Bob George hat schon so einiges erlebt, seit er 1985 mit dem Archiv für zeitgenössische Musik begonnen hat. Aber das verschlägt selbst ihm kurz die Sprache. Der 70-jährige zeigt auf einen riesigen Stapel Pappkartons:
"Sowas ist uns noch nie passiert. 4000 LPs und keine einzige ist in der Hülle. Das hier sind die Platten – und das da sind die Hüllen dazu. Ein paar haben wir inzwischen zusammenbringen können. Warum hebt man das getrennt auf – und das 30, 40 Jahre lang. Das ist unglaublich. Das seltsamste, was wir je hatten. Dabei gibt es hier jede Woche verrückte Sachen."
Drei Millionen Aufnahmen auf Schellack, Vinyl und CDs
George, der Musikbücher geschrieben und Songs produziert hat bevor er Musikarchivar wurde, schüttelt den Kopf. Drei Millionen Aufnahmen auf Schellack, Vinyl und CDs stapeln sich auf mehreren Etagen des Fabrikgebäudes. Das meiste davon ist noch gar nicht katalogisiert. Und es wird immer mehr: Beinahe jede Woche bringen Sammler neue Kisten vorbei. Und George hat zwei eiserne Grundsätze: weggeworfen wird nur, was nicht mehr abgespielt werden kann. Und archiviert wird jede Version einer Aufnahme:
"Also, wenn die Plattenfirma das Cover ändert, den Ort der Pressung, das Label oder sogar die Anzahl der Songs - ein gutes Beispiel ist das erste Beatles-Album. Capital-EMI Europa hat das zu Capital USA geschickt – und die fanden die Musik furchtbar. Auch ein gutes Beispiel dafür, wie schlau die Plattenindustrie ist. Jedenfalls haben sie die Beatles dann an ein kleines Label im Mittleren Westen weitergeben, VJ Records. Die haben das erste Beatles-Album in den USA herausgegeben. Mit zwei Songs mehr als später auf Capital. Obwohl das Album den gleichen Namen hat, nur ein anderes Plattenlabel."
Und so gibt es zu vielen Alben eben auch zahlreiche Versionen, die die Regale füllen, die bis unter die sehr hohen Decken des ehemaligen Lagergebäudes gehen.
TriBeCa: Teuerste Wohngegend in den USA
Als das Archiv hier mit den 47.000 Platten aus Georges Privatsammlung startete, war TriBeCa von verfallenen Industriegebäuden, Bandenkriminalität und einer spannenden Musikszene geprägt. Davon ist wenig übrig geblieben, erzählt George, der seit damals auch in dem Viertel wohnt:
"Jetzt ist das hier die wahrscheinlich teuerste Wohngegend in den ganzen USA. Viele Tech-Leute, Börsenmakler, Geschäftsleute. Ein seltsamer Ort: Jeder scheint noch einen Zweitwohnsitz zu haben. Am Wochenende ist hier kaum jemand. Hier gibt es große Lofts – und uns haben sie jetzt rausgeschissen. Wir haben mit einer sehr niedrigen Miete angefangen – jetzt ist sie durch die Decke geschossen."
"Jetzt ist das hier die wahrscheinlich teuerste Wohngegend in den ganzen USA. Viele Tech-Leute, Börsenmakler, Geschäftsleute. Ein seltsamer Ort: Jeder scheint noch einen Zweitwohnsitz zu haben. Am Wochenende ist hier kaum jemand. Hier gibt es große Lofts – und uns haben sie jetzt rausgeschissen. Wir haben mit einer sehr niedrigen Miete angefangen – jetzt ist sie durch die Decke geschossen."
Paul Simon und Keith Richards im Beirat
So sehr, dass nicht mal die prominenten Unterstützer im Beirat, wie Paul Simon, Keith Richards oder Martin Scorsese, die Kosten aufbringen können. George sucht jetzt ein neues Zuhause für die drei Millionen Musik-Aufnahmen und vier Millionen Bücher, Fotos, Videos und sonstige Devotionalien, die auch noch zum Archiv gehören – und hat auch schon Angebote.
"Die Leute sind unglaublich großzügig. Wir haben einige Angebote, die wir uns leisten können – im Gegensatz zu hier. Sogar die Stadt Stuttgart hat sich gemeldet: Wir sollen nach Deutschland kommen. Sie zahlen alles. Wir müssen uns das noch mal ansehen. Aber das ist doch eher unwahrscheinlich, dass wir das machen."
"Die Leute sind unglaublich großzügig. Wir haben einige Angebote, die wir uns leisten können – im Gegensatz zu hier. Sogar die Stadt Stuttgart hat sich gemeldet: Wir sollen nach Deutschland kommen. Sie zahlen alles. Wir müssen uns das noch mal ansehen. Aber das ist doch eher unwahrscheinlich, dass wir das machen."
Kein Wunder – müssten doch geschätzt 20.000 Umzugskartons verschifft werden. Die Hälfte davon mit empfindlichen Vinyl- und Schellackschallplatten. George will, dass das Archiv das bleibt, was es ist: Eine Quelle für Musikwissenschaftler, Soundtrack-Kompilierer und Journalisten. Jedenfalls, so lange er noch das Sagen hat:
"Fünf Jahre will ich das noch machen. Und dann soll es jemand übernehmen, der das auch mehr als Museum gestalten kann. Schulklassen, die hier durchlaufen oder ein Museums-Café, dieser ganze Entertainmentfaktor. Das interessiert mich nicht."
"Fünf Jahre will ich das noch machen. Und dann soll es jemand übernehmen, der das auch mehr als Museum gestalten kann. Schulklassen, die hier durchlaufen oder ein Museums-Café, dieser ganze Entertainmentfaktor. Das interessiert mich nicht."
Sprichts – und widmet sich wieder den Kisten mit den 4000 LPs ohne Hülle.