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Havarie im Oppenheim-Prozess

Es ist einer der größten und spektakulärsten Wirtschafts-Strafprozesse der letzten Jahre: die Verhandlung gegen die frühere Führung des Kölner Bankhauses Sal. Oppenheim. Nun ist der Prozess vorerst geplatzt, weil das Gericht falsch besetzt wurde.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    Es ist ein Verfahren mit viel Sand im Getriebe – erst Ende Februar hatte der Strafprozess gegen die ehemalige Führungsspitze von Sal. Oppenheim und deren Geschäftspartner, den Immobilienhändler Josef Esch, begonnen. Ihnen wird teils schwere Untreue zur Last gelegt. Heute nun hat die zuständige Kammer am Landgericht Köln den Prozess vorerst abgebrochen. Damit reagiert sie auf den Vorwurf der Verteidiger, dass das Gericht falsch besetzt worden sei. Richterin Sabine Grobecker ließ diesen Einwand aber nur für den Ergänzungsrichter gelten. Warum, das erklärt Gerichtssprecher Dirk Eßer so:

    "Das ist sehr abstrakt, geht aber auf das Grundrecht des gesetzlichen Richters zurück. Dieses Grundrecht verlangt, dass jeder Richter, auch in seiner Person, durch nicht im Einzelfall manipulierbare Kriterien einer Kammer zugeteilt wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Justizverwaltung keinen Einfluss darauf nimmt, welcher konkrete Richter in einem Verfahren zuständig ist und über das Verfahren zu entscheiden hat."

    Hintergrund des heutigen Prozess-Abbruches ist aber vor allem, dass die Kammer wegen der Fehlbesetzung nicht das Risiko einer späteren Revision eingehen wollte. Dass die juristische Aufarbeitung nun geplatzt sei, mag das Gericht so nicht interpretieren, zumal nur der Ergänzungsrichter betroffen ist. Seine Funktion beschreibt der Gerichtssprecher folgendermaßen:

    "Ein Ergänzungsrichter ist ja gewissermaßen ein Ersatzspieler, der auf die Richterbank gesetzt wird und eintritt für den Fall, dass einer Berufsrichter plötzlich und unvorhersehbar nicht mehr in der Lage ist, an der Hauptverhandlung weiter teilzunehmen, zum Beispiel durch eine Erkrankung. Dieses Verfahren ist bisher beim Landgericht Köln so praktiziert worden und noch nie von einem der Verfahrensbeteiligten beanstandet worden."

    Die bisher schon zuständigen Berufsrichter sollen den Prozess weiterhin leiten. Die neue Hauptverhandlung könnte möglicherweise bereits nach den Osterferien beginnen. Fachleute beurteilen das Sal.- Oppenheim-Strafverfahren schon jetzt als einen der größten Wirtschaftsprozesse in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Jahrelange Ermittlungen mit Razzien und sichergestellten Aktenbergen waren vorausgegangen.

    Die laufende Anklage betrifft vorerst nur mehrere Immobiliengeschäfte, die der Bank millionenschwere Schäden beschert haben sollen. Von ihren diversen Skandalen, darunter die Arcandor-Geschäfte, erholte sich Deutschlands älteste und einst angesehenste Privatbank nicht mehr, 2009 wurde sie von der Deutschen Bank übernommen. Sollte es am Ende zu einem Urteil kommen, droht den Angeklagten eine Haftstrafe bis zu zehn Jahren.