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Hautkrebs
Die dunkle Seite des Sonnenlichts

Die Risikofaktoren für den äußerst aggressiven Schwarzen Hautkrebs sind längst bekannt: zu lange Sonnenbäder begünstigen Mutationen in den Hautzellen. Eine Studie in der Wissenschaftszeitschrift "Science" überrascht nun. Ihr zufolge löst UV-Licht auch noch Stunden später kritische Erbgut-Schäden aus.

Von Volker Mrasek | 20.02.2015
    Palmen vor blauem Himmel und Sonnenschein
    Bisher ging man davon aus, dass ultraviolettes Licht nur dann Mutationen im Erbgut auslöst, wenn man der Sonne ausgesetzt ist. Offenbar weit gefehlt. (Jan-Martin Altgeld )
    Die UV-Strahlung der Sonne hat eine bisher unbekannte dunkle Seite. Offenbar kann sie auch noch lange nach einem intensiven Sonnenbad die Erbsubstanz DNA in Hautzellen schädigen und so das Krebsrisiko erhöhen. Eine verblüffende Entdeckung! Davon berichten jetzt Forscher aus Japan, Brasilien, Frankreich und den USA jetzt berichten.
    Bisher ging man davon aus, dass ultraviolettes Licht nur dann Mutationen im Erbgut auslöst, wenn man der Sonne ausgesetzt ist. Innerhalb von winzigen Sekunden-Bruchteilen. Doch offenbar ist das auch Stunden später noch der Fall, wie sich jetzt herausstellt. In einer verzögerten chemischen Reaktion, bei der Melanin eine Hauptrolle spielt - das braune Pigment in unseren Haut- und Haarzellen. Der Biophysiker Douglas Brash, Leiter der neuen Studie und Professor am Klinikum der Yale-Universität in New Haven in den USA:
    "Von Melanin nimmt man an, dass es die UV-Strahlung der Sonne abfängt, bevor sie die DNA in den Hautzellen erreicht, und uns so vor Krebs schützt. Das macht Melanin auch tatsächlich! Aber es gehen noch andere, bisher unbekannte Reaktionen ein. Und dabei erzeugt Melanin ganz ähnliche Schäden wie die, die es eigentlich zu verhindern versucht."
    Eine paradoxe Sache! Aber Douglas Brash und seine Kollegen konnten das Ganze jetzt nachweisen. In Experimenten mit Melanozyten von Mäusen und Menschen - also mit jenen Hautzellen, die Melanin produzieren. Die Forscher bestrahlten sie mit UV-Licht. Dabei fiel ihnen auf, dass in den Zellen auch Stundenda noch DNA-Schäden auftraten.
    Die chemische Reaktion dahinter läuft offenbar mehrstufig ab: Entscheidend ist, dass die UV-Strahlung bestimmte Enzyme in den Zellen aktiviert. Alles weitere läuft lichtunabhängig. Es entstehen Sauerstoff- und Stickstoff-Verbindungen, die sehr reaktiv sind. Sie versetzen das Melanin in einen angeregten Zustand. Das Pigment gibt seine Energie am Ende wieder ab - und schädigt die DNA in den Hautzellen.
    "Ganz ähnliche Prozesse laufen bei Glühwürmchen und Quallen ab und lassen diese Tiere nachts leuchten. Das ist bei Melanin und den Hautzellen natürlich anders. Sie leuchten ja nicht! Bei ihnen fließt die Energie stattdessen in das Erbmaterial und löst dort Schäden aus - noch lange nach der Anregung durch das UV-Licht. Wir schätzen, dass die Hälfte der DNA-Schäden durch Sonnenbäder erst dann auftritt, wenn man den Strand längst verlassen hat und im Auto nach Hause sitzt."
    Möglicher Schutz: eine Après-Lotion mit besonderen Zusätzen
    Welcher Anteil der Sonnenstrahlung verursacht überhaupt Schwarzen Hautkrebs? Diese Frage ist noch nicht endgültig beantwortet. Ist es nur das energiereichere UV-B-Licht, das den Erdboden erreicht? Oder auch die schwächere UV-A-Strahlung? Bräunungsstudios werben oft damit, dass ihre Sonnenliegen angeblich nur harmloses UV-A abgeben.
    In den Zellkulturversuchen der Forscher war es jedenfalls so, dass auch das energieärmere UV-A-Licht imstande war, Melanin anzuregen und die DNA auf diesem Weg zu schädigen. Durch die neue Studie könnte also die Diskussion über das Krebsrisiko durch Sonnenstudio-Besuche noch einmal aufflammen.
    Biophysiker Brash macht sich derweil schon Gedanken darüber, wie man es vielleicht verhindern könnte, dass die Haut auch noch Stunden nach dem Sonnentanken Schaden nimmt. Die Idee: eine Après-Lotion mit besonderen Zusätzen.
    "Man könnte solchen After-Sun-Lotionen Schutzstoffe zusetzen, die die Energie des angeregten Melanins einfach in Wärme umwandeln. Wir wissen, dass sich langkettige Moleküle dafür eignen. Nur müssen sie auch durch die Haut kommen und verträglich sein. Man hätte dann praktisch eine zweite Chance, DNA-Schäden in der Haut zu vermeiden, da Sonnenschutzcremes in der Regel nicht das ganze UV-Licht abblocken."
    Auch dazu könnte die neue Studie von Douglas Brash und seinen Kollegen führen: dass nun verstärkt nach solchen Zusätzen für Après-Lotionen gefahndet wird.