Die Transsexuelle, ihrem Pass nach ein Mann, sitzt seit einer Woche in Untersuchungshaft. Margot, wie sie sich nennt, gehört einer Gruppe von LGBT-Aktivisten an, die vor zwei Wochen für Aufregung sorgte. Sie hängten eine Regenbogenfahne an verschiedene Denkmäler in Warschau, darunter Nikolaus Kopernikus und auch an eine Christusfigur.
Vize-Justizminister Sebastian Kaleta kommentierte im regierungsnahen Internet-Fernsehsender wpolsce.pl: "Besonders schockiert war ich in Bezug auf die Statue von Christus, den Erlöser. Das ist die Statue, die die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg weggebracht und beschädigt haben und die später zufällig zwischen Büschen gefunden wurde. Sie ist nicht nur ein religiöses, sondern auch ein patriotisches Symbol. Die radikale Linke hat allen Andersdenkenden einen Kulturkrieg erklärt. Und sie handelt immer aggressiver."
Fragwürdige Festnahme
Die Polizei nahm mehrere Personen vorläufig fest, wegen der Aktion mit den Regenbogenfahnen. Eine Aktivistin war gerade bei Bekannten in den Bergen, sie wurde mehrere hundert Kilometer im Polizeiauto nach Warschau gebracht.
Von den damals Festgenommen wurde nur Margot bisher nicht auf freien Fuß gesetzt. Nach Angaben des Justizministeriums wegen eines anderen Vorfalls vor etwa einem Monat. Die Beschuldigte soll den Fahrer eines Lieferwagens angegriffen haben, der mit homophoben Parolen beschriftet in Warschau unterwegs war. Der Justizminister selbst präsentierte bei einer Pressekonferenz einen Film, der den Angriff zeigt. Auf den Bildern ist, mit bedrohlicher Musik unterlegt, eher eine Rangelei unter Jugendlichen zu sehen.
In der Warschauer Innenstadt eskalierte die Lage
Am vergangenen Wochenende eskalierte die Situation. Es kam zu spontanen Demonstrationen für die Freilassung von Margot, vor allem in der Warschauer Innenstadt. Die größte von ihnen am Samstag, mit rund 1.000 Teilnehmern.
Vor allem am Tag zuvor war die Polizei hart gegen die Demonstranten vorgegangen. Sie hatte 48 Personen festgenommen. Nach Ansicht von Regierungskritikern verletzte sie dabei die Bürgerrechte eklatant. So der Anwalt Michal Wawrykiewicz im Radiosender TOK FM:
"Wie sich die Polizei da aufgeführt hat, ist mit polnischem Recht nicht vereinbar. Auf den Uniformen fehlten die Namen der Beamten und auch Hinweise auf ihren Dienstgrad. Und schließlich wurde den Festgenommenen der Zugang zu einem Rechtsbeistand erschwert."
Aufnahmen zeigen, wie die Polizisten Demonstrantinnen und Demonstranten über den Boden schleifen. Viele von ihnen seien willkürlich und völlig grundlos festgenommen worden, so die LGBT-Aktivisten. Videos scheinen das zu bestätigen.
"Polnisches Stonewall"
Die Polizei veröffentlichte ihrerseits Aufnahmen von Protestierenden, die unter anderem auf ein Einsatzfahrzeug der Polizei klettern. Beamte seien angegriffen und beleidigt worden, hieß es zur Rechtfertigung der Festnahmen.
In LGBT-Kreisen werden die Vorgänge vom Wochenende inzwischen als "polnisches Stonewall" bezeichnet – in Anlehnung an die Kämpfe zwischen Homosexuellen und Transsexuellen gegen Polizeigewalt in New York 1969.
Zumindest verbal eskaliert der Konflikt nun jeden Tag weiter. Ein regierungsnaher polnischer Publizist sprach gestern bereits von Terrorismus vonseiten der LGBT-Community. Und Regierungsvertreter machen sich lustig über sie. So Vize-Justizminister Sebastian Kaleta über die verhaftete Margot. Einer Reporterin beschied er: "Wenn ich Sie bitte, mich Loretta zu nennen oder einfach nur Stuhl, werden Sie sich dann so an mich wenden?"