Dass Horst Seehofer seine bayerische Heimat liebt, daraus macht er keinen Hehl. Auch nicht in Berlin, wo er den Koalitionsvertrag mitverhandelt hat:
"Wir haben übrigens den ersten Preis errungen in Berlin. Wir waren ja manchmal im Willy-Brandt-Haus, manchmal im Konrad-Adenauer-Haus und gelegentlich in der Bayerischen Vertretung. Und es entsprach der einhelligen Meinung aller Parteien, dass die Verpflegung und damit das Wohlbefinden in der Bayerischen Vertretung das Beste war."
Wenn die schwarz-rote Koalition zustande kommt, soll Horst Seehofer Heimatminister werden. Nicht für Bayern, sondern für ganz Deutschland.
Heimatförderung auf der grünen Wiese?
Nur, was macht ein Heimatminister überhaupt? Wir fragen nach, in München.
"Wir haben hier in Bayern jetzt seit fünf Jahren einen Heimatminister und ich weiß auch nach einem halben Jahrzehnt nicht so wirklich, was er so wirklich macht."
Markus Rinderspacher von der Bayern-SPD ist sicherlich nicht der Richtige, um die Qualitäten eines CSU-Heimatministers zu würdigen. Im Jahr des Wahlkampfes heißt es "Keine Handbreit Markus Söder". Der grüne Mitopponent Ludwig Hartmann wird konkreter.
"Söder hat ja als Heimatminister in den letzten Jahren in Bayern eigentlich alles andere gemacht als die Heimat zu schützen und zu erhalten. Wenn man sich anschaut, wir haben in Bayern ganz viele kleine Dörfer, die einen lebenswerten Ortskern hatten. Söder hat eine Landesplanung vorangetrieben, die immer auf die grüne Wiese gesetzt hat – vereinfacht gesagt: einen Discounter an einer Umgehungsstraße. Nachher hat der Bäcker, der Metzger im Ort geschlossen und das Leben ist mehr und mehr zum Erliegen gekommen."
Der Landesentwicklungsplan, ein großes Projekt Söders, erleichtert es Gemeinden künftig, Gewerbegebiete auszuweisen – dort, wo bisher vor allem Landschaft war.
Telefonieren in der Heimatfalle
"Der ländliche Raum ist kein Museum. Der ländliche Raum ist auch kein reiner Nationalpark. Der ländliche Raum braucht auch Entwicklungschancen für die Menschen dort, und dass junge Leute auch dableiben können."
Die Heimat ist kein Museum. Ob Horst Seehofer das auch so sieht?
"So haben wir's in Bayern, als erstes Heimatmus … äh -ministerium auch gehandhabt."
Was? Hört man da doch ein Museum heraus?
"Heimatmus … äh –ministerium …"
Wie dem auch sei. Wenn man in der Heimat etwas will, das man im Museum nicht darf und auf dem Land oft nicht kann, dann wäre das Telefonieren. Und zwar mit dem Handy. Einer, der das neulich zu spüren bekommen hat, ist Thorsten Glauber aus dem ländlichen Oberfranken. Er sitzt für die Freien Wähler im Landtag. Auf deren Neujahrsklausur war die Partei quasi in die Heimatfalle getappt. Der Tagungsort lag so sehr im bayerischen Nirgendwo, dass der Handyempfang noch nicht einmal für die Kommunikation mit den Journalisten reichte.
Geld für Gleichmacherei?
Man schloss daraus: Der Heimat fehlt es eindeutig an Handymasten. Bayern will jetzt fördern, aber nur wenn die Gemeinden ordentlich mitzahlen. Für Glauber nicht nachvollziehbar.
"Bedeutet: Mast zwei bis dreihunderttausend Euro. 60.000 Euro muss die Gemeinde selbst bezahlen, um dann einen Mobilfunkmast zu bauen, das sicherlich nicht Kerngeschäft einer Gemeinde ist, um dann letztendlich den weißen Flecken zu schließen. Also, da haben der Bund und das Land versagt."
Dennoch tut man sich schwer, Thorsten Glauber ein kritisches Wort über Söder zu entlocken. Schließlich habe der Finanz- und Heimatminister neue Fördermöglichkeiten geschaffen. Die so genannten "Räume mit besonderem Handlungsbedarf": Wenn strukturschwache Gebiete wie Landkreise an der tschechischen Grenze in die Infrastruktur investieren, fördert der Freistaat bis zu 90 Prozent. Das Problem aber sieht Glauber darin, dass Söder dieses Mittel für seine politischen Zwecke nutzte.
"Was nicht verständlich ist, dass mittlerweile halb Bayern zum Raum mit besonderem Handlungsbedarf wurde – und damit unter den Kommunen und Regionen Gleichmacherei betrieben wird. Da wollte sich sicher auch der zukünftige Ministerpräsident ein Stück weit für die Gemeinden hübsch machen und für die Wählerinnen und Wähler."
"Heimat – ein großes Wort …", singen die Kastelruther Spatzen. Ja, groß ist der Heimatbegriff, aber auf jeden Fall liegt er parteiübergreifend schwer im Trend. Das merkt man, wenn man zum Telefonhörer greift. Und mal in nichtbayerischen Heimatprovinzen anruft.
Bus- und Internetverbindung auf dem platten Land
Da erklärt zum Beispiel ein mecklenburgischer Kleinstadtbürgermeister von der SPD, wie gut es ist, dass da einer mal wieder deutsche Werte herauskehren will, hat aber gerade keine Zeit, über die Probleme seiner Gemeinde zu sprechen.
Detlev Tabbert dagegen nimmt sich die Zeit. Der linke Bürgermeister der 13.000-Einwohner-Flächengemeinde Templin in der Uckermark würde dem künftigen Bundes-Heimatminister gerne ganz unideologisch die Bus- und Internetverbindung auf dem platten Land erläutern.
"Da können Sie keinen Film gucken. Bestimmte Bilder kriegen Sie gerade noch hin, aber sagen wir mal Netflix oder ähnliches können Sie da nicht runterladen. Es gibt also noch Ortsteile oder auch Wohnlagen, wo einige Hundert Einwohner vom schnellen Internet abgeschirmt sind."
Nun gibt es Bedenken, ob ein CSU-Minister seine bayerische Heimat gegenüber den schwächeren Bundesländern nicht bevorzugen wird. Andererseits entscheidet er im Kabinett nicht allein über die Förderung der Provinz. Im Finanzministerium soll ein Sozialdemokrat sitzen. Horst Seehofer wird auf gute Nachbarschaft angewiesen sein.