Hauskreise gibt es in vielen Gemeinden, egal ob landeskirchlich geprägt oder freikirchlich. Johannes Schumacher ist Pastor einer freien evangelischen Gemeinde im Potsdamer Norden. Er kommt ursprünglich aus Bielefeld und betreut die kleine Gemeinde mit ihren gut 60 Mitgliedern.
"Hier hat man die Gelegenheit, über einen Bibeltext, über ein Thema miteinander ins Gespräch zu kommen. Intensiver und ausführlicher, es können Rückfragen gestellt werden. Antworten werden gegeben, manchmal gibt es auch keine Antworten, aber man ist mal richtig dran an einem christlichen, biblischen Thema und nimmt sich einfach mal mehr Zeit - Zeit, die man sonst nicht hat. Und man guckt mit fünf, sechs, sieben Leuten aus verschiedenen Blickrichtungen mal da drauf. Und die Antworten sind dann ganz unterschiedlich."
Familiäre Atmosphäre
Johannes Schumachers Hauskreis findet wöchentlich statt - an zwei verschiedenen Orten. Es herrscht eine familiäre Atmosphäre - auch bei der Arbeit an einem Bibeltext. Viele Hauskreise enden mit einem Gebet - ein wichtiger Bestandteil charismatisch geprägter Frömmigkeit.
"Ich merke einfach, dass in dem Hauskreis die Teilnehmer einfach sich trauen auch Fragen zu stellen. Einfach mit ihren Zweifeln zu kommen, auch mit Schönem und dem Leid, das sie erleben. Es ist aber manchmal auch so, dass gar nicht alles in die große Runde gehört. Am Rande des Hauskreises gibt es immer noch Gespräche. Und ja, alles in einer großen Freiheit."
Ein weltweites Phänomen
Der Hauskreis von Pastor Schumacher, in dem sich regelmäßig ein knappes Dutzend Gemeindeglieder treffen, ist nur ein Beispiel. Die Vielfalt christlicher Hauskreise ist groß, sie beschränken sich nicht aufs evangelische Milieu und sind nicht auf Europa beschränkt. Sie sind vielmehr ein weltweites Phänomen und durchaus auch im katholischen Milieu zu finden. Und doch sind sie in ihren Ursprüngen eng verknüpft mit der Geschichte des Protestantismus. Und das nicht ohne Grund. Schließlich sprach schon Martin Luther vom Priestertum aller Gläubigen, von der Auffassung, ein jeder, auch ein Laie, könne etwa die Bibel auslegen.
Reinhard Hempelmann ist Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin:
"Es ist eine Wahlgemeinschaft auf Zeit. Es ist ein möglicher Ort von Glaubensvergewisserung, von intensiver Gemeinschaftserfahrung, ein Ort, wo spezifische Formen von Seelsorge vorkommen können und wo sich bestimmte Frömmigkeitsformen in besonderer Intensität auch formieren können."
Hempelmann hat einen kritischen Blick auf das, was sich jenseits der etablierten Kirchen tut:
"Es gibt Gemeinschaften, auch freikirchliche Gemeinschaften, die gewissermaßen zu ihrem Profil Hauskreisarbeit pointiert dazu zählen, das auch als Strategie des Gemeindeaufbaus einsetzen; und es gibt, das muss man sich heute auch klar machen, neben den klassischen etablierten Freikirchen auch zahlreiche neue freikirchliche Gemeinschaftsbildungen und für viele ist das ein wesentliches Prinzip ihrer Organisiertheit und die Mitglieder der meisten Gemeinden sind dann auch Mitglieder in Hauskreisen."
Gefahr des Machtmissbrauchs
Weil Hauskreise meist informell sind und vielfach von Laien geführt werden, werden sie öffentlich kaum wahrgenommen.
"Man muss sich schon im Klaren sein, dass erstens dieses Phänomen sehr vielgestaltig sein kann. In vielen Hauskreisen ist es schon so, dass Bibelarbeit, der Austausch, das gemeinsame Verständnis auch einzelner biblische Texte eine wichtige Rolle spielen."
Aber gerade die Intimität dieser Foren birgt mitunter eine Tendenz zum Machtmissbrauch. So finden sich im Internet auch Websites, die Hilfe anbieten für Menschen, die in Hauskreisen Verletzungen erfahren haben: etwa durch psychische Kontrolle.
"Also dieses Thema ist auch in charismatischen, auch in evangelikalen Bewegungen durchaus sehr präsent. Und wie geht man um mit Menschen, die eine bestimmte Frömmigkeitsform zeitweilig praktizieren, dann ganz bewusst verletzt, enttäuscht auch weggehen oder aus einer Freikirche austreten und als verletzt, vereinnahmt diese Freikirche verlassen? Das alles sind Themen, die in der kirchlichen Praxis immer wieder eine Rolle spielen. Von daher erscheint es mir auch notwendig zu sein, dass Hauskreisarbeit eingebunden bleibt in ein größeres Ganzes."
"Es ist wichtig, zuzuhören"
Hauskreise sind unter vielen Christen populär. Ein sensibles Feld. Denn dort, wo Menschen sich so weit öffnen, sind sie angewiesen auf ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl, vor allem ihrer Leiter. Pastor Johannes Schumacher:
"Es ist ganz wichtig zuzuhören und dann zu sagen, ich denke mal, für dich wäre jetzt etwas Fachliches dran und da sind wir auch ganz gut vernetzt, wir haben Menschen, Therapeuten und Ärzte, die weiterhelfen können - und da ist es auch wichtig, dass man das weitergeben kann. Wir denken, dass wir zunächst oft die erste Hilfe geben und dann folgt eine zweite, dritte."