Gerd Breker: CDU/CSU und FDP wollen, dass künftige Prämienerhöhungen für die Krankenkasse allein von den Versicherten, also von den Arbeitnehmern und Rentnern, getragen werden. Der Arbeitgeberanteil von sieben Prozent, er soll eingefroren werden, während der bisherige prozentuale Beitrag vom Arbeitseinkommen oder von der Rente möglicherweise ganz oder teilweise auf eine Pauschalprämie umgestellt wird. Die Pflegeversicherung soll ebenfalls umgebaut werden. Dort soll eine Kapitaldeckung eingeführt werden. – Am Telefon bin ich nun verbunden mit dem CDU-Politiker Heiner Geißler. Guten Tag, Herr Geißler.
Heiner Geißler: Guten Tag!
Breker: Herr Geißler, ist das ein Systemwechsel?
Geißler: Ich habe auch schon gehört, dass ein Liberaler von Zeitenwende geredet hat. Möglicherweise kommt noch einer auf die Idee und sagt "Revolution". Das ist natürlich völliger Unsinn. Was Sie gerade gesagt haben, sind Vorschläge, und dass der Arbeitgeberbeitrag eingefroren wird, ist ja nichts Neues. Außerdem sind wir noch lange nicht so weit, denn alles, was im Gesundheitsbereich nun niedergeschrieben worden ist, muss ja zunächst einmal geprüft werden von einer Regierungskommission. Man wird sich über die Ziele der Gesundheitspolitik einigen müssen, dass nämlich alle, unabhängig von Geburt, Geschlecht, Herkunft, dieselbe optimale medizinische Versorgung bekommen, die möglich ist, und dann muss man über die Finanzierung reden.
Breker: Und wenn man, Herr Geißler, über die Finanzierung redet, dann war ja bislang das Modell der Sozialpartnerschaft dasjenige, was galt. Hat sich das inzwischen angesichts der demografischen Entwicklung überholt? Gilt das nicht mehr?
Geißler: Dass alles nur von den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern bezahlt werden soll, ist in der Tat eine heute nicht mehr akzeptable Lösung. Wir müssen ja in der Tat den Kreis derjenigen, die für die Gesundheitskosten aufkommen wollen, erweitern. Das kann auch dadurch geschehen, dass diejenigen, die bisher nicht in der Versicherung gewesen sind, eben mit einbezogen werden, so wie es die Schweiz in der Rentenversicherung macht. Dass man die Sozialversicherung vom jetzigen Verfahren auf ein Kapitaldeckungsverfahren umstellen könne, ist natürlich nicht möglich, das ist ein Unsinn. Das ist im Übrigen auch gar nicht Inhalt dieser Vereinbarung, sondern es soll ja bei der Pflegeversicherung nur eine zusätzliche kapitalgedeckte Absicherung eingeführt werden, ähnlich wie bei der Riester-Rente.
Breker: ..., die allerdings obligatorisch ist! Die Riester-Rente ist ja freiwillig.
Geißler: Ja, gut, das ist ja in Ordnung. Die Pflichtversicherung ist eine Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine solche Aufgabe finanziert werden kann. Nur dieser kapitalgedeckte Versicherungsbeitrag ist ja auch noch nicht beschlossen, denn wenn es mal an die Einzelheiten geht, dann muss man ja klar machen, ob ein zusätzlicher Beitrag, sagen wir mal von sieben, acht, oder neun Euro, der möglicherweise noch jedes Jahr um einen weiteren Euro ansteigt, von einer Lidl-Verkäuferin und vom Busfahrer getragen werden kann. Dann wird sich herausstellen, dass das eben nicht möglich ist, und dann fängt sofort wieder die Subventioniererei über den Staat, über das Finanzamt an. Dann kann man das aber von vornherein gleich anders machen.
Breker: Und wie kann man es anders machen?
Geißler: Darüber wird ja in den Kommissionen dann beraten werden. Man kann zum Beispiel die Pflegeversicherung komplett über die Steuer finanzieren. Das ist aber nicht mein Vorschlag, das will ich ausdrücklich sagen, sondern da gibt es eine Fülle von Variationen. Wichtig ist, dass genügend Geld in die Pflegeversicherung hineinkommt. Das ist ja das Problem im Gesundheitswesen, dass inzwischen durch das Diktat der Ökonomie wichtige Aufgaben auch in den Krankenhäusern überhaupt nicht mehr erfüllt werden können, dass beim Personal gespart wird, dass bei den Investitionen gespart wird, und das alles geht zu Lasten der Patienten.
Breker: Herr Geißler, kommen wir noch einmal zurück auf die Sozialpartnerschaft. Das ist ja weiland nicht ohne Sinn eingeführt worden. Man wollte ja ganz bewusst auch die Arbeitgeber beteiligen, damit sie ihrerseits Sorge tragen für das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter.
Geißler: Ja, gut, diese Form der Sozialpartnerschaft ist durchaus etwas Sinnvolles gewesen. Das haben Sie ja gesagt. Aber heute müssen wir in anderen Kategorien denken. Das hat sich ja bei der Rentenversicherung für die ostdeutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger gezeigt, bei der Finanzierung der Renten dieser Deutschen, dass dies natürlich eine nationale Aufgabe gewesen ist, dass der Ingenieur in Frankfurt an der Oder für die Zeit der Arbeit, die er geleistet hat, eben die gleiche Rente bekommt wie der, der in Frankfurt am Main gearbeitet hat. Aber das ist eine nationale Aufgabe gewesen. Es ist ja nicht einzusehen, dass diese nationale Aufgabe nur von den Handwerkern und den Arbeitnehmern bezahlt wird, während sich Beamte, Bundestagsabgeordnete, Freiberufler, Minister mit keinem Euro an der Finanzierung dieser nationalen Aufgabe beteiligen.
Breker: Herr Geißler, habe ich Sie richtig verstanden? Sie haben durchaus Verständnis dafür, dass Schwarz-Gelb in Berlin darüber nachdenkt, dass die künftigen Prämienerhöhungen allein von den Versicherten getragen werden?
Geißler: Dafür habe ich nicht so ganz leicht ein Verständnis, sondern wir werden insgesamt darüber reden müssen, wie sich der Kreis der Beitragszahler zusammensetzt.
Breker: Das heißt, Sie sind dafür, dass diejenigen, die bislang gar nicht versichert sind, zumindest nicht einzahlen, also Beamte, mit einbezogen werden, dass man einfach die Zahl der Beitragszahler erweitert?
Geißler: Ja, dass die Versicherungspflicht ausgeweitet wird. Aber das ist meine Meinung.
Breker: Ihre Meinung war gefragt, Herr Geißler.
Geißler: Das ist eine Meinung, die in der Regierungskommission sicher auch vertreten wird, und da müssen wir jetzt mal abwarten, was unter der Zielsetzung, die ich am Anfang genannt habe, die beste Finanzierungsmöglichkeit ist.
Breker: Dann warten wir ab, auf was die schwarz-gelbe Koalition in Berlin kommen wird. – Ihre Meinung, Herr Geißler, war gefragt und sie war zu hören im Deutschlandfunk. Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Geißler.
Geißler: Bitte schön.
Heiner Geißler: Guten Tag!
Breker: Herr Geißler, ist das ein Systemwechsel?
Geißler: Ich habe auch schon gehört, dass ein Liberaler von Zeitenwende geredet hat. Möglicherweise kommt noch einer auf die Idee und sagt "Revolution". Das ist natürlich völliger Unsinn. Was Sie gerade gesagt haben, sind Vorschläge, und dass der Arbeitgeberbeitrag eingefroren wird, ist ja nichts Neues. Außerdem sind wir noch lange nicht so weit, denn alles, was im Gesundheitsbereich nun niedergeschrieben worden ist, muss ja zunächst einmal geprüft werden von einer Regierungskommission. Man wird sich über die Ziele der Gesundheitspolitik einigen müssen, dass nämlich alle, unabhängig von Geburt, Geschlecht, Herkunft, dieselbe optimale medizinische Versorgung bekommen, die möglich ist, und dann muss man über die Finanzierung reden.
Breker: Und wenn man, Herr Geißler, über die Finanzierung redet, dann war ja bislang das Modell der Sozialpartnerschaft dasjenige, was galt. Hat sich das inzwischen angesichts der demografischen Entwicklung überholt? Gilt das nicht mehr?
Geißler: Dass alles nur von den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern bezahlt werden soll, ist in der Tat eine heute nicht mehr akzeptable Lösung. Wir müssen ja in der Tat den Kreis derjenigen, die für die Gesundheitskosten aufkommen wollen, erweitern. Das kann auch dadurch geschehen, dass diejenigen, die bisher nicht in der Versicherung gewesen sind, eben mit einbezogen werden, so wie es die Schweiz in der Rentenversicherung macht. Dass man die Sozialversicherung vom jetzigen Verfahren auf ein Kapitaldeckungsverfahren umstellen könne, ist natürlich nicht möglich, das ist ein Unsinn. Das ist im Übrigen auch gar nicht Inhalt dieser Vereinbarung, sondern es soll ja bei der Pflegeversicherung nur eine zusätzliche kapitalgedeckte Absicherung eingeführt werden, ähnlich wie bei der Riester-Rente.
Breker: ..., die allerdings obligatorisch ist! Die Riester-Rente ist ja freiwillig.
Geißler: Ja, gut, das ist ja in Ordnung. Die Pflichtversicherung ist eine Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine solche Aufgabe finanziert werden kann. Nur dieser kapitalgedeckte Versicherungsbeitrag ist ja auch noch nicht beschlossen, denn wenn es mal an die Einzelheiten geht, dann muss man ja klar machen, ob ein zusätzlicher Beitrag, sagen wir mal von sieben, acht, oder neun Euro, der möglicherweise noch jedes Jahr um einen weiteren Euro ansteigt, von einer Lidl-Verkäuferin und vom Busfahrer getragen werden kann. Dann wird sich herausstellen, dass das eben nicht möglich ist, und dann fängt sofort wieder die Subventioniererei über den Staat, über das Finanzamt an. Dann kann man das aber von vornherein gleich anders machen.
Breker: Und wie kann man es anders machen?
Geißler: Darüber wird ja in den Kommissionen dann beraten werden. Man kann zum Beispiel die Pflegeversicherung komplett über die Steuer finanzieren. Das ist aber nicht mein Vorschlag, das will ich ausdrücklich sagen, sondern da gibt es eine Fülle von Variationen. Wichtig ist, dass genügend Geld in die Pflegeversicherung hineinkommt. Das ist ja das Problem im Gesundheitswesen, dass inzwischen durch das Diktat der Ökonomie wichtige Aufgaben auch in den Krankenhäusern überhaupt nicht mehr erfüllt werden können, dass beim Personal gespart wird, dass bei den Investitionen gespart wird, und das alles geht zu Lasten der Patienten.
Breker: Herr Geißler, kommen wir noch einmal zurück auf die Sozialpartnerschaft. Das ist ja weiland nicht ohne Sinn eingeführt worden. Man wollte ja ganz bewusst auch die Arbeitgeber beteiligen, damit sie ihrerseits Sorge tragen für das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter.
Geißler: Ja, gut, diese Form der Sozialpartnerschaft ist durchaus etwas Sinnvolles gewesen. Das haben Sie ja gesagt. Aber heute müssen wir in anderen Kategorien denken. Das hat sich ja bei der Rentenversicherung für die ostdeutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger gezeigt, bei der Finanzierung der Renten dieser Deutschen, dass dies natürlich eine nationale Aufgabe gewesen ist, dass der Ingenieur in Frankfurt an der Oder für die Zeit der Arbeit, die er geleistet hat, eben die gleiche Rente bekommt wie der, der in Frankfurt am Main gearbeitet hat. Aber das ist eine nationale Aufgabe gewesen. Es ist ja nicht einzusehen, dass diese nationale Aufgabe nur von den Handwerkern und den Arbeitnehmern bezahlt wird, während sich Beamte, Bundestagsabgeordnete, Freiberufler, Minister mit keinem Euro an der Finanzierung dieser nationalen Aufgabe beteiligen.
Breker: Herr Geißler, habe ich Sie richtig verstanden? Sie haben durchaus Verständnis dafür, dass Schwarz-Gelb in Berlin darüber nachdenkt, dass die künftigen Prämienerhöhungen allein von den Versicherten getragen werden?
Geißler: Dafür habe ich nicht so ganz leicht ein Verständnis, sondern wir werden insgesamt darüber reden müssen, wie sich der Kreis der Beitragszahler zusammensetzt.
Breker: Das heißt, Sie sind dafür, dass diejenigen, die bislang gar nicht versichert sind, zumindest nicht einzahlen, also Beamte, mit einbezogen werden, dass man einfach die Zahl der Beitragszahler erweitert?
Geißler: Ja, dass die Versicherungspflicht ausgeweitet wird. Aber das ist meine Meinung.
Breker: Ihre Meinung war gefragt, Herr Geißler.
Geißler: Das ist eine Meinung, die in der Regierungskommission sicher auch vertreten wird, und da müssen wir jetzt mal abwarten, was unter der Zielsetzung, die ich am Anfang genannt habe, die beste Finanzierungsmöglichkeit ist.
Breker: Dann warten wir ab, auf was die schwarz-gelbe Koalition in Berlin kommen wird. – Ihre Meinung, Herr Geißler, war gefragt und sie war zu hören im Deutschlandfunk. Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Geißler.
Geißler: Bitte schön.