabschieden soll. Die FDP nennt Scholz bereits "Schuldenkönig" und kritisiert diese Rekordverschuldung.
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Die Alltagseinschränkungen im Zuge der Pandemie seien keinesfalls zu milde, sagte Finanzminister Olaf Scholz im Dlf. Bei der Finanzierung der Kredite sprach sich Scholz für eine höhere Belastung von Spitzenverdienern aus.
"Nicht gegen die Krise ansparen"
Das bedeute aber nicht, dass "eine vernünftige Partei wie die FDP gegen die Krise ansparen" wolle, sagte Otto Fricke, haushaltspolitischer Sprecher der FDP, im Deutschlandfunk.
Der Kritikpunkt der FDP sei vielmehr, nicht alles so zu machen, wie es vor der Krise gewesen sei, sondern man müsse schauen, "auf was kann ich verzichten, auf was soll und muss ich verzichten", sagte Fricke.
Einer der Sparvorschläge der FDP ist, die Grundrente auszusetzen. Fricke stellt es nun so dar: "In dem Falle wäre das ja, dass wir die Grundsicherung im Alter sparen würden, aber genau das machen wir ja nicht." Der FDP-Politiker hält es auch für einen falschen Zeitpunkt, jetzt die Grundrente einzuführen.
"Besser den Sozialstaat stabilisieren"
Man könne natürlich eine neue Leistung einbringen - obwohl man das in 70 Jahren Bundesrepublik noch nicht hatte, die Frage sei aber: Muss man eine solche neue Leistung genau in der Krise anbringen? Besser wäre es den bisherigen Sozialstaat zu stabilisieren, so Fricke.
Ein weiteres Beispiel sei, dass momentan keine Subventionen angepackt würden. "Man muss doch in der Krise sagen, da ist was, das war eine Subvention, die habe ich aus guten Gründen in guten Jahren gemacht, weil ich etwas anschieben wollte. Im Moment konzentriere ich mich aber auf die Unternehmen, auf die Kulturschaffenden, endlich auch auf die Soloselbstständigen."
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Die Finanzhilfen für Unternehmen wegen Corona könnten im kommenden Jahr nicht auf der Basis des Umsatzes weitergehen, sondern müssten auf Basis der Fixkosten erfolgen, sagte Eckhardt Rehberg im Dlf.
"Könnte noch weitere 100 weitere Vorschläge machen"
Es sei jetzt der richtige Zeitpunkt, um an Rücklagen heranzugehen, "Rücklagen, die sich der Finanzminister noch weiterhin genehmigt." Außerdem gespart werden sollte bei Dienstreisen, bei der Öffentlichkeitsarbeit, bei Konferenzen. Bei den Subventionen solle man an die "unsinnige E-Autoprämie rangehen". "Ich könnte noch weitere 100 Vorschläge machen, wenn ich Zeit hätte. Es ist das Kleinvieh, so wie wir das privat auch machen würden", sagte der FDP-Haushaltsexperte.
Auf die Frage, ob die FDP die Unzufriedenheit der Leute im Zuge der Corona-Eindämmungsmaßnahmen abzufischen versuche, damit nicht alles bei der AfD lande, sagte Fricke, es gehe vielmehr um den Diskurs und die Frage: Ist das, was wir bisher gemacht haben, alles richtig gewesen? "Lasst uns darüber reden, wie wir besonders vulnerable Gruppen schützen können. Lasst uns dafür sorgen, dass die Schwächsten geschützt werden", sagte Otto Fricke.

Das Interview im Wortlaut:
Dirk-Oliver Heckmann: Herr Fricke, Sie von der FDP kritisieren die geplante Rekordverschuldung. Die Frage ist: Was ist die Alternative? Würden Sie Arbeitnehmer, die in Kurzarbeit geschickt wurden, das Kurzarbeitergeld wieder abnehmen, oder Unternehmen, die völlig unschuldig von der Krise betroffen sind, über die Wupper gehen lassen, samt ihrer Mitarbeiter?
Otto Fricke: Als Niederrheiner schon gar nicht über die Wupper. Aber, um es klar und deutlich zu sagen: Natürlich nicht! Das ist der Versuch, der auch immer wieder gemacht wird, als wolle eine vernünftige Partei wie die FDP, die natürlich an bestimmten Stellen bei finanziellen Dingen sehr vorsichtig ist, jetzt gegen eine Krise ansparen. Das ist natürlich Quatsch. Man muss klar analysieren – und das muss man nüchtern bei Haushaltszahlen auch machen -, wir befinden uns, wie die Verfassung es auch sagt, in einer Notsituation. Diese Krise, bedingt durch Pandemie und auch durch die zweite Welle, ist eine, die man nur mit Notmitteln bekämpfen kann. Aber – und das ist der Kritikpunkt der FDP – ich muss dann auch nicht einfach sagen, ich mache alles wie es vor der Krise war plus, plus, plus, sondern ich muss genau sagen, auf was kann ich verzichten, auf was soll ich und auf was muss ich verzichten. Genau das hat die FDP gemacht, hat die anderen ein bisschen genervt, weil 527 Änderungsanträge sind auch Arbeit, aber genau das muss man in der Krise tun.
"Grundrente - genau in der Krise einführen?"
Heckmann: Jetzt sagen Sie, es gibt Stellen und Möglichkeiten, wo man auch einsparen kann, um die Schuldenlast nicht so groß werden zu lassen. Einer der Vorschläge, die die FDP macht, ist, die Grundrente auszusetzen. Sollen die Ärmsten an der Krise leiden?
Fricke: Erstens: Die Grundrente – in dem Falle muss man sehen, dann wäre das ja, wenn wir die Grundsicherung im Alter sparen würden, und genau das machen wir nicht. Nehmen wir aber bewusst das Thema Grundrente. Ich kann politisch sagen, ja, ich möchte, obwohl ich das in 70 Jahren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher noch nicht hatte, eine neue Leistung einbringen für diejenigen, die nicht in den Rentenanspruch hineinkommen. Die Frage ist aber doch dann: Muss ich eine solche neue Leistung genau in der Krise einführen, oder muss ich nicht eigentlich in der Krise sagen, wie stabilisiere ich den bisherigen Sozialstaat. Das ist ja politisch eine Position, die man einnehmen kann. Dann muss ich doch sagen: Ja, Leute, wir wollen das, aber sorry, wir haben im Moment andere Aufgaben, nach der Krise.
Heckmann: Das kann man natürlich immer sagen, man hat andere Aufgaben.
Fricke: Nein, nein! – Moment! – Ich sage das ja ganz bewusst. Heute als Parlament sagen wir mit der notwendigen Kanzlermehrheit: Klar, es ist eine Notsituation. Gleichzeitig sagen wir aber, anders als in normalen Zeiten – und das wäre ja die Aufgabe gewesen – führen wir neue staatliche Leistungen ein, die mit der Krise, mit der Corona-Krise nichts zu tun haben. Das ist ein Beispiel.
Das zweite ist – das will ich auch deutlich sagen -, es wird keine Subvention angepackt. Man muss doch in der Krise eigentlich sagen, da ist was, das war eine Subvention, die habe ich aus bestimmten Gründen in guten Jahren gemacht, weil ich etwas anschieben wollte; im Moment konzentriere ich mich auf die Unternehmer, auf die Kulturschaffenden, endlich auch auf die Soloselbstständigen, konzentriere mich darauf, dass die Bereiche Krankheit, Gesundheit und so weiter fahren. Das wären die Aufgaben gewesen.
"Rücklagen, die sich der Minister noch weiterhin genehmigt"
Heckmann: Beispiel? Was würden Sie streichen?
Fricke: An der Stelle gebe ich Ihnen ein weiteres Beispiel. Man geht an Rücklagen heran, zum Beispiel an Rücklagen, die sich der Minister noch weiterhin genehmigt. Das nächste ist, man geht an die Ausgabereste heran. Man geht an die Frage Dienstreisen heran, an Öffentlichkeitsarbeit, an andere Fragen wie Konferenzen. Bei den Subventionen geht man auch an die unsinnige E-Auto-Prämie heran, was nicht heißt, dass man gegen die E-Mobilität ist, sondern das ist eine Subvention, die es nicht bringt. – Ich könnte jetzt, wenn ich die Zeit dazu hätte, die ich nicht habe, noch mehrere hundert Vorschläge machen. Das ist das Kleinvieh, so wie wir das privat auch machen würden.
Heckmann: Dazu haben wir in der Tat nicht genug Raum, um diese vielen Vorschläge aufzudröseln. Aber Sie haben jetzt schon ein paar Punkte genannt. Ihr Parteichef, Christian Lindner, der hat vor einigen Wochen im Bundestag angekündigt, die Zeit der Gemeinsamkeit mit der Regierung sei vorbei. Immer wieder hat er sich da auch als Kritiker der Corona-Eindämmungsmaßnahmen profiliert. Versuchen Sie, Herr Fricke von der FDP, die Unzufriedenheit, die ja ohne Frage bei vielen Menschen vorhanden ist, abzufischen, damit nicht alles bei der AfD landet?
Fricke: Ich versuche, wir versuchen als Liberale, durch den Diskurs, dadurch, dass wir nicht einfach sagen, stimmt schon alles, was in diesem verfassungsrechtlich gar nicht garantierten Gremium von Ministerpräsidenten und Kanzlerin gemacht wird, hingenommen wird, sondern dass wir sagen, lasst uns darüber reden. Lasst uns darüber reden, ob das, was wir bisher gemacht haben, richtig ist. Lasst uns darüber reden, wie wir besonders vulnerable Gruppen schützen, was ja immer mehr rauskommt, was das Wichtige ist. Lasst uns dafür sorgen, dass die Schwächsten geschützt werden und nicht mit pauschalen Maßnahmen, die teilweise widersprüchlich sind, das gemacht wird. Dadurch möchten wir als Liberale erstens Demokratie fördern, weil Diskurs ist das Essentielle von Demokratie. Und zweitens ja, ich gebe es zu: Wir sind eine politische Partei im Wettbewerb, die auch Stimmen haben möchte, und zwar nicht von einem Wähler, der irgendeiner Partei gehört, sondern von dem Wähler und der Wählerin, die nachdenken.
"Menschenleben, wo es nur irgend geht, schützen"
Heckmann: Dieser Diskurs ist natürlich notwendig. Meiner Beobachtung nach wird er ja auch geführt. Aber es ist die Frage, ob da nicht falsche Alternativen aufgemacht werden. Christian Lindner hat am Wochenende gesagt, man hätte zwei Möglichkeiten: Entweder den vollständigen Lockdown (den ja niemand wirklich wolle) oder den Schutz vulnerabler Gruppen. – Machen Sie da nicht falsche Alternativen auf? RKI-Chef Lothar Wieler hat vor Wochen schon darauf hingewiesen, es geht nicht um das entweder/oder; es geht darum, die Vulnerablen zu schützen und die Infektionszahlen zu senken, denn ohne eine Senkung der Zahlen gibt es auch keinen Schutz der Vulnerablen.
Fricke: Ja! Jetzt kommen wir aber genau an den Punkt, nämlich die Frage, wo lege ich die Schwerpunkte. Das ist das Schwierige, in dem sich Politik befindet, und das will ich der Koalition und der Regierung auch zubilligen. Die Aufgabe von Politik ist es, Menschenleben wo es nur irgend geht zu schützen. Gleichzeitig wissen wir aber auch alle im Hinterkopf: Wenn wir das System so runterfahren, dass gar nichts mehr funktioniert, wenn wir in einen Crash gehen würden, weil wir an Stellen unverhältnismäßig das machen, dann wird das genauso für eine Kritik der Politik sorgen. Deswegen sagt die FDP, konzentriert euch auf die vulnerablen Gruppen, sorgt für FFP2-Masken. Übrigens eine der Sachen, wo die FDP im Haushaltsantragsverfahren auch mehr ausgegeben hat. Sorgt für FFP2-Masken, sorgt für mehr Tests, sorgt dafür, dass diese Gruppen klarer sind.
Heckmann: Aber, Herr Fricke, ohne die Senkung der Infektionszahlen, wie sollen die älteren Menschen oder die Menschen mit Vorerkrankungen geschützt werden? Wie würden Sie denn die Infektionszahlen drücken?
Fricke: Erstens sage ich das ganz klar. Ich mache nicht den Politiker, der genau die Lösung hat. Das wäre genau der falsche Versuch, sondern ich sage das, was ich erlebe, was ich in meiner Heimatstadt Krefeld erlebe, wo wir die Zahlen von über 200 Richtung 100 runterbekommen haben, was in vielen Gebieten auch passiert, während es in anderen – wir erleben das gerade leider in Sachsen – runtergeht. Wir müssen genau sehen, wo wir es schaffen, durch richtige Verhaltensweisen, durch Tests diejenigen zu schützen, die am meisten und am stärksten nicht nur von der Frage Infektion betroffen sind, sondern das müssen wir doch ehrlich sagen, es geht primär um die Gruppen, die die höchste Mortalitätsrate haben.
"Warum können wir überall in Kantinen gehen?"
Heckmann: Und ansonsten laufen lassen?
Fricke: Nein, ansonsten nicht laufen lassen. Deswegen ist es ja auch nicht so, dass gesagt wird, alle Maßnahmen sind falsch, sondern genau gucken, welche Maßnahmen passen. Ich gebe immer gerne das Beispiel: Warum können wir überall in Kantinen gehen, das ist weiterhin möglich, aber ein Restaurant kann bis mittags, nicht bis abends, nicht bis nachts, kann nicht unter denselben Maßnahmen aufmachen.
Heckmann: Damit die Leute arbeiten können.
Fricke: Damit die Leute arbeiten können, und damit ist das genau die Abwägung, die die FDP an vielen Stellen die Regierung bittet, auch genau zu treffen.
Heckmann: Betriebe schließen?
Fricke: Moment! – Warum kann dann einer besser arbeiten, wenn er eine Kantine hat, und der andere, der keine Kantine hat, kann es, wenn er dieselben Bedingungen hat, nicht auch? – Nein! Es geht um die Frage einer vernünftigen Abwägung und genau die muss man treffen. Da zu sagen, es gibt wirklich definitiv die richtige Lösung und die falsche, das nicht. Und zu der Frage des Diskurses im Bundestag: Wir werden doch jetzt bei der Frage der Impfung genau wieder die Diskussion bekommen. Da wird es einen Vorschlag geben. Wenn wir den rein in der Exekutive machen, haben wir die Diskussion nicht, denn jede Diskussion erklärt auch, was besser und schlechter ist. Da mag es auch Fehler bei der FDP geben, aber die Behauptung, das was Ministerpräsidenten und Kanzlerin machen ist unfehlbar – Entschuldigung! Das wäre dann im Vatikan und nicht in Berlin.
Corona-Maßnahmen - "Ich würde auch da wieder differenzieren"
Heckmann: Herr Fricke, eine knappe Minute haben wir noch. Gesundheitsminister Spahn bringt stärkere Maßnahmen ins Spiel für nach Weihnachten. Auch Kanzlerin Merkel. Zum Beispiel wird nicht ausgeschlossen, dass die Läden geschlossen werden müssen. Was würden Sie davon halten?
Fricke: Ich würde auch da wieder differenzieren. Ich muss wirklich sehen. Wenn ich Gebiete habe, wo ich es nicht mehr unter Kontrolle habe, dann muss ich an der Stelle härtere heran, im Interesse des Schutzes insbesondere der vulnerablen Gruppen. Aber noch mal: insbesondere der vulnerablen Gruppen.
Wenn ich aber Gebiete habe, in denen es besser läuft – wir gehen ja immer auf die, wo es schlechter läuft -, aber da, wo es besser läuft, dann zu sagen, ich gehe da rein, das wäre unverhältnismäßig und das wäre keine gute Politik.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.