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Heilung bei erblichem Brustkrebs

Medizin. - Brustkrebs ist der häufigste Tumor bei Frauen und fordert auch die meisten Leben. Meist trifft Brustkrebs Frauen jenseits der Wechseljahre, es gibt aber auch Familien, in denen das Risiko, an diesem Tumor zu erkranken vererbt wird. Bislang konnte diesen Frauen nur eine Beratung und ein Gentest angeboten werden. Auf dem Deutschen Krebskongress wird jetzt auch eine gezielte Behandlung für diese Patienten vorgestellt.

von Volkart Wildermuth |
    Die erbliche Form des Brustkrebses ist selten. Man schätzt, dass nur gut fünf Prozent aller Brusttumoren direkt auf die Wirkung defekter Gene zurückgehen. In der Hälfte dieser Fälle sind die Brustkrebsgene BRCA 1 und 2 beteiligt. Bei den anderen spielen noch unbekannte Risikogene eine Rolle. Doch auch wenn die Mutationen selten sind, ihre Auswirkungen sind drastisch, erklärt Professor Rita Schmutzler vom Brustkrebszentrum Köln.

    "Wer eine solche genetische Veranlagung trägt hat ein Risiko von rund 80 Prozent, im Laufe des Lebens an Brustkrebs, und von 40 Prozent, im Laufe des Lebens an Eierstockkrebs zu erkranken."

    Ein Verdacht auf eine solche Zeitbombe im Erbgut besteht bei allen Familien, in denen mindesten zwei Frauen erkrankt sind, und bei einer die Diagnose schon vor dem fünfzigsten Lebensjahr gestellt wurde. Selbst in diesen Risikofamilien können die Forscher neun von zehn Frauen beruhigen. Sie tragen keine der bekannten gefährlichen Mutationen. Das heißt nicht, dass sie keinen Brustkrebs bekommen werden, aber die Krankheitsfälle in der Familie sind eher dem Wirken des Zufalls als dem der Gene zuzuschreiben. Bei zehn Prozent der Frauen aus den Risikofamilien finden sich aber Mutationen in BRCA 1 oder 2. Bislang können die Ärzte dann wenig mehr anbieten, als eine intensiveren Früherkennung mit Hilfe der Mammographie oder eine Amputation der Brüste und der Eierstöcke. Das ist frustrierend, doch Rita Schmutzler sieht neue Perspektiven:

    "Wir sind jetzt nach zehnjähriger Erfahrung, nachdem wir sehr, sehr viele Frauen mittlerweile in diesen zwölf Zentren betreuen, so weit, dass wir auch erste Studien durchführen können und hier mit Medikamenten versuchen den Krebs in diesem Risikokollektiv zu verhindern."

    Noch in diesem Jahr werden Studien beginnen, die zeigen sollen, ob eine dauerhafte Gabe von Hormonblockern oder Entzündungshemmern den Ausbruch des Brustkrebses verhindern können. Parallel soll geklärt werden, ob ein neuartiges Medikament gegen schon vorhandene Tumoren hilft. Die entstehen, weil die BRCA-Defekte einen wichtigen Mechanismus der DNA Reparatur stören. So sammeln sich im Brustgewebe im Lauf der Jahre viele weitere Mutationen an, die dann zur Krebsentstehung beitragen. Die sogenannten PARP-Inhibitoren behindern ebenfalls das Ausbessern des Erbgutes. Paradoxerweise tragen sie dennoch zur Heilung bei. Schmutzler:

    "PARP ist ein Schlüsselenzym auch bei einem weiteren Mechanismus der DNA-Reparatur, und wenn wir dieses Schlüsselenzym hemmen in Zellen, die auch einen Defekt in dem BRCA Genen haben, dann wissen wir zumindest durch sehr umfangreiche in vitro Untersuchung, dass diese Zellen dann in den aktiven Zelltod gehen, und das versuchen wir jetzt in die klinische Therapie zu übertragen."

    Wenn gleichzeitig zwei Reparaturwege blockiert sind, kommt es zu einer Flut von DNA-Schäden und die Krebszellen ziehen sozusagen die Notbremse und sterben ab. Das Konzept funktioniert in Mäusen, auch erste Versuche an Menschen sind schon abgeschlossen. Wichtigstes Ergebnis für Rita Schmutzler:

    "Das sind Präparate mit wenig Nebenwirkungen, in keinster Weise zu vergleichen mit den Chemotherpeutika, die ja sehr drastische Nebenwirkungen haben, auch die gesunden Zellen treffen, und wir hoffen hiermit eine molekulare Therapiestrategie erproben und eventuell auch erfolgreich anwenden können."

    Im Herbst wird eine internationale Studie, an der auch deutsche Kliniken beteiligt sind, die Wirksamkeit der PARP-Inhibitoren in der Behandlung des erblichen Brustkrebses erproben. Für die wenigen Frauen, die ständig mit der Angst vor einem Brusttumor leben müssen, ist das ein erster Hoffnungsschimmer. Und auch andere Patientinnen können vielleicht von den neuen Medikamenten profitieren. Veränderungen in den BRCA Genen finden sich nämlich auch in vielen spontan auftretenden Brusttumoren.