Ein Frühlingsnachmittag auf dem Waldcampus der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, gut 60 Kilometer nordöstlich von Berlin: Ein hochgewachsener, schlanker Mann, Mitte 45, tritt auf die Terrasse hinter Haus 25, stapelt handtellergroße Scheiben aus Holz auf den Tisch und lässt sich auf einer hell-dunkel gescheckten Gartenbank nieder.
"Mein Name ist Lothar Clauder. Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Pfriem. Und wir beschäftigen uns unter anderem mit dem Thema thermische Modifikation von Hölzern."
Thermische Modifikation: Dahinter steckt die Idee, Holz mit Hitze chemisch zu verändern. Der Forscher und seine Kollegen der Arbeitsgruppe Chemie und Physik des Holzes verfolgen sie schon seit Längerem. Zunächst mit dem Ziel, heimisches Holz beständiger für den Außeneinsatz zu machen. Irgendwann kam ihnen der Gedanke, ihr Verfahren zu nutzen, um Erle, Esche, Eiche oder Nussbaum für den Gitarrenbau zu optimieren – als Alternative zu Tropenholz.
"Man geht so vor, dass man das Holz mit einer möglichst schon geringen Holzfeuchte in diesen Prozess einbringt und dann über eine gewisse Dauer mit Hitze versorgt. Und der dritte Schritt ist der Konditionierungsschritt, sodass sich im Prinzip die Raumtemperatur im Holz eingestellt hat. Anschließend hat sich das Holz in seinen Molekularstrukturen verändert. Da kann man sogar soweit gehen, zu sagen, man hätte es hier mit einem neuen Material zu tun."
Spezielle Behandlungsrezepte für unterschiedliches Holz
Der Prozess läuft in sauerstoffarmer Atmosphäre bei Temperaturen von 180 bis 200 Grad Celsius ab und dauert 15 Stunden. Das Holz wird quasi schonend gegart, äußerlich wird es dabei dunkler. Auf molekularer Ebene werden die Holzbestandteile Hemizellulose und Zellulose ab- und umgebaut. Der Anteil an Lignin steigt dadurch. Für ihre Versuche haben die Wissenschaftler eine Art Kessel entwickelt. Lothar Clauder führt zum Technikum.
"Wir stehen jetzt vor unserer Versuchsanlage, im Prinzip ein Edelstahlzylinder mit 60 Zentimeter Durchmesser und 1,50 Meter Länge. Wenn ich jetzt mal die Tür öffne, dann sehen wir hier drinnen einmal die Ablage für das Material und dann sieht man hier auf der linken und der rechten Seite Sensoren hereinragen. Die nutzen wir, um die Temperatur im und außerhalb des Materials zu messen."
"Diese Daten sind wichtig, um das Holz schrittweise zu erhitzen. So können die Forscher verhindern, dass es eventuell reißt und auch auf botanische Unterschiede reagieren. Je nachdem, um welche Holzart es sich handelt und welcher Instrumententeil daraus hergestellt werden soll, sind spezielle Behandlungsrezepte erforderlich. Lothar Clauder nimmt ein Paar Bretter zur Hand, aus denen später die Oberseite der Gitarre gebaut wird.
"Das sind lauter Deckenpaare von dem Tonholzhändler. Diese Deckenpaare werden hier von uns modifiziert und anschließend im Instrument verbaut. Hier sind die fertig behandelten Decken: Wenn man die jetzt mal so in die Hand nimmt, würde man einen Gewichtsverlust registrieren und der ist dann auch für den Klang verantwortlich."
Wissenschaftlich ausgedrückt wird durch die thermische Modifikation die Resonanzgüte optimiert. Das belegen Eigenfrequenzanalysen. Heißt: Laubhölzer wie Erle und Esche schwingen viel stärker als vor der Behandlung. Auch Fichtenholz – klassischerweise in der Gitarrendecke verbaut – wird stärker in Schwingung versetzt. Insgesamt ist die Akustik vergleichbar mit der von Tropenholz, sagt Lothar Clauder.
Genaue Klanganalysen sollen demnächst folgen. Gitarren aus Thermoholz steht also nichts mehr im Weg. Instrumentenbauer können künftig Tropenholz für Gitarrenhals und Gitarrenkorpus durch Erle oder Esche ersetzen. Birne oder Nussbaum wären ebenso geeignet, allerdings gibt es davon nicht so viel.
Erste Prototypen der Gitarre wurden jüngst auf der Frankfurter Musikmesse vorgestellt. In Eberswalde denken die Forscher bereits über thermisch optimiertes Holz für Geigen oder Blasinstrumente nach.