Zu Beginn des Aufstands herrschte Euphorie, bei den Kämpfern und bei der Zivilbevölkerung, die seit fünf Jahren von den deutschen Besatzern terrorisiert worden war.
Doch schon bald kehrte Ernüchterung ein. Oberst Edmund Baranowski erinnert sich: "Als erstes sollten wir ein Treibstoff-Lager erobern. Es hieß, Pioniere würden die Metall-Tore aufsprengen. Und unsere schweren Waffen würden die Maschinengewehrnester der Deutschen auf den Wachtürmen ausschalten. Aber in Wirklichkeit gab es weder Pioniere noch schwere Waffen. Nur 100 Jungs mit dem Befehl, das Objekt zu erobern. Eine traurige Erfahrung. Mir wurde klar, dass wir keine Waffen haben, nichts, mit dem wir wirklich kämpfen können."
Das Treibstofflager blieb in der Hand der Deutschen. Und gut zwei Monate später kapitulierten die Aufständischen. Der Mangel an Waffen war ein Grund dafür. Zudem blieb die erhoffte Hilfe vom anderen, östlichen Ufer der Weichsel aus. Dort standen bereits sowjetische Truppen. Das Kalkül der Heimatarmee: Die Rote Armee würde die Gelegenheit nutzen, den Fluss überqueren und die in Straßenkämpfe verwickelten deutschen Besatzer besiegen. Tatsächlich signalisierten die Sowjets, sie würden eingreifen. Doch das blieb ein leeres Versprechen.
Nur Vorteile für die Sowjetunion
Damit hätte die Führung der Heimatarmee rechnen müssen, meint der konservative Historiker Piotr Zychowicz: "Am 17. September 1939 wurden wir von der Sowjetunion angegriffen. Danach sind die Bolschewiken in Ostpolen äußerst brutal gegen Polen vorgegangen. Morde und Deportationen in großem Umfang. Die Sowjetunion hat während des ganzen Krieges Anspruch auf die Hälfte unseres Staatsgebiets erhoben. Es war doch Wahnsinn zu glauben, dass die Bolschewiken 1944 als Freunde zurückkommen würden. Dass die Mörder von Katyn uns helfen würden."
Denn, so Zychowicz, für die Sowjetunion habe es nur Vorteile gebracht, dass der Warschauer Aufstand scheiterte. Schließlich seien dabei tausende antisowjetische polnische Patrioten gestorben. Und die Rote Armee konnte sich als alleinige Befreierin von Polen feiern. Deshalb sei der Aufstand ein großer Fehler gewesen.
Dem steht eine andere, heute deutlich prominentere Sichtweise entgegen. Sie lautet: Der Warschauer Aufstand sei als symbolischer Akt sehr wertvoll gewesen. Jan Jozef Kasprzyk, Leiter des staatlichen Amts für Kriegsveteranen:
"Der Aufstand war kein sinnloser Kampf. Nach Ansicht von Historikern hat er dazu beigetragen, dass Polen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht die 17. Sowjetrepublik geworden ist. Stalin hat gesehen, dass es sehr schwer werden würde, die ideologischen Muster der Sowjetunion nach Polen zu übertragen."
Die Frage nach dem Sinn des Aufstands
Dies ist die Sicht, die von der rechtskonservativen Regierungspartei PiS hochgehalten wird. Sie wird heute und morgen in den Reden der führenden Politiker vorherrschen. Nicht zufällig geht das Museum des Warschauer Aufstandes auf den verstorbenen Ex-Präsidenten Lech Kaczynski zurück, einen ehemaligen PiS-Politiker. Bundesaußenminister Heiko Maas wird das Museum morgen besuchen.
Die Wissenschaftler und Publizisten jedoch diskutieren die Frage nach dem Sinn des Aufstand mit jedem Jahr neu. Das zeigten nicht zuletzt die Beilagen der großen Tageszeitungen vom vergangenen Wochenende, sagt Patryk Szostak von der konservativen Warschauer Denkfabrik "Institut der Freiheit":
"Das ist, glaube ich, so eine Sache, die wird man in Polen für immer diskutieren. Und die Diskussion um den Warschauer Aufstand, das ist ein wirklich interessantes Phänomen, weil es von jeglicher vorhersehbarer Parteilichkeit und ideologischer Parteinahme losgelöst ist. Es gibt Kommunisten, die den Warschauer Aufstand verteidigt haben, und Kommunistischen, die den Warschauer Aufstand als fatal eingeschätzt haben."
Ebenso im konservativen Lager, wie die Haltungen der Regierungspartei PiS auf der einen Seite und des Historikers Zychowicz auf der anderen Seite zeigen. Patryk Szostak sieht die Diskussion deshalb insgesamt positiv: Sie schärfe das Geschichtsbewusstsein der Menschen.