Die Popularität von Haustieren ist in Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten extrem gewachsen. 2022 lebten 34,4 Millionen Tiere in deutschen Haushalten – das waren über elf Millionen mehr als noch 2007. Katzen sind am beliebtesten (15,2 Millionen), danach folgen die Hunde (10,6 Millionen).
Doch manchmal geht die Liaison zwischen Mensch und Tier auch zu Ende. Dass Halter sich von ihrem Tier wieder trennen, hat sehr unterschiedliche Gründe. Es landet dann oft im Tierheim, wo versucht wird, ein neues Zuhause für das Tier zu finden. Doch die meisten Heime haben kaum noch Platz für Neuzugänge – schon seit geraumer Zeit dringen sie auf Entlastung.
Wie sieht die Situation in den Tierheimen aus?
Die Situation in deutschen Tierheimen ist schon seit längerer Zeit kritisch. Nach Angaben des Deutschen Tierschutzbunds sind zwei Drittel der Tierheime permanent voll, der Rest hat nur noch geringe Aufnahmekapazitäten. Immer mehr Tiere blieben länger, bis sie vermittelt werden können, klagt Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder. Zugleich fehle Personal und Geld.
Beim Berliner Tierheim beispielsweise meldeten sich 2023 rund 3700 Halter, die ihr Tier abgeben wollten. Das Jahr zuvor waren es insgesamt rund 3000 Anfragen gewesen. „Wenn wir alle Anfragen, die bei uns ankommen, angenommen hätten, wären wir bei einem Stand von über tausend Hunden“, sagt Tierheimleiterin Mareen Esmeier.
Jedes Jahr werden Hunderttausende Tiere aufgenommen
Genaue Zahlen zu den deutschlandweit in Heimen untergebrachten Tieren gibt es nach Angaben des Tierschutzbunds nicht, weil sie nicht zentral erfasst werden. Hochrechnungen zufolge werden jährlich rund 350.000 Tiere neu in den – ebenfalls geschätzt – rund 1400 Tierheimen aufgenommen.
Gleichzeitig werden rund 240.000 Tiere vermittelt oder adoptiert. Zu den aufgenommenen Tieren zählen auch Fundtiere, die zum Teil wieder an ihre Besitzer zurückgegeben werden können; für die also kein neuer Halter gesucht werden muss. Durchschnittlich bleiben Hunde zwei bis sechs Monate, Katzen zwei bis drei Monate und Ziervögel meist bis zu vier Wochen im Tierheim.
Welche Ursachen gibt es für die Probleme?
Eine der Ursachen für die Probleme der Tierheime liegt in der Coronapandemie. Die extreme Einschränkung von sozialen Kontakten unter Menschen führte unter anderem zur vermehrten Anschaffung von Haustieren. 2020 lebten mit knapp 35 Millionen rund eine Million Tiere mehr in deutschen Haushalten als in den Jahren zuvor. Doch besonders die neuen Besitzer von Hunden waren nicht selten überfordert – auch, weil viele Hundeschulen während der Pandemie schließen mussten.
Momentan wird die Haltung von Tieren zudem immer mehr zu einer finanziellen Frage – denn seitdem im November 2022 eine neue Gebührenordnung für Tierärzte in Kraft getreten ist, sind viele Behandlungen und Eingriffe deutlich teurer geworden.
Tierschutz: Betreuung von chronisch kranken Tieren
Im Raum Stuttgart koste die Kastration einer Katze mindestens 200 Euro, bei einer Hündin müsse man mit 1000 Euro rechnen, sagt Ursula Gericke, Leiterin des Tierheims Ludwigsburg: „Das ist Wahnsinn.“ Wenn ihr Tier erkrankt, bleibt für Menschen mit geringem Einkommen als einzige Lösung oft nur das Tierheim. Für viele chronisch kranke Tiere ist es die Endstation.
Und schließlich gibt es als Dauerproblem den Umstand, dass nicht alle Menschen auch geeignet sind, ein Tier zu halten. Besonders vor den Ferien werden Tiere oft in den Heimen abgegeben – oder auch einfach ausgesetzt. Die Lage der Tierheime spiegele wie in einem Brennglas die Probleme in der Heimtierhaltung wider, sagt die Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari.
Wie finanzieren sich Tierheime?
Personal, die medizinische Behandlung von Tieren, Unterhalt und Pflege der Gebäude, Energie, Verwaltung und Futtermittel: Das alles kostet viel Geld, das Tierheim in Bremen benötigt im Jahr mehr als zwei Millionen Euro.
Die Fundtierverwahrung ist eigentlich eine verpflichtende Amtsaufgabe der Kommunen. Einige unterhalten dafür ein eigenes Tierheim, in Niedersachsen beispielsweise Stade und Wolfsburg. Doch das ist die große Ausnahme. In den meisten Städten und Landkreisen in Deutschland profitiert die öffentliche Hand davon, dass Tierfreunde Heime in Eigenregie betreiben.
Die Kommunen tragen nur einen Teil der Kosten
Diese Heime können den Kommunen eine Dienstleitung - die amtliche Verwahrung von Tieren - anbieten, wofür sie dann auch bezahlt werden. Die Höhe der Bezahlung orientiert sich aber zumeist nicht an der Anzahl der Fundtiere, sondern an der Einwohnerzahl der betreffenden Kommune. Laut dem Deutschen Tierschutzbund übernehmen die Kommunen auf diese Weise etwa ein Drittel der Gesamtkosten. Andere Schätzungen liegen noch darunter.
Den Rest der Kosten müssen die Heime selbst aufbringen, vor allem über Gebühren, Mitgliedsbeiträge, Spenden und Nachlässe. Menschen, denen Tiere ans Herz gewachsen sind, finanzieren auf diese Weise zum großen Teil eine staatliche Aufgabe und entlasten so die Kommunen.
Was fordern die Tierheime?
Mit einem Brandbrief haben sich die Tierheime im Sommer 2023 an die Bundesregierung gewandt. Sie fordern, das Finanzierungssystem zu ändern, damit sie für geleistete Dienste auch wirklich bezahlt werden - und zusätzlich neue Regeln und Gesetze, damit grundsätzlich weniger Tiere im Heim landen.
Dazu gehört beispielsweise ein Sachkundenachweis für alle, die sich einen Hund anschaffen wollen. Die Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari kann sich eine Registrierungspflicht für Hunde und Katzen vorstellen.
Der Deutsche Tierschutzbund wiederum hat vorgeschlagen, einmalig die Hälfte der Hundesteuer an die Tierheime auszuschütten. 2022 gab es bei der Steuer mit 414 Millionen Euro bundesweit einen Rekord.
Können die Tierheime auf Hilfe hoffen?
Doch die Erfolgsaussichten für die Forderung der Tierheime sind schlecht, die Einnahmen aus der Hundesteuer flössen in den allgemeinen Haushalt der Kommunen und seien daher nicht zweckgebunden zu verwenden, heißt es aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Weder Bund noch Länder noch Kommunen sähen sich in der Verantwortung, für die Kosten der Tierheime aufzukommen, kritisiert Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder. Laut Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung soll geprüft werden, ob eine Stiftung die Tierheime unterstützen könnte. Bislang gibt es aber noch kein Ergebnis, so das Bundeslandwirtschaftsministerium.
Maßnahmen gegen den illegalen Welpen-Handel
An anderer Stelle hat die Politik inzwischen reagiert, so soll der Online -Handel mit Tieren zwar nicht verboten, aber zumindest stark eingedämmt werden. Eine entsprechende Bundesratsinitiative hat die schleswig-holsteinische Landesregierung auf den Weg gebracht.
Ziel ist vor allem, den illegalen Welpen-Handel zu verhindern. Auch Spontankäufe, wie sie im Netz stattfinden, sind keine gute Idee, wissen Tierschützer. Denn Tiere, die schnell gekauft wurden, enden häufig auch schnell wieder im Heim.
ahe