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Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD)
Engagement gegen Malaria "müsste stärker sein"

Erfolge im Kampf gegen Malaria sind gut, aber man darf nicht nachlassen, fordert die Ex-Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) am Weltmalariatag. Sie sagte im Dlf, Deutschland spiele als Geberland eine wichtige Rolle für mehr internationales Engagement.

Heidemarie Wieczorek-Zeul im Gespräch mit Christiane Kaess |
Die dreijährige Siama Marjan spielt in Nairobi (Kenia) hinter einem Moskitonetz, das sie vor dem Stich von Malaria-Mücken schützen soll (Archivfoto).
Moskitonetze und Insektensprays reichen nicht im weltweiten Kampf gegen die Krankheit, betont Ex-Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) (picture alliance /dpa /Stephen Morrison)
Christiane Kaess: Hohes Fieber, Kopfschmerzen, Schüttelfrost und Übelkeit – die Symptome einer Malaria werden von Betroffenen als schwer erträglich beschrieben, und die Krankheit kann tödlich enden. In Westeuropa kommt Malaria nicht vor, sondern in tropischen und subtropischen Gebieten, aber die über 100 Länder, in denen Stechmücken den Erreger übertragen, werden jährlich von mehr als 100 Millionen Reisenden besucht.
In Kontakt mit der Krankheit geraten können also viele Leute. Weltweit fallen mehr als 400.000 Menschen jedes Jahr der Krankheit zum Opfer. Heute ist Weltmalariatag, und diese Woche ist die erste weltweite Impfkampagne gestartet. Die Weltgesundheitsorganisation hat damit im südostafrikanischen Malawi begonnen. In Kenia und Ghana geht die Kampagne weiter.
Am Telefon ist jetzt Heidemarie Wieczorek-Zeul von der SPD, ehemalige Entwicklungsministerin. Sie gehört dem Verein Freunde des globalen Fonds Europa an, der Fonds wird sowohl von Staaten als auch privaten Geldgebern finanziert zur Bekämpfung von Malaria, Aids und Tuberkulose. Guten Morgen, Frau Wieczorek-Zeul!
Heidemarie Wieczorek-Zeul: Guten Morgen, Frau Kaess!
Kaess: Die erste weltweite Impfkampagne also gegen Malaria. Wie vielversprechend ist das im Kampf gegen die Krankheit?
Wieczorek-Zeul: Es ist doch jedenfalls der erste Impfstoff, der tatsächlich einen Schutz von kleinen Kindern bewirken kann, und deshalb ist es wichtig zu wissen, wie geht diese entsprechende Impfaktion jetzt in Malawi voran, in Kenia, dann in Ghana auch und vor allen Dingen in den besonders betroffenen Regionen. Es ist ja auch wichtig, dass da jeweils die Gesundheitsministerien besonders engagiert sind und dass vor allen Dingen auch genügend Gesundheitsstationen bestehen, bei denen Impfungen durchgeführt werden.
Kaess: Glauben Sie, dass diese Kampagne den Durchbruch bringen kann?
Wieczorek-Zeul: Ob es ein Durchbruch ist, das wage ich im Moment nicht wirklich zu bewerten, aber es kann auch nicht die anderen Präventionsmethoden im Kampf gegen Malaria ersetzen, sie kann sie aber ergänzen. Deshalb ist es wichtig, weil es in der Tat der erste Malariaimpfstoff ist.
"Fehlt auch am Engagement der Firmen"
Kaess: Wir haben das gerade schon gehört in dem Beitrag, dass dieser Impfstoff nur bei einem Drittel der Geimpften überhaupt wirkt. Woran liegt es denn, dass bis heute kein durchschlagender Impfstoff auf dem Markt ist? Fehlt es da auch an Geld?
Wieczorek-Zeul: Ganz sicher, und es fehlt auch am Engagement der entsprechenden Firmen, wobei die Firma GlaxoSmithKline, die ja jetzt diesen Impfstoff entwickelt hat, jahrelang, man möchte sagen jahrzehntelang, sozusagen da vorbereitende Arbeit geleistet hat, aber sozusagen das Engagement insgesamt müsste stärker sein, und auch die Finanzierung müsste stärker sein.
Kaess: Also kann man sagen, für die Pharmaindustrie lohnt sich das nicht?
Wieczorek-Zeul: Ja, das könnte man sagen, aber es ist noch mal wichtig, dass es… Da komme ich jetzt auf den globalen Fonds zurück, den ich mit unterstütze, der finanziert jedenfalls zusammen mit anderen, auch mit der Gavi Impfallianz, entsprechende Malariaprogramme. Da geht es darum, der hat wirklich große Erfolge gehabt, wir haben ja durchaus bei dem Kampf gegen Malaria wirklich große Erfolge gehabt. Die Sterblichkeitsrate ist seit dem Jahr 2000 bei Malaria weltweit um 60 Prozent gesunken, aber die Gefährdung ist jetzt vor allen Dingen, dass es insbesondere in afrikanischen Ländern, wo es eine Resistenz gegen Insektizide mittlerweile auch im großen Umfang gibt, dort ist aber auch die Krankheit am stärksten. Also in diesen Bereichen muss weiter Engagement eingesetzt werden, und vor allen Dingen muss auch dieser globale Fond entsprechend, der ja einen Großteil der Finanzierung der Malariaprogramme leistet, entsprechend unterstützt werden.
Kaess: Lassen Sie uns gleich noch weiter über die Erfolge und über die Rückgänge sprechen. Ich möchte noch eine Frage stellen zu dieser Kampagne, zu dieser Impfkampagne, denn die wird von Experten ja durchaus kritisch gesehen. Es gibt manche, die sagen, man sollte das Geld für die Malariabekämpfung – das haben Sie gerade auch schon gesagt –, das ohnehin sowieso limitiert ist, nicht in so teure Kampagnen stecken, sondern anstatt dessen lieber investieren in billige Prävention wie Moskitonetze oder Insektizide, die auch effizient sind. Sehen Sie das auch so kritisch?
Wieczorek-Zeul: Das ist keine Alternative. Also zum Beispiel hat der globale Fonds massiv dazu beigetragen, dass durch die Moskitonetze es möglich war, die Erkrankungen und Betroffenheit zu reduzieren, aber wir müssen auch sehen, dass in diesem Bereich jetzt die Resistenzen eingesetzt haben und deshalb die nächste Generation von Moskitonetzen entwickelt werden und eingesetzt werden muss. Man muss alle Möglichkeiten und alle Instrumente auch nutzen.
Merkt man Erfolge, lässt vielleicht das Engagement nach
Kaess: Jetzt haben Sie schon etwas ausgeführt, es gab starke Erfolge in den letzten Jahren oder sogar Jahrzehnten, aber andererseits nach diesem starken Rückgang jetzt wieder mehr Malariafälle. Woran liegt das?
Wieczorek-Zeul: Es hängt sicher zusammen mit einem Teil des Rückgangs von Finanzierungen und, wie gesagt, auch mit den eben schon genannten Resistenzen gegen Insektizide.
Kaess: Und warum gehen die finanziellen Mittel zurück?
Wieczorek-Zeul: Das ist oft so, das gilt ja auch für andere Bereiche wie bei HIV/Aids: In dem Maße, in dem man den Eindruck hat, es gibt Erfolge, lässt vielleicht auch das Engagement nach, und das dürfen wir aber nie zulassen. Gerade am heutigen Tag muss man noch mal dran erinnern, wie wichtig dieser Kampf ist und wie viele Menschenleben man retten kann, wenn wirklich in diesem Bereich entsprechende Unterstützung geleistet wird.
Kaess: Können Sie benennen, wer da weniger zahlt oder nicht zahlt?
Wieczorek-Zeul: Na ja, also der globale Fond jedenfalls, für den ich mich engagiere, der hat sogar 60 Prozent aller internationalen Finanzierungen für Malariaprogramme zur Verfügung gestellt. Es ist dann vielleicht auch stärker natürlich eine Situation, in denen die Gesundheitssysteme in den afrikanischen Ländern nicht ausreichend finanziell unterstützt werden oder auch entwickelt sind.
Kaess: Die meisten Todesfälle gibt es ja auch in Afrika mit Malaria.
Wieczorek-Zeul: Absolut, ja.
Kaess: Also da, sagen Sie, müsste sich in den Ländern selber was tun?
Wieczorek-Zeul: Es muss auch… natürlich in den Ländern müssen die Gesundheitssysteme und auch vor allen Dingen die Standorte, die Möglichkeiten und auch die Möglichkeiten der Betreuung weiterentwickelt werden. Zum Beispiel, wir sehen das, Länder, die besonders betroffen sind, etwa die Demokratische Republik Kongo, die natürlich auch von Konflikten und Auseinandersetzungen geprägt sind, da ist natürlich nicht ausreichendes Engagement vorhanden.
"Wichtig, dass die Weiterfinanzierung gesichert wird"
Kaess: Welche Rolle nimmt Deutschland als Geberland ein?
Wieczorek-Zeul: Also, das ist mir noch mal wichtig, auch am heutigen Tag: Deutschland finanziert ja auch und hat das – ich habe diesen globalen Fonds im Jahr 2002 mit Kofi Annan, damals UN-Generalsekretär, auch initiiert und gegründet –, und Deutschland hat seit dieser Zeit diesen globalen Fonds auch immer finanziell unterstützt. Man muss auch noch mal sagen, der Fond hat in den Bereichen HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose seit seinem Bestehen 27 Millionen Menschenleben gerettet. Das zeigt also, es ist möglich, wenn man sich entsprechend engagiert, und deshalb ist es wichtig, dass die Weiterfinanzierung auch gesichert wird.
Da möchte ich an der Stelle drauf hinweisen: In diesem Jahr gibt es die Konferenz, bei der es um die Weiterfinanzierung dieser Arbeit geht, initiiert von Frankreich, und zwar in Lyon im Oktober diesen Jahres, und das Gute ist, im Budget des Entwicklungsministeriums sind für die nächsten drei Jahre eine Milliarde Euro vorgesehen für das Engagement des globalen Fonds, und das Wichtige wäre, dass Deutschland jetzt auch das öffentlich signalisiert – die Mittel sind im Haushalt entsprechend vorgesehen – und dass Deutschland das Signal auch an andere Länder sendet, damit die mitziehen und sich entsprechend anschließen, denn der Fond braucht diese Finanzierung dieser Mittel. Wenn Erfolge erreicht sind, ja, ist immer gut, aber man darf nicht nachlassen.
Kaess: Was meinen Sie damit, Deutschland muss das signalisieren? Also Sie meinen damit, das Geld muss auch tatsächlich bereitgestellt werden. Daran haben Sie Zweifel?
Wieczorek-Zeul: Nein, zur Verfügung wird es stehen. Das ist immer so ein Prozess, den ich selbst auch natürlich habe begleiten können. Frankreich hat einmal die Initiative für die Konferenz ergriffen. Wenn jetzt Deutschland sagt, wir sagen heute schon – das ist im Oktober –, dass wir diese Mittel entsprechend einsetzen, dann wird das auch andere europäische, aber auch andere Geberländer sozusagen motivieren, mitzugehen und entsprechende Zusagen zu machen. Das hat so eine Signalfunktion auch für andere.
Kaess: Und Sie waren ja als Entwicklungsministerin auch mal in politischer Verantwortung. Was würden Sie denn sagen im Rückblick, was ist politisch versäumt worden im Kampf gegen Malaria?
Wieczorek-Zeul: Also, wie gesagt, dass überhaupt erst mal der Kampf aufgenommen worden ist, ist ein großer Fortschritt. Jedenfalls die Fehler haben wir eben ja besprochen. Es hätte eigentlich länger schon auch mögliche Impfungen oder Impfstoffe geben können oder müssen, und natürlich geht es auch um die Entwicklung vor allen Dingen der Gesundheitssysteme in den betroffenen Ländern und auch deren Finanzierung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.