"Hallo! Ist im Kreißsaal gerade jemand drin?" - "Nein. Nein. Alles leer."
Robert Koch ist Geschäftsführer des Elisabeth-Klinikums in Schmalkalden, einer kleinen Stadt in Südthüringen. Er führt durch die Entbindungsstation. Alles neu, hell, modern, freundlich.
"Das ist jetzt hier so der Kreißsaal, das kleine Heiligtum dann der Hebammen."
Drei Kreißsäle, die Zimmer für die Wöchnerinnen, die Bettchen für die Neugeborenen – alle sind leer. Zufall, meint Koch, Geburten könne man nicht planen; letztens hätten sie neun Neugeborene auf einmal gehabt.
Dennoch wird es hier auf der Entbindungsstation bald für immer still sein: Ende Juni schließt die Station. Die vier freien Beleghebammen, die sich die Dienste seit Jahren geteilt haben, haben ihre Verträge mit der Klinik gekündigt. Weil sie die Dienste rund um die Uhr einfach nicht mehr geschafft haben oder nicht mehr schaffen wollten.
Rundumbetreuung
Ein paar Kilometer weiter, in Barchfeld. Hier hat Kirsten Klinzing ihre Praxis. Sie ist eine der vier Hebammen, die ihre Verträge gekündigt haben.
"Ja, wie geht's? Klappt alles?" - "Hmm, die Milch läuft ganz gut."
Die wöchentliche Hebammensprechstunde für die jungen Mütter. Messen, wiegen, Stillberatung. Kirsten Klinzing bietet alles an: auch Rückbildungskurse, Babymassage, Geburtsvorbereitung. Aber in Schmalkalden wird sie wie auch ihre Kolleginnen keinen Babys mehr auf die Welt verhelfen.
"Wollen schon! Aber die Situation ist einfach die, dass wir einfach auch nicht mehr können. Also von der Arbeitskraft. In letzter Zeit war es dann so, dass wir acht Mal im Monat 24 Stunden gemacht haben, weil wir nur noch vier Kollegen sind, auch zwischendurch leider hohe Krankenstände hatten, oftmals dann auch 48 Stunden im Krankenhaus waren. Und ich denke immer, Mutter und Kind ist eine total verantwortungsvolle Aufgabe und dann würde ich mir als Mutter Ruh wünschen, dass da eine fitte und ausgeruhte Hebamme steht, weil es um das Wichtigste im Leben eigentlich geht."
Aufhören aus der Not heraus
In der Klinik hat man ausgerechnet, dass man, um die Arbeit der vier freiberuflichen Beleghebammen zu ersetzen, acht oder neun angestellte Hebammen gebraucht hätte, da die an das Arbeitszeitgesetz gebunden wären. Dabei wollten die vier eigentlich gar nicht aufhören.
"Natürlich hadert man dann so ein bissle mit sich. Man möchte das gern, man tut das gern. Wir sind dann natürlich zum Klinikchef gegangen und haben gesagt, wo es drückt, wo es hängt, auch schon längere Zeit und haben dann aber auch noch diese enorme Versicherungssumme zu zahlen. Das heißt, wir müssen für diese 7.500 Euro pauschal im Jahr jetzt, die müssen wir zahlen, egal, wie viele Geburten wir machen."
Am Rand des wirtschaftlich Sinnvollen
Die Rede ist von der Haftpflichtversicherungsprämie, die in den letzten Jahren immens gestiegen ist und viele Hebammen deutschlandweit an den Rand des wirtschaftlich Sinnvollen oder ganz aus der Geburtshilfe drängt.
"Und natürlich sind wir dann auch verpflichtet, dementsprechend viele Geburten anzubieten. Das heißt, das ist immer so eine Zwickmühle. Ich kann gar nicht so sehr viel weniger machen und gar nicht so sehr viel weniger arbeiten, denn dann bekomme ich ja gar nicht diese Entbindungssumme. 284 Euro gibt es für eine Geburt knapp. Ja, man kann sich ausrechnen, man ist ja freiberuflich, Krankenkasse, Rentenversicherung, das kommt ja auch noch dazu."
Trotz Gesuch kein Personal
In der Klinik in Schmalkalden hat sich Robert Koch bemüht, Hebammen anzuwerben, um die vier zu entlasten. Gefunden hat er: Keine.
"Wir haben derzeit faktisch die Situation, dass wir keine Hebammen zur Verfügung haben. Also, wir haben keine Nachwuchskräfte. In Thüringen werden alle drei Jahre nur Hebammen ausgebildet, derzeit gibt es keine am Markt. Die Absolventen kommen erst wieder in eineinhalb, zwei Jahren. Und aus den Nachbarbereichen konnten wir leider keine verpflichten, da haben wir natürlich auch gegraben und haben sehr viele Gespräche mit anderen Hebammen geführt und wollten die für unser Haus gewinnen. Wir haben probiert mit Headhuntern, wie das heutzutage gerne gemacht wird. In Deutschland findet man keine für unsere Region."
Weitere Konsequenzen befürchtet
Die Geburtshilfe in Schmalkalden ist nicht die erste in Deutschland, die schließt. Die Versorgung ist dadurch noch nicht maßgeblich beeinträchtigt. Aber die mangelnde Unterstützung der Hebammen, die durch massiv steigende Versicherungsprämien wirtschaftlich in die Ecke gedrängt werden, wird das Problem vermutlich noch verschärfen.