Archiv


Heinrich Hoffmann und der Aufstieg Hitlers

Heinrich Hoffmanns, seines Zeichens "NS-Reichsbildberichterstatter" und Leibfotograf, kam Hitler sehr nahe kam und spielte eine maßgebliche Rolle bei seiner propagandistischen Selbstinszenierung. 1974 wurde eine geschönte Fassung unter dem Titel "Hitler, wie ich ihn sah" von der Hoffmann-Tochter und einstigen Gattin Baldur von Schirachs auf den Markt gebracht. Nun hat der Residenz-Verlag eine kritisch kommentierte dritte Ausgabe ediert. Eine Rezension von Wolfgang Noethen.

01.09.2008
    "Der Mann, den ich zweiundzwanzig Jahre lang ständig begleitete, lebt in meiner Erinnerung fort. Die Weltgeschichte, von der ich ein Stück auf meinen Platten und Filmen festhalten durfte, ist unbewegt über sein Schicksal hinweggegangen.
    Aber wann immer man in späteren Zeiten einmal Bilder hervorholen wird, um sie als Dokumente dieses versunkenen Abschnitts deutscher Vergangenheit den Generationen vorzulegen, die sie nicht mehr erlebt haben - dann werden historische Fotografien darunter sein, gespenstisch erstarrte Geschichte, festgehalten von einem gewissen Heinrich Hoffmann."

    Derart pathetisch und größenwahnsinnig schließt Heinrich Hoffmann, Fotograf, Freund und Vertrauter Adolf Hitlers seine Erinnerungen, die der kritische Journalist Joe J. Heydecker bereits Anfang der fünfziger Jahre in mehreren Gesprächen mit Hoffmann aufzeichnete. Ab 1954 wurden sie als Fortsetzungsserie in der damaligen Münchner Illustrierten publiziert. 1957 starb Hoffmann im Alter von 72 Jahren - ohne Reue oder Einsicht. Kurz vor seinem Tod 1997 bemühte sich Heydecker - der als Berichterstatter den Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozessen beiwohnte - um eine Publikation mit einordnenden Kommentierungen. Diese sind der nun im Residenz-Verlag unter dem Titel "Das Hitler-Bild. Die Erinnerungen des Fotografen Heinrich Hoffmann." erschienenen Fassung von 1954 als Vorwort vorangestellt. Heydecker rekapituliert darin treffend die Schizophrenie in den Gesprächen mit Hoffmann:

    "Als ich Hoffmann 1954 in München traf, versuchte er den Eindruck zu erwecken, als sei sein Fall aus schwindelnder Höhe spurlos an ihm vorübergegangen. Lang und breit setzte er mir seine Unschuld auseinander, sein "Von-nichts-gewusst", seine Behauptung, nur die Zeitgeschichte dokumentiert zu haben. ( ... ) Er war ein Intimus des Führers gewesen - was er daraus machte, war allerdings weniger ein "Hitler und ich" als vielmehr ein "Ich und Hitler"."

    In der Tat drängt sich beim Lesen das Bild eines egozentrischen, profilneurotischen Mannes auf:

    "Ich habe Hitler aus nächster Nähe vom Jahre 1923 an bis fast zu seinem Tode beobachtet."

    Hoffmann hat Hitler nicht bloß beobachtet, er hat maßgeblich zu dessen Aufstieg beigetragen. Nicht ohne Grund wird er der "Erfinder des Führer-Kults" genannt. Schon bei seiner Verurteilung durch die Münchner Spruchkammer im Januar 1947 betonte der vorsitzende Richter Josef Purzer die Bedeutung Hoffmanns:

    " Ihre Werke sind meisterhaft, und die Psychose, die im deutschen Volk entstanden ist, die wird sehr wesentlich auf die Bildberichterstattung, auf diese Verherrlichung Hitlers zurückgeführt, denn alles das, was angeblich schön und groß an diesem Menschen war, ist hier dargestellt worden. Die Wirklichkeit sah allerdings ganz anders aus. Und an dieser Täuschung des Volkes hat ihr Verlag ganz wesentlich mitgewirkt."

    Angesichts dieser Einschätzung ist es verwunderlich, dass Hoffmann als Hauptschuldiger in der heutigen Öffentlichkeit nicht viel präsenter ist. Erst in den letzten Jahren ist das Ausmaß seiner Manipulation von Historikern ans Licht gebracht worden. Seine exklusive Stellung als Fotograf im Dritten Reich brachte ihm nicht nur ein Millionenvermögen ein, sondern ermöglichte ihm auch, Szenen nachzustellen und Bilder zu manipulieren, die noch heute in vielen Geschichtsbüchern als echt gelten.

    Vor diesem Hintergrund ist die Neuausgabe dieser Erinnerungen tatsächlich eine Bereicherung, besonders durch die den Fotos beigefügten Kommentare der Kunsthistorikerin Milena Greif, die Hoffmanns lockere Plaudereien entlarven. Stichhaltig werden hier Sachverhalte gerade gerückt und von Hoffmann produzierte Mythen und Bildmanipulationen benannt. Auch widmet Greif sich dem vom Hitler-Fotografen vermittelten Selbstbild des unpolitischen Beobachters, das er auch im Münchner Spruchkammerverfahren 1947 vorzuspiegeln versuchte:

    " Er bestritt jede propagandistische Absicht seiner fast unübersehbar großen Bilderchronik des Dritten Reiches, nannte sich einen Diener der Kunst und Fotograf des Zeitgeschehens und als solchen ein Opfer seines Berufes."

    Greif kann auch diese Behauptung widerlegen. Schließlich war Hoffmann schon

    "1920 der DAP/NSDAP beigetreten; er war Parteimitglied Nr. 59. Das bedeutet, Hoffmann hatte sich schon zu Zeiten, als mit Nazi-Bildern noch nichts zu verdienen war, der "Bewegung" als allfälliger Bildlieferant angedient...""

    Bedauerlich, dass diese wertvollen Hinweise in der Ausgabe des Residenz-Verlags nicht mehr Raum einnehmen oder zumindest optisch deutlicher positioniert werden. Sie werden nicht mit dem Namen der besagten Kunsthistorikerin unterzeichnet und tauchen auch nicht im Inhaltsverzeichnis auf. Auf den ersten Blick ist überhaupt nicht ersichtlich, warum an welchen Stellen Bilder und Kommentare eingefügt werden. Im Vordergrund steht also weiterhin Hoffmanns Originaltext, der durch seinen gefälligen Erzählstil und die ihm innewohnende Verharmlosung so gefährlich wird. Das klingt dann etwa so:

    "Nicht mehr und nicht weniger ist geschehen, als dass ich Hitler eine Nacht lang fieberhaft Märchen erzählte, echte, phantasievolle Geschichten, "Heinrich Hoffmanns Erzählungen", und dass er mir stundenlang zuhörte - bis er einen weltgeschichtlichen Augenblick verpasst hatte. "

    Gemeint ist eine geplante Invasion in England im Herbst 1940, die Hitler angeblich anzuordnen vergaß, weil Hoffmann ihn ablenkte. Laut Hoffmann "entscheidend für das Leben und das Schicksal von Millionen Menschen". Obgleich er sich doch angeblich bloß als unpolitischer Fotograf sah, betont er erstaunlich oft seine Bedeutung von historische Dimension, die ihm die Rolle als enger Freund Hitlers verschafft habe:

    "Da ich nach der Machtübernahme keinerlei Staatsamt angenommen hatte, sondern Privatmann geblieben war, konnte ich bei Hitler ganz anders auftreten. Die anderen wurden zum Vortrag befohlen. Ich kam, um mit Hitler zu plaudern."

    Die Behauptung, von nichts gewusst zu haben, widerlegt Hoffmann mit seinen Erzählungen selbst. Unverblümt gibt er etwa Episoden zum Besten, in denen politische Gegner ins KZ wandern. Ebenso unverblümt gesteht Hoffmann sein großes Potential als Erfinder von Geschichten ein. Dieser Fotograf hat nicht nur die optische Inszenierung der NS-Führung geprägt wie kein anderer - ab den 1940er Jahren stammten ca. 80 Prozent aller solchen Bilder aus seinem Unternehmen - sondern er hat damit auch die Vorstellung mehrerer Generationen vom Dritten Reich im Nachkriegsdeutschland - nicht nur rein visuell, sondern auch psychologisch - maßgeblich mit beeinflusst.

    Wolfgang Noethen über den von Joe J. Heydecker herausgegebenen Band "Das Hitler-Bild. Die Erinnerungen des Fotografen Heinrich Hoffmann". Veröffentlicht im Salzburger Residenz Verlag, 248 Seiten zum Preis von 22 Euro.