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Haushaltspolitik bei den Sondierungen
"Keine neuen Schulden hat Priorität"

Das Finanzministerium "sollte bei der Union bleiben", sagte CDU-Politiker Eckhardt Rehberg im Dlf im Hinblick auf die Nachfolge des scheidenden Finanzministers Wolfgang Schäuble. Die Union habe in den letzten Jahren gezeigt, "dass keine neuen Schulden und massive Investitionen sich nicht ausschließen."

Eckhardt Rehberg im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Eckhardt Rehberg
    CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg will an der "schwarzen Null" festhalten (picture-alliance / dpa / Bernd Wüstneck)
    Stefan Heinlein: "Lebe wohl" heute im Finanzministerium. Wolfgang Schäuble hat seinen letzten Arbeitstag als oberster Berliner Kassenwart. Bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung übernimmt Kanzleramtschef Peter Altmaier das Amt kommissarisch. Das Erbe von Wolfgang Schäuble - wir haben es gerade noch einmal gehört - ist die schwarze Null. Seit 2014 hatte er einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden gegen alle Ausgabenwünsche seiner Kabinettskollegen zäh verteidigt.
    In dieser Woche beginnen die Jamaika-Unterhändler mit dem Kassensturz. Dann geht es auch um die finanzielle Umsetzung der milliardenschweren Wahlversprechen von Union, FDP und Grünen. Darüber möchte ich jetzt reden mit dem CDU-Haushaltsexperten Eckhardt Rehberg. Guten Morgen, Herr Rehberg.
    Eckhardt Rehberg: Guten Morgen.
    Heinlein: Vermissen Sie Wolfgang Schäuble schon jetzt?
    Rehberg: Er ist ja jetzt noch ein paar Stunden da und ich glaube, wenn er morgen als Bundestagspräsident gewählt wird, dann wird ihn im Sinne von Vermissen keiner vermissen. Das ist ein neues, ein wichtiges Amt für vier Jahre. Aber er war, wie Sie in Ihrer Anmoderation gesagt haben, verlässlich. Er hat klare Positionen bezogen. Und er war mitnichten, wie Herr Lindner von der FDP meint, die verlängerte Werkbank des Kanzleramtes. Die deutsche Haushalts- und Finanzpolitik und auch die Europapolitik, die wird Wolfgang Schäuble schon vermissen, ja.
    "Es geht um Generationengerechtigkeit"
    Heinlein: Wird es denn schwerer ohne Wolfgang Schäuble, die schwarze Null, sein Erbe zu verteidigen? Heute wird in einigen Zeitungen bereits gemeldet, dass auf Seiten der Union es genau diese Sorge gibt.
    Rehberg: Natürlich haben wir Haushälter nicht erst heute die Sorge, sondern auch bei der Debatte um den Haushalt 2017 haben wir deutlich gemacht, dass wir zum Beispiel in den nächsten Jahren als Bund viele Umsatzsteuerpunkte an Länder und Kommunen abgegeben haben und dass die prognostizierten Steuer-Mehreinnahmen viel mehr bei Ländern und Kommunen zu Buche schlagen werden als beim Bund. Das sieht man auch aktuell. Der Bund hat ein Minus Ende August von gut zwölf Milliarden, währenddessen die Länder einen Überschuss haben von zehn Milliarden, und scheinbar hat der eine oder andere uns nicht richtig zugehört.
    Heinlein: Was hören Sie denn aus den Sondierungsgesprächen, Herr Rehberg? Will man die schwarze Null beibehalten, oder liebäugelt man mit neuen Schulden, um Politik zu gestalten und dann diese diversen Wahlversprechen auch einzulösen?
    Rehberg: Ich gehe davon aus, dass keine neuen Schulden Priorität hat. Nicht nur, weil die schwarze Null so ein Fixum ist, sondern hier geht es aus meiner Sicht um Generationengerechtigkeit. Es geht um Verlässlichkeit und in diesem Kontext steht auch, dass wir die Maastricht-Kriterien einhalten wollen, das heißt im Jahr 2019 nur noch 60 Prozent Gesamtverschuldung haben wollen, und dass auch die Schuldenbremse eingehalten wird. Alle drei Punkte, die ich angesprochen habe, sind keine Selbstgänger.
    Wahlversprechen: "Da werden bestimmte Dinge nicht gehen"
    Heinlein: Nun meldet die "FAZ" heute Morgen auf Seite eins, Union, FDP und Grüne sind sich einig über die schwarze Null. Das müsste Sie enorm beruhigen.
    Rehberg: Wenn das nachher im Koalitionsvertrag steht, dann wäre ich als Haushaltspolitiker beruhigt, ja.
    Heinlein: Kann man denn Wahlversprechen, wie etwa von Ihrem Koalitionspartner, der CSU, die Mütterrente, umsetzen und auch Sozialleistungen, wie die Grünen fordern für Alleinerziehende und Mütter? Kann man das umsetzen ohne neue Schulden?
    Rehberg: Wir haben nach unserer Prognose - und das wird auch geteilt vom Bundesfinanzministerium und auch wirtschaftlichen Forschungsinstituten - einen Spielraum von rund 30 Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode. Gut, wir müssen jetzt die November-Steuerschätzung abwarten, ob die noch etwas günstiger ausfällt. Aber ich habe schon darauf hingewiesen, dass das zukünftige Steuerplus eher bei den Ländern und Kommunen landen wird. Dann kann jeder rechnen, was in der Legislaturperiode mit 30 Milliarden Euro mehr an Spielraum geht, und da werden bestimmte Dinge eben nicht gehen.
    Heinlein: Was geht denn zum Beispiel nicht, die Mütterrente?
    Rehberg: Die Mütterrente würde massiv zu Buche schlagen. Wenn ich die FDP-Wünsche zusammenzähle, dann bin ich bei 180 Milliarden, bei den Grünen bei rund 150 Milliarden Euro. Und ich denke, da muss jeder der drei Partner für sich Prioritäten setzen. Es war auch klug, in der vergangenen Legislaturperiode, sich auf prioritäre Maßnahmen zu einigen, damals 23 Milliarden. Wenn sich zusätzliche Spielräume ergeben - das haben wir dann auch getan -, wenn ich an das zehn Milliarden Euro Zukunfts-Investitionspaket denke, oder dass wir noch im Frühjahr diesen Jahres das kommunale Investitionsprogramm, das zweite Paket für die Sanierung von Schulen von 3,5 Milliarden realisieren konnten, das muss man dann zu dem Zeitpunkt entscheiden.
    Mütterrente: "Sieben Milliarden Euro pro Jahr"
    Heinlein: Die Mütterrente schlägt massiv zu Buche, haben Sie gesagt. Die Mütterrente wird nicht gehen ohne neue Schulden?
    Rehberg: Die Mütterrente würde, wenn wir den dritten Punkt nehmen, mit rund sieben Milliarden Euro pro Jahr zu Buche schlagen.
    Heinlein: Geht sie ohne neue Schulden oder nicht? Was meinen Sie?
    Rehberg: Man muss sich dann auf Prioritäten einigen an der Stelle. Wenn wir rechnen, vier mal sieben sind 28 Milliarden - wenn ich mich nur auf die Mütterrente vereinbaren würde, dann wird das gehen, ja.
    Heinlein: Aber Sie wollen ja noch andere Dinge umsetzen in der Jamaika-Koalition, zum Beispiel die Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Das ist ein ehrgeiziges, ein gemeinsames Ziel. Aber sollte man sich darauf einigen und die Mütterrente und andere Dinge dann vergessen?
    Rehberg: Ja gut, den Soli will ab 2020 die FDP komplett abschaffen. Das wäre eine Steuermindereinnahme für das Jahr und für die Folgejahre von 20 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt. Wir wollen einen stufenweisen Abbau, das ist ein ganz anderer politischer Ansatz. Hier kann man der FDP nur sagen, wer sagt, das ist eine rote Linie, der muss dann mal in den Bundeshaushalt gucken. Eine komplette Abschaffung im Jahr 2020 von 20 Milliarden, das würde dann neue Schulden bringen.
    Heinlein: Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Rehberg, es wird noch ganz schön zur Sache gehen in den Koalitionsverhandlungen, in den Sondierungsgesprächen um diese schwarze Null, um einen ausgeglichenen Haushalt?
    Rehberg: Haushälter sind gelegentlich in Zahlen verliebt, aber Zahlen sprechen dann auch die Wahrheit. Dann muss man sich mit den entsprechenden Zahlen befassen. Ich kann nur noch mal deutlich machen: Wir haben gemeinsam mit der FDP zwischen 2009 und 2013 massiv Schulden abgebaut, und deswegen machen wir seit 2014 keine neuen Schulden mehr. Und die Schuldenbremse steht im Artikel 115 Grundgesetz.
    "Ein Umsetzungsproblem, kein Finanzierungsproblem"
    Heinlein: Warum, Herr Rehberg, sind denn Schuldenabbau und ein ausgeglichener Haushalt wichtiger als etwa Investitionen in Bildung, Forschung oder die marode Infrastruktur an vielen Stellen, die es ja gibt, nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch bei uns im Westen?
    Rehberg: Wir haben gezeigt in den letzten Jahren, dass keine neuen Schulden und massive Investitionen sich nicht ausschließen, und auch nicht Wirtschaftswachstum. Ich will nur ein paar Punkte benennen. Erstens: Wir haben ein sieben Milliarden Paket für Kommunen. Davon ist bisher fast noch nichts abgeflossen. Es stehen noch 1,7 Milliarden bereit für den Kita-Ausbau. Auch hier haben wir einen schlechten Abfluss. Es stehen insgesamt 4,4 Milliarden für den Breitbandausbau bereit. Hiervon sind erst rund die Hälfte gebunden und auch fast nichts abgeflossen. Und zur maroden Infrastruktur: Wir haben doch heute eher das Problem, dass wir das Geld nicht umsetzen aufgrund von mangelnder Planung, von nicht vorhandenem Baurecht, als dass wir das Geld ausgegeben kriegen. Wir haben eher ein Umsetzungsproblem, als dass wir ein Finanzierungsproblem haben.
    Heinlein: Wird da die Jamaika-Koalition, wenn sie denn kommt, tatsächlich Pflöcke einschlagen und endlich das Geld investieren, das da ist?
    Rehberg: Ich hoffe, dass wir Wege finden, miteinander zum Beispiel beim Baurecht, beim Planungsrecht, dass das Geld schneller abfließt, und nicht gerade die Grünen kommen mit neuen bürokratischen Hürden, mit höheren Standards. Wenn man heute vor Ort rausgeht und sich mit denjenigen unterhält, die beim Breitbandausbau vorankommen wollen, dann behindert ein sehr, sehr kompliziertes Bau- und Planungsrecht diese Aufgabe.
    Bundesfinanzministerium war "bei Schäuble in guten Händen"
    Heinlein: Herr Rehberg, wäre denn das Bundesfinanzministerium bei der FDP in guten Händen? Dort hat man ja bereits die Finger für dieses Ressort gehoben.
    Rehberg: Ich kann nur sagen, dass das Bundesfinanzministerium bei Wolfgang Schäuble und der Union in den letzten acht Jahren in sehr guten Händen war.
    Heinlein: Aber Wolfgang Schäuble macht ja nicht weiter.
    Rehberg: Es war in Persona Wolfgang Schäuble in sehr guten Händen und es war auch bei der Union in sehr guten Händen.
    Heinlein: Es muss bei der Union bleiben?
    Rehberg: Es sollte bei der Union bleiben, ja.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.