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Heil: Wulff muss Zweifel schnellstmöglich ausräumen

Trotz Entschuldigung und Trennung von seinem Pressesprecher: Die Fragen zu Wulffs Krediten, Urlaubsaufenthalten und Wahlkampffinanzierung seien nicht ausreichend beantwortet worden, sagt Hubertus Heil, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.

Hubertus Heil im Gespräch mit Anne Raith |
    O-Ton Christian Wulff: "Das war nicht geradlinig und das tut mir leid."

    Anne Raith: Eine Entlassung, eine Erklärung, aber war es auch eine Entschuldigung? Nach tagelangem Fordern auf der einen und Abwarten auf der anderen Seite hat sich Bundespräsident Christian Wulff gestern Nachmittag im Schloss Bellevue geäußert. Um kurz nach halb vier ging eine der weißen Flügeltüren auf, er trat ans Mikrofon und sprach etwa vier Minuten über die Vorwürfe gegen ihn, bedauerte seinen Umgang mit der Krise, bevor er dann wieder verschwand.

    Über seine Sicht der Dinge und die Fragen, war es das jetzt und wie geht es jetzt weiter und wie positioniert sich die SPD, möchten wir jetzt sprechen mit Hubertus Heil, dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion. Einen schönen guten Morgen!

    Hubertus Heil: Guten Morgen, Frau Raith.

    Raith: Herr Heil, die Sozialdemokraten haben auf eine Erklärung gedrängt. Nun hat er sie vor Weihnachten abgegeben. Legen Sie den Fall Wulff jetzt zu den Akten, weil Sie, wie unser Korrespondent sagt, Beißhemmungen haben?

    Heil: Nein. Es ist erst mal gut, dass der Bundespräsident jetzt sein Schweigen gebrochen hat, weil in den letzten Wochen viel Vertrauen verloren gegangen ist. Es war deshalb auch richtig, dass der Bundespräsident eingeräumt hat, dass es ihm an Geradlinigkeit gefehlt hat und er die Vorgänge bedauert. Gleichwohl ist dies und die Trennung von seinem Sprecher kein Ersatz für die Aufklärung in der Sache, und auf die werden wir dringen.

    Raith: Aber er sagt, alle Verträge und alle Kreditkonditionen liegen auf dem Tisch. Nicht alles, was juristisch rechtens ist, ist auch richtig. Das hat er eingeräumt. Aber juristische Zweifel hat er nicht. Sie offensichtlich?

    Heil: Es gibt eine Fülle von Fragen und die müssen im niedersächsischen Landtag aufgeklärt werden, ob Christian Wulff gegen die Bestimmungen des niedersächsischen Ministergesetzes verstoßen hat. Und ich will darauf hinweisen, dass die vollständige Aufklärung im Landtag bisher von CDU und FDP in Niedersachsen behindert wurde. Da gab es eine Sitzung des Ältestenrates, da haben CDU und FDP die Debatte mit Geschäftsordnungsmehrheit abgebrochen. Also es gibt noch eine Fülle von Fragen und die müssen aufgeklärt werden, gar keine Frage.

    Raith: Aber auch die SPD in Niedersachsen, Herr Heil, hat ja bislang einen Untersuchungsausschuss sowie eine Klage beim Staatsgerichtshof ausgeschlossen.

    Heil: ... , weil das Ganze in den zuständigen Gremien des Landtages erst mal besprochen werden muss. Da ist auch die Staatskanzlei von Herrn McAllister in Niedersachsen gefragt. Schließlich handelt es sich um Vorgänge, die in der Amtszeit des Ministerpräsidenten Christian Wulff stattgefunden haben. Dann müssen die Akten nicht in Berlin irgendwo in einer Kanzlei hinterlegt werden, sondern es muss die Landesregierung in Niedersachsen, es muss auch Herr Wulff selbst gegenüber dem niedersächsischen Landtag Auskunft geben. Das betrifft Fragen der Wahlkampffinanzierung, der Urlaubsaufenthalte, auch Fragen, die was zu tun haben mit den Krediten, auch mit den neuerlichen Informationen des "Spiegel", was den Kredit der BW-Bank betrifft. Nicht zuletzt interessiert natürlich die deutsche Öffentlichkeit, warum musste eigentlich gestern der Sprecher gehen.

    Raith: Welche Erklärung haben Sie dafür?

    Heil: Ich kann dafür keine Erklärung geben, das kann eigentlich nur der Bundespräsident selbst sagen.

    Raith: Oder was vermuten Sie, was dahinter steckt?

    Heil: Ich will da gar nicht rumspekulieren bei der ganzen Sache. Aber es muss aufgeklärt werden, was da vor sich gegangen ist in der ganzen Sache. Wir müssen uns ja jetzt anhören, dass wir Beißhemmungen hätten, hat Ihr Korrespondent eben gesagt. Darum geht es nicht. Ich finde, dass man gerade mit einem Bundespräsidenten auch fair umgehen muss, und noch mal: Ich respektiere, dass er sich geäußert hat. Das ist auch ein gutes Zeichen, dass er eingeräumt hat, dass er die Vorgänge bedauert. Aber nochmals: Das ist kein Ersatz für die Aufklärung in der Sache.

    Raith: Die Beißhemmungen beziehen sich ja auch darauf, dass es ganz klare Parallelen gibt zu Gerhard Schröder und seinem Netzwerk, was ja das gleiche ist, auf das sich Christian Wulff nun beruft, um den AWD-Gründer Maschmeyer. Die Parallelen sehen Sie gar nicht?

    Heil: Es ist nicht meine Aufgabe, das zu beurteilen. Ich kenne diese sogenannten Netzwerke nicht, als dass ich es beurteilen kann, obwohl ich selbst aus Niedersachsen komme. Da lese ich viel in der Zeitung drüber. Jetzt geht es um ganz konkrete Fragen, die sich richten auf die Amtsführung des Ministerpräsidenten Christian Wulff, und da geht es um eine erhebliche Frage, nämlich ob es Verstöße gegen das niedersächsische Ministergesetz gegeben hat, und da verlangt der niedersächsische Landtag Aufklärung, zumindest die Oppositionsparteien in Hannover. Da gab es Anfragen in der Amtszeit, die sind nicht zureichend beantwortet worden, jetzt kommt Stück für Stück Neues heraus und das muss aufgeklärt werden. Ich finde, dass der Bundespräsident selbst, auch übrigens CDU und FDP ein Interesse daran haben müssen, dass alle rechtlichen Zweifel schnellstmöglich ausgeräumt werden. Nur wenn das gelingt, kann der Bundespräsident sein Amt so unbefangen ausüben, wie es notwendig ist.

    Raith: Und bis es so weit ist, ist Wulff für Sie ein angeschlagener, ein vielleicht auch angezählter Präsident?

    Heil: Ich wünsche mir das nicht. Deshalb noch mal: Schnellstmöglich müssen diese Zweifel, die da noch sind, ausgeräumt werden. Das geht nur mit Aufklärung in der Sache. Ich würde mir wünschen, dass wir in Deutschland über andere Themen reden und diskutieren müssen, aber das muss aufgeklärt werden, damit nichts hängen bleibt in der Sache, weil ein Bundespräsident gerade in diesen Zeiten sich äußern können muss, ohne dass die Menschen das Gefühl haben, dass das in einem schrägen Licht erscheint.

    Raith: Aber wie oft kann er es sich noch erlauben und auch leisten, vor die Presse zu treten und, wie wir ja vorhin gehört haben, scheibchenweise – so der Vorwurf – weiter Aufklärung zu leisten?

    Heil: Ich glaube, dass es deshalb gerade notwendig ist, dass alles auf den Tisch kommt, und noch mal: Dafür gibt es einen entsprechenden Ort, das ist der niedersächsische Landtag, das ist natürlich auch die deutsche Öffentlichkeit, und da muss Aufklärung in der Sache geliefert werden. Ich habe Respekt vor den Worten, auch vor dem Bedauern, auch vor der Einschätzung, dass es ihm selbst an Geradlinigkeit gefehlt hat, aber ich glaube, dass es erst vorbei ist, wenn die Fragen zweifelsfrei geklärt sind, eben juristisch, und dann muss es auch politisch bewertet werden.

    Raith: Und bis diese Zweifel juristisch und politisch ausgeräumt sind, darf er im Amt bleiben, obgleich immer neue Zweifel und Vorwürfe hinzukommen?

    Heil: Ich bin nicht jemand, der leichtfertig mit Forderungen nach Rücktritt in die Öffentlichkeit tritt, zumal es sich um den Bundespräsidenten handelt und er auch ein Recht darauf hat, die Sachen aufzuklären. Aber es ist eben auch seine Pflicht, daran schnell mitzuwirken. Und ich kann auch nur CDU und FDP aufrufen, dass sie jetzt nicht nach dem Motto "Schwamm drüber, es ist Weihnachten, lasst uns mal alle friedlich sein" versuchen, die Dinge zu verdrängen, sondern es muss aufgeklärt werden, sonst kommt das immer wieder hoch. Und ich glaube, das ist das Beste für alle Beteiligten, auch für die Institution und das Amt des Bundespräsidenten, wenn solche Zweifel wirklich ausgeräumt werden können.

    Raith: Herr Heil, gehen Sie denn davon aus, dass es Christian Wulff gelingen wird, dass man irgendwann, wenn er eine Rede hält zum Thema Vertrauen, zum Thema Moral, Aufrichtigkeit, nicht mehr an diese Affäre denkt?

    Heil: Ich wünsche es ihm und uns. Aber noch mal: Die Grundvoraussetzung ist Klarheit in der Sache, und die muss geliefert werden. Sonst wird Herr Wulff immer wieder auch mit alten Zitaten konfrontiert, in denen er selbst über andere geurteilt hat. Wenn er die Zweifel ausräumen kann, dann ist es gut, dann muss es aber auch gut sein. Aber wenn nicht, gibt es ein dickes Problem.

    Raith: ... , sagt Hubertus Heil, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Haben Sie ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

    Heil: Schönen Tag, Frau Raith! Alles Gute!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.