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Haute Couture aus Papier

Ob Coco Chanel oder Gewänder des elisabethanischen Zeitalters - die Brüsseler Künstlerin Isabelle de Borchgrave produziert all das aus einfachem weißen Papier und bemalt es später. Zurzeit bekleiden ihre Werke Figuren in der Berliner Ausstellung "Friederisiko" zum 300. Geburtstag von Preußenkönig Friedrich dem II.

Von Susanne von Schenck |
    Für Isabelle de Borchgrave ist das der Stoff, aus dem sie Träume realisiert: Papier. Eine dicke, große Rolle mit einfachem weißen Schnittmusterpapier steht in ihrem Atelier im Brüssler Stadtteil Ixelles. Gut siebzehn Stunden und hundert Meter dieses scheinbar banalen Materials braucht sie, um daraus eine Haute Couture Robe zu machen.

    "Es kommt einem absurd vor, aber das ist es nicht. Wenn Sie schlichtes Material in den Händen haben, können Sie es nur verschönern. Es ist wie ein erstes Spielzeug: Wenn Sie einem Kind ein Stück Papier geben, wird es in jedem Fall etwas damit machen: es bemalen, zerreißen, einen Hut draus machen, was auch immer."

    Isabelle de Borchgrave: Ende fünfzig, gewelltes Haar, groß, selbstbewusst. Vor einem Jahr bezog sie ihr neues Atelier in einem etwas angegammelten Brüssler Hinterhof. Eine Galerie im Erdgeschoß gehört dazu, und das alte Backsteinhaus daneben wird gerade zum Wohnhaus für sie und ihren Mann Werner umgebaut.

    "Wir haben eine Garage gekauft mit viel Platz. Dann haben wir überlegt, wie wir das umbauen könnten. Mein Traum ist es, im Atelier zu leben, abends nach dem Essen noch mal in der Bibliothek zu stöbern, die Arbeit des nächsten Tags vorzubereiten. Also etwas sehr Ganzheitliches."

    Sechzehn vorwiegend weibliche Mitarbeiterinnen sind bei Isabelle de Borchgrave beschäftigt, die meisten sind Designerinnen aus der Haute Couture. Die Chefin hingegen ist Autodidaktin.

    Mit 14 Jahren verlässt sie die Schule, mit 21 eröffnet sie eine Modeboutique. Zur Mode aus Papier kam sie eher zufällig, sagt ihre Tochter Pauline. Sie arbeitet im Atelier mit und zeigt auf ein nachtblaues Cape an der Wand.

    "Sie hatte solche Kostüme für meinen Bruder und mich gemacht, als wir sechs und acht Jahre alt waren. Uns nervte das: Wir waren wie kleine Engel zurechtgemacht. Das hier ist also ihr erstes Kostüm, und ich finde es schon sehr schön."

    Stoffe aus Papier, Farben, Muster – das ist die Welt der Isabelle de Borchgrave. Zerschneiden, bemalen, drapieren, plissieren, verzieren –bis Papier wirkt wie Brokat und Damast, wie feine Seide, weicher Samt oder edelste Spitze.
    Die Ideen der Künstlerin kommen häufig aus der Malerei, zum Beispiel von Gemälden der Renaissance – wie man an ihren Figurinen der Medicis oder Botticellis "Flora" sieht. Manche sind Nachbildungen aus Sergej Diaghilews russischem Ballett. Bei anderen waren Kreationen des spanischen Künstler Mariano Fortuny Vorbild. Eine Mitarbeiterin:

    "Das Papier ist plissiert und hat kleine Bordüren aus Perlen. Jetzt restauriere ich sie, denn die Figur wird in den USA ausgestellt. Ich bemale die Puppe, schaue, ob es irgendwo kleine Löcher gibt, bessere die Falten aus. Aber in der Regel sind die Figuren in sehr gutem Zustand."

    Isabelle de Borchgraves Auftraggeber sind meist Museen. Aber manche Gewänder werden auch von Privatkunden bestellt. So ließ sich die belgische Königinmutter Fabiola für eine Hochzeit ein helles Kostüm aus Papier anfertigen – im Atelier hängt davon ein Photo.

    "Ich mache auch Kleider für Hochzeiten, vor allem Schleier. Der Hochzeitstag selbst dauert ja nur ein paar Stunden, und da passt ein Kleid aus Papier doch gut. Man kann es bemalen, und das ist viel lustiger, als das übliche weiße Kleid aus Mousseline, das langweilig wie eine Gardine fällt."