Häufig aber vergleichsweise harmlos. Auf diesen Nenner lassen sich die Statistiken zum Hautkrebs bringen. Obwohl der Hautkrebs unangefochten die Nummer 1 unter Krebserkrankungen ist, gehen nur ein Prozent der Krebstoten auf sein Konto. Grund dafür: Die ganz große Mehrheit der krankhaften Hautveränderungen gehören zu den sogenannten weißen Hautkrebsformen, die nur in extrem seltenen Fällen tödlich verlaufen.
Und das Melanom, der gefährliche schwarze Hautkrebs, ist sehr selten. Lediglich 5 von 10.000 Untersuchten haben ein Melanom. Die Diagnose Hautkrebs bekommen aber 5,7 Prozent derjenigen, die einen Hautcheck machen lassen, sagt die Medizinerin Professor Ingrid Mühlhäuser von der Uni Hamburg:
"Wenn ich jetzt anfange zu screenen, zu suchen nach Krebs, finde ich sehr viele Veränderungen an der Haut, die dann aussehen wie Krebs und auch eine solche Diagnose bekommen, die aber wahrscheinlich überhaupt kein bedrohlicher Krebs sind. Die ersten Ergebnisse, die wir jetzt haben für Deutschland, zeigen, dass es wahrscheinlich eine sehr hohe Rate an Überdiagnosen gibt, die dann auch zu Übertherapien führen, wobei der Nutzen weiterhin nicht belegt ist."
Was entdeckt und mit der Schreckensdiagnose Krebs versehen wird, sind also in den allermeisten Fällen keine lebensbedrohlichen Hautveränderungen. Selbst beim schwarzen Hautkrebs sind wahrscheinlich nicht alle Formen aggressiv, sagt Dr. Klaus Koch vom Kölner Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen:
"Es gibt viele Wissenschaftler, die das vermuten, dass es auch beim schwarzen Hautkrebs Formen gibt, die nicht gefährlich werden. Die Frage ist nicht richtig klar beantwortet, aber das ist eine der Unsicherheiten, die hinter dem Hautkrebsscreening steckt."
Sonnenbrände in Kindheit und Jugend sollen Hautkrebsgefahr verstärken
Eine andere ist die nach dem Auslöser für Hautkrebs. Zuviel Sonne, speziell Sonnenbrände in Kindheit und Jugend gelten als Hauptverursacher. Doch sie allein können die Krebshäufigkeit nicht erklären. Offenbar spielen auch genetische Veranlagung und der Hauttyp eine wichtige Rolle. International gesehen gibt es nämlich in den sonnenreichen südlichen Ländern nicht mehr Hautkrebsfälle als im Norden.
"Mit der Ausnahme Australien und Neuseeland. Da scheint es so zu sein, dadurch, dass in den Ländern mit viel Sonne hellhäutige Europäer eingewandert sind, dass es da schon eine höhere Gefährdung für Hautkrebs gibt."
Doch gerade diese beiden Staaten haben sich vor einigen Jahren explizit gegen einen Hautcheck auf Krebs ausgesprochen, betont Ingrid Mühlhäuser:
"Auch die amerikanischen Gesellschaften, Wissenschaftler, haben die Literatur analysiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass man ein solches Screening nicht durchführen sollte. Wir sind das einzige Land in der Welt, in dem ein solches Screening durchgeführt wird. Ich gehe davon aus, dass wie bei anderen Screeninguntersuchungen in Deutschland auch, die kommerziellen Interessen hier überwiegen."
Die Gretchenfrage aller Vorsorgeuntersuchungen ist: Retten sie wirklich Leben? Ingrid Mühlhäusers klare Antwort:
"Die Beweise dafür fehlen."
Individuell kann der Hautcheck trotzdem sinnvoll sein. Wer familiär ein erhöhtes Risiko hat, wer viel im Freien arbeitet, für den kann die regelmäßige Untersuchung durchaus angeraten sein. Doch das sich durch den Massencheck die Sterblichkeit senken lässt, dieser Beweis steht beim Hautkrebs noch aus.